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Literatur: Bislang unbekanntes Brecht-Foto aus der Uttinger Zeit aufgetaucht

Literatur

Bislang unbekanntes Brecht-Foto aus der Uttinger Zeit aufgetaucht

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    Bertolt Brecht (rechts) und der Autor und Schauspieler Alfons Teuber (links) Mitte 1932.
    Bertolt Brecht (rechts) und der Autor und Schauspieler Alfons Teuber (links) Mitte 1932. Foto: Roswitha Earlam

    Je länger das Leben eines berühmten Schriftstellers wie Brecht zurückliegt, desto unwahrscheinlicher wird es, dass noch unbekannte Dokumente aufgefunden werden; seien es Manuskripte, seien es Fotos. Wenn es sich dann noch um eine Aufnahme handelt, die aus einer recht komplexen, aber fotografisch äußerst spärlich dokumentierten Lebensphase Brechts stammt, ist die Freude umso größer. Es geht um den Sommer 1932, konkret um Brechts kurze Zeit in Utting am Ammersee.

    Der Ammersee, bis heute eines der wichtigen Naherholungsziele der Augsburger, war für Brecht seit jeher von Bedeutung. Als Jugendlicher bereits ein brillanter Geist, aber von Herzproblemen geplagt, litt er darunter, buchstäblich auf der Strecke geblieben zu sein, als er Freunde bei einer Fahrradtour an den Ammersee aus Schwäche nicht begleiten konnte.

    1928 standen die Proben für die Premiere der „Dreigroschenoper“ in Berlin, am Theater am Schiffbauerdamm, unmittelbar bevor. Brecht, der gemeinsam mit dem Komponisten Kurt Weill in Südfrankreich an dem Stück arbeitete, machte auf der Rückreise nach

    Brecht war nach der "Dreigroschenoper" hineinkatapultiert in die Kulturelite der Weimarer Republik

    Am 31. August 1928 war es dann soweit: Die „Dreigroschenoper“ wurde uraufgeführt – mit sensationellem Erfolg. Brecht war jetzt prominent, hineinkatapultiert in die Kulturelite der Weimarer Republik. Damit einher ging ein gewisses Repräsentationsgehabe. Sein zur Schau gestellter gesellschaftskritischer Habitus scherte ihn da wenig. Brecht gönnte sich nun etwas, einen teuren Sportwagen ebenso wie einen angemessenen Zweitwohnsitz.

    Dort, wo viele Augsburger sich einkauften, die es zu etwas gebracht hatten, war auch er nun angekommen: am Ammersee; jetzt allerdings nicht mit dem Fahrrad, sondern kraft seiner dichterischen Genialität. Brecht erwarb im August 1932 in Utting ein ansehnliches Haus mit großem Garten. Trotz des Dauererfolgs mit der Dreigroschenoper streckte ihm sein Vater die komplette Kaufsumme vor.

    Im Gedicht „Zeit meines Reichtums“ gedenkt Brecht später seines Besitzes, den er nur wenige Sommerwochen genießen konnte: Die nationalsozialistische Terrorherrschaft, die man zur Zeit des Hauskaufs eigentlich hätte kommen sehen können und die ihn ins Exil zwingen sollte, ließ tatsächlich nicht mehr lange auf sich warten.

    Brecht war nur kurze Zeit im Haus am Ammersee

    Brecht bezog das Haus mit seiner Frau Helene Weigel und den beiden Kindern Stefan und Barbara am 11. August 1932. Aber da war ja auch noch Margarete Steffin, Brechts junge, lungenkranke Geliebte, die er an den Ammersee eingeladen hatte. Bald war er mit ihr in seinem Haus alleine, Helene Weigel und die Kinder nämlich fuhren zurück nach Berlin. Trennungsabsichten standen konkret im Raum; auch, weil Weigel befürchtete, dass ihre Familie von Steffin mit Tuberkulose angesteckt werden könnte.

    Brecht und Steffin kehrten erst am 20. September 1932 nach Berlin zurück. Zuvor hatten sie in Utting einige schöne Wochen verlebt. Euphorisiert lud Brecht Bekannte zu sich ein – den Komponisten Hanns Eisler fragte er, ob er nicht kommen und „einen Blick in Gretes blaue Augen tun“ wolle. Brecht zeigte Steffin aber auch die erbauliche Gegend. Er fuhr mit ihr an den Tegernsee und, Kontakte pflegend, nach München, zu seiner alten Wirkungsstätte. Bei den Kammerspielen hatte er einst als Dramaturg gearbeitet.

    Brecht lernte in München den Schauspieler Alfons Teuber kennen

    So lernte er, was man erst durch das nun gefundene Foto weiß, auch den 1903 geborenen, aufstrebenden Autor und Schauspieler Alfons Teuber kennen, der seit kurzem in München lebte und an den Kammerspielen und dem Staatstheater München gastierte. Stücke Teubers brachten es wiederholt bis ins Bayerische Staatsschauspiel, Kritiker verglichen ihn mit Wilhelm Raabe, sahen ihn als „gediegenen Humoristen, der sein Handwerk meisterlich versteht“.

    Gewohnt selbstbewusst und bestens gelaunt wirkt Brecht auf dem in München wohl im August/September 1932 entstandenen Foto. Teuber scheint dem berühmten Mann, der sich mit ihm fotografieren ließ, mit einigem Respekt zu begegnen und war stolz, dass die Aufnahme zustande kam: Er schickte das Bild der Familie seiner älteren Schwester im selben Jahr mit einer handschriftlichen Widmung auf der Rückseite als Weihnachtsgruß.

    „Schwierige Zeiten“ folgten: Brecht musste mit seiner Familie fliehen, das Haus in Utting wurde verkauft. Margarete Steffin unterzog sich einige Wochen nach der Rückkehr aus Utting einem Schwangerschaftsabbruch. Brecht nahm sie dann mit ins Exil, musste sie aber auf der Flucht vor den Nationalsozialisten sterbend in Moskau zurücklassen. Helene Weigel blieb ihm. Sie hielt die Familie zusammen und wurde nach Brechts Neuanfang in der DDR Intendantin des Berliner Ensembles.

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