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Lesung: Zum ersten Mal gibt es Literatur im Augsburger Zoo

Lesung

Zum ersten Mal gibt es Literatur im Augsburger Zoo

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    Wer hat sich da den Bass geschnappt? Genau, Dirk Heißerer, der bei der Veranstaltung in der Zoogaststätte eigentlich für die Texte von Karl Valentin zuständig war. Während Tom Jahn (links) und Rene Haderer (rechts) für die Musik sorgten.
    Wer hat sich da den Bass geschnappt? Genau, Dirk Heißerer, der bei der Veranstaltung in der Zoogaststätte eigentlich für die Texte von Karl Valentin zuständig war. Während Tom Jahn (links) und Rene Haderer (rechts) für die Musik sorgten. Foto: Michael Hochgemuth

    Nun also im Tiergarten. „Ein Ort, an den wir uns erst gewöhnen müssen“, sagt Kurt Idrizovic, der Veranstalter der beliebten sommerlichen Lesungen in lauschiger Biergartenatmosphäre. Coronabedingt ist die Veranstaltungsreihe in die Zoogaststätte umgezogen – und dort kann es schon vorkommen, dass der Pfau dazwischenschreit oder ein Geschwader Gänse schnatternd darüber hinweg fliegt.

    Doch eigentlich passt der tierische V-Effekt ganz gut zu den absurden Wortspielen und Szenen eines Karl Valentin. Er ist an dem Abend der Stichwortgeber für den Münchner Literatur-Flaneur Dirk Heißerer – und der rechte Helfer in der Krise.

    Längst vor Abstandsregel, Ausgehverbot und Mundschutz hat der Münchner Komiker und Wortverdreher darüber sinniert, was normal und was außergewöhnlich sei. „Gar net krank is a net g’sund“, wusste er. 1936 spürte Valentin dem Gefühl eines Zuspätgekommenen nach. Ein einziger Tag nur, aber jetzt sitzt er allein im Berliner Olympiastadion, die Spiele sind gelaufen und „um mich herum das große Schweigen, ringsumher war es still und lautlos“. Da gibt’s nur eins: „Flugs verließen wir die Stätte des Gewesenseins.“

    So lauten Karl Valentins Hygieneregeln

    Über Hygieneregeln können Valentins Neuigkeiten vom Starnberger See (1938) aufklären. Dem um sich schlagenden Ertrinkenden kann der Postbote am Ufer zwar nicht helfen, aber immerhin die Adresse eines hervorragenden Schwimmlehrers zurufen. Wobei sich sonst Tausende in die Fluten des Sees stürzen „und konnten sich selbst befreien“. Den Kopf zerbricht sich der schwer atmende Asthmatiker, ob er einen Ausflug nach Augsburg wagen sollte. Da hat es auch ein Klima, aber vielleicht ein anderes als in München. Valentin will’s mal probieren. „Tut es mir gut, bleib ich in Augsburg wenigstens 14 Tage lang.“

    Bei Dirk Heißerer werden es im Tiergarten vergnügliche zwei Stunden anstelle von zwei Wochen. Und das Klima hellt sich immer mehr auf, trotz einfallender Dämmerung. Das liegt auch an den eigenwillig arrangierten Jazzstandards, die Tom Jahn am Piano und Rene Haderer am Bass und aus dem Bombardon herausholen. Mal sind es gläserne, verträumte Töne im milden Abendlicht, mal Marlene Dietrichs „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ mit tiefer Basslinie und lockerer Klaviergarnierung, mal ein schmissiges „Bei mir bistu schejn“.

    Heißerers Lesung sei ein Protestabend - aber gegen was?

    Ein gutes Stichwort für Heißerers sanften Spott auf den übereifrigen Rechtsanwalt der Familie Valentin, der mit Argusaugen darüber wacht, die Texte rein zu halten. Allerdings verhaut sich der Jurist manchmal. „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“ mag von Valentin inspiriert sein, aber es kommt aus einem Film, gesprochen vom Buffopaar Esmeralda und Wenzel in verteilten Sätzen. Wem gehört Valentin? Ungenehmigt das Zitat „Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut“, laut Landgericht München ein urheberrechtlich geschütztes Sprachwerk, zu verwenden, kann bis zu 250.000 Euro teuer werden. Da hätte Karl Valentin lieber die Augen aufgemacht, als er auf dem Oktoberfest 1931 im Hippodrom sich an den Maderln auf Gäulen unanständig ergötzen wollte.

    Einen „Protestabend“ nennt Dirk Heißerer seine Lesung. Protest gegen was? Etwa die Zumutungen unlogischer Sprachbildungen: Dass das Nilpferd im Nil badet, aber der Ele nicht am Fant hängt. Oder über die Tücken der Vergesslichkeit: „Man soll sich alles aufschreiben. Aber ich habe den Bleistift und das Papiervergessen.“ Oder über das Lampenfieber des Schauspielers, der deswegen grundsätzlich keine Rolle lernt. Aber sein absichtlich stümperhaftes Spiel wird auch noch vom Theaterkritiker gelobt! Seine bekannt anarchischen Szenen, bei denen auf der Bühne nichts mehr heil bleibt, fanden sogar Eingang in die Literatur. „Alle einfachsten Dinge gerieten sogleich ins Problematische“, schrieb Lion Feuchtwanger in „Erfolg“.

    Am 15. August liest Bernhard Butz Texte des bayerischen Schriftstellers Georg Queri. Beginn 19.30 Uhr.

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