Der Schriftsteller Rafik Schami ist 1971 von Syrien nach Deutschland gekommen - und er liebt dieses Land, in dem er "frei reden kann". Ein Land, in dem er große Anerkennung genießt. Und trotz vieler Preisauszeichnungen wie zuletzt der Carl-Zuckmayer-Medaille ist Rafik Schami dankbar, dass so viele Menschen zu seiner Lesung ins Mephisto Kino gefunden haben. Denn er stellt aktuell sein Buch "Mein Sternzeichen ist der Regenbogen" vor, das bereits 2021 erschienen ist. Dabei witzelt er über sich selbst und seinen Stil, ein Besucher habe nach einer Lesung zu ihm gesagt: "Sie können gut erzählen, aber wann beginnt denn die Lesung?"
Rafik Schami erklärt in Augsburg die Kunst des Erzählens
Tatsächlich liest Rafik Schami nicht vor und er rezitiert auch nicht, sondern er trägt alles frei vor. Nicht ohne Stolz verrät er, dass er schon immer einen guten Kopf gehabt habe, sonst wäre ihm das Studium der Physik, Mathematik und Chemie kaum gelungen. Aber "die Quelle meiner Geschichten ist oft die Zunge der anderen", sagt Schami dann wieder bescheiden. Ein Erzähler müsse neben einem guten Gedächtnis auch eine gute Stimme haben, und wie "ein Dirigent mit den Gefühlen der Zuhörer" umgehen, so Schami.
Und genau diese Klaviatur der Gefühle beherrscht der Schriftsteller, der seine Erzählungen auch gestenreich unterstreicht. Als Kind habe er mit seiner Mutter, nachts um halb zwölf Uhr, oft den Geschichten aus 1001 Nacht im Radio gelauscht. Er habe immer ein harmonisches, geschlossenes Ende erwartet und durch diese Sendung gelernt, dass die Kunst stattdessen Geschichten immer weiterspinnt. Während Scheherazade erzählt hat, um ihr Leben zu retten, findet Rafik Schami: "Wir brauchen humanistisches Lachen, denn Lachen aus dem Herzen ist wie eine Tankstelle."
"Mein Sternzeichen ist der Regenbogen" lautet eine der Geschichten
Sogar eines seiner insgesamt sechs Oberkapitel in "Mein Sternzeichen ist der Regenbogen" heißt "Lachen". Denn Lachen sei "der beste Schmuggler" und Kurzgeschichten im Gegensatz zu Romanen wie "Kurzfilme ohne Leinwand". Die weiteren Kapitel heißen "Sehnsucht", "Tiere", "Geheimnis", "Reisen" und "Geburtstag".
Um Geburtsdaten, beziehungsweise deren Fehlen, geht es auch in der ersten Geschichte, die dem Buch seinen Titel gibt: "Mein Sternzeichen ist der Regenbogen". Der 14-jährige Protagonist kennt sein Geburtsdatum nicht. Das allerdings interessiert seine Jugendliebe Antoinette brennend. Als Tochter einer Schneiderin ist sie mit Horoskopen aus Zeitschriften wie "Leber des Mannes" und "Herz der Frau" vertraut, wie Schami ironisiert eine Parallele zwischen Syrien und Deutschland zieht.
Ein Abend zum Träumen und Nachdenken mit Rafik Schami
Antoinette tippt auf das Sternzeichen Krebs, hätte der 14-Jährige nicht Eigenschaften wie Sturheit und Mut. Die Nachforschungen des Protagonisten ergeben fünf verschiedene Geburtsdaten. Die Mutter verbindet mit der Geburt den Aprikosenduft im März, der Vater den beginnenden Krieg im April vor dem Abzug der Franzosen nach 30 Jahren Kolonialismus. Der habe in Nordafrika "Grenzen durch Dörfer wie mit dem Lineal gezogen, hinterlassen", schreibt Schami. Großmutter und Mutter geraten sogar in Streit miteinander. Als ihn Antoinette noch einmal fragt, resümiert der Held schließlich, dass sein Sternzeichen der Regenbogen sei. Von allem etwas.
Anja Völlger, die Leiterin von Bücher Pustet Augsburg und Veranstalterin des Abends, attestiert Autor Schami: "Er ist selbst wie ein Regenbogen, man staunt, wie er schillert und ist traurig, wenn er weg ist." Tatsächlich hat der Nebel die Besucher nicht abgeschreckt, die jetzt angeregt diskutierend nach Hause laufen. Denn Schami stimmt nicht nur froh, sondern auch nachdenklich. Er zeigt auch auf, wo Reformen und ein Umdenken notwendig wären.