Lange Kunstnacht in Augsburg: Kulturelle Abenteuerreise durch die Stadt
"#hinundweg" lautete das Motto der diesjährigen Langen Kunstnacht in Augsburg. Zum Reiseführer wurde ein Veranstaltungsprogramm mit 500 Künstlern und 200 Programmpunkten.
“Nur wer umherschweift, findet neue Wege!“ zitierte Kulturreferent Jürgen Enninger in seiner Begrüßung ein norwegisches Sprichwort, um das Publikum auf das Prinzip der Langen Kunstnacht einzuschwören. Das Programm „üppig“ zu nennen, wäre eine Untertreibung… Über 500 Künstler in 200 Programmpunkten an über 50 Spielorten luden zum Umherschweifen ein, darunter nicht nur Profis, sondern auch Amateure auf sehr hohem Niveau. Musik, Lesungen, Vorträge, Ausstellungen füllten das 54-seitige, eng bedruckte Programmheft. Nach „ganz in gold“ (2022) und „hoch hinaus“ (2023 zu Elias Holl) hieß es in diesem Jahr „#hinundweg“. Und so viel vorweg: Das unwirtliche Wetter verdarb den Augsburgerinnen und Augsburgern die Laune nicht. Mit Regenschirmen und wetterfestem Schuhwerk wanderten sie quer durch die Stadt von Ort zu Ort.
Gleich die Eröffnung war ausverkauft, als mit „Il basso al parnaso” Dirigent Ivan Demidov beim Eröffnungskonzert die Augsburger Philharmoniker mit dem wundervollen Staatstheater-Bass Avtandil Kaspeli auf eine Reise durch berühmte Bass-Opernarien aus „Fidelio“ bis zu „Don Carlo“ führte. Rund und warm und voller Kraft sang sich der georgische Sänger nicht nur in der Tiefe, sondern auch in den feineren Höhen im ausverkauften Goldenen Saal auf die Höhen des Parnass. Voll dramatischem Ausdruck setzte er seine Stimmgewalt ein, ja er flutete geradezu den Raum mit Stimme und Musik.
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Neben „Pauschalreisen“, die das Kulturamt im Programm anbot mit unterschiedlichsten Ausstellungsvorschlägen, konnte man auch neue „Kulturorte“ entdecken bei Lesungen im 34. Stockwerk des Hotelturms. Oder man übte sich in Geduld und stellte sich - „schön gesittet“, wie es der Ordner vorgab - an der Haltestelle für die Historische Straßenbahn an.
Lange Kunstnacht in Augsburg: einmal um die Altstadt mit Brass pur und TubAkkord
Mit Musik einmal um die Altstadt zu fahren, klang auch zu verführerisch. Die halbe Stunde im strömenden Regen vertrieben sich die Wartenden mit Erinnerungen an die eigene Schulzeit mit dem Gedränge in den alten, noch kurzen Tramwaggons. Geduld wurde belohnt – ob mit Dixieland vom Bläserquintett Brass pur oder mit kunstvollen Piazzolla- und Schostakowitsch-Arrangements des Duos TubAkkord (Fabian Heichele an der Tuba und Konstantin Ischenko am Akkordeon).
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Als eine Art Lebensreise konzipierte Ballett-Tänzer Daniel Záboj mit „friends“ seinen „Koffer voller Überraschungen“ mit Tanz, Musik (mit wundervoller Stimme Nadine Weiß) und stimmigen Metaphern. Reiseziel „Glück“? Zu viele Weichen, zu viel Gepäck…
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„Lava“ nannte sich der Ausflug des Ensembles „Progetto 600“ in den Süden mit seinen Vulkanen und explosiver Musiktradition. Überdacht im Viermetzhof spielten sie verführerisch mit der barocken Tradition der wilden Tarantella-Tänze oder modernen Cantautore-Arabesken von Lucio Dalla oder dem Samba-Klassiker „Agua de beber“. Als Iris Lichtinger ankündigte, das Programm aus Zeitgründen zu kürzen, ging ein Protestschrei durchs Publikum. Überzeugend – es wurde alles gespielt!
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Strömender Regen ab 20 Uhr nahm vielen die Lust am Umherschweifen – sie waren dann mehr weg als hin. Zwei junge Frauen ließen sich nicht einschüchtern: Sie schmetterten lauthals „Singing in the rain“ auf der Straße, nachdem sie bei „Eine Nacht in Monte Carlo“ von „Café Arrabbiata“ gute Laune getankt hatten. Die spielten derweil zum Ausklang im Augustanasaal „Wochenend und Sonnenschein“.
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Davon ließen sich auch die Artisten „Omnivolant“ anstecken: Statt poetischer Akrobatik und Feuershow um und auf ihrem nostalgischen Café-Wagen „Nagetusch“ im Freien im Annahof boten die Straßentheater-Erprobten bei ihrer zweiten Show einen „Minimal Circus“ im Foyer des Augustana-Hauses an.
Die „kleinste Circus-Show der Welt“ (nach vollmundiger eigener Aussage) war gespickt mit atemberaubender Minimal-Artistik und umwerfend lustigen Clownerien. Ein Loblied auf die Flexibilität der Straßentheaterkünstler!
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Das Motto inspirierte dazu, auch eine kleine Reise durch Augsburg zu unternehmen und die Stadt neu zu entdecken. Was lag also näher, als einen kleinen Spaziergang aus dem Herzen der Innenstadt hinauszuwagen und einige außergewöhnliche Spielorte zu besuchen? In der Nähe des Doms fand im Keller des Grandhotel Cosmopolis eine Lesung unter dem Titel „Alle hundert Meter verändert sich die Welt“ statt. Carmen Jaud und Alke Stachler trugen im wärmenden Lichtkegel einer Stehlampe lyrische Kunstwerke aus ihren Gedichtbänden zum Unterwegs-Sein und Reisen vor.
Der Nieselregen untermalt die Lesung der Gedichte
Das Erzählen von Ozeanen, mythischen Orten und der Reise zu sich selbst wurde stimmungsvoll von leichtem Nieselregen untermalt. Trotz der kleinen Reise und dem Wetter schienen einige Interessierte ihren Weg zum Grandhotel gefunden zu haben, denn die Vorstellung war gut besucht und es gab sogar noch eine kleine Zugabe.
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Etwas zentraler brachte das Theater Salpuri Fernweh und einen Hauch von Exotik in Augsburgs Innenstadt und hatte Glück mit einer kleinen Regenpause. Die in weiße Gewänder gehüllten Akteure ließen Seidenwindfiguren an Bambusstäben über den Rathausplatz schweben und luden Besucherinnen und Besucher ein, den Kunstwerken in fröhlichen Farben hinterherzujagen. Die Perfomance „Das Lachen des Windes“ kam besonders gut bei Kindern an, die versuchten, die Windfiguren zu fangen und mit ihnen zu spielen.
Mal zogen die Akteure leichtfüßig an einem vorbei, mal wurde man von mehreren Seidenfiguren eingehüllt und tänzerisch umspielt. Die Straßenkünstler ließen ihre Kunstwerke still und poetisch über die gesamte Weite des Platzes fliegen, bis sie schließlich in die Philippine-Welser-Straße weiterzogen.
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Beflügelt von diesem frischen Wind hatte man den Mut, eine Reise in die Zukunft zu wagen und sich dafür in den Hollbau im Annahof zu begeben. Oben im Hieronymus-Wolf-Raum konnte man nicht nur einen Blick auf den Annahof und die beeindruckende Architektur vor Ort werfen, sondern auch eine kleine Vorschau in die Architektur der Neuzeit bekommen. Das Projekt „architektur_musik“ bot mit VR-Brillen und Kopfhörern eine außergewöhnliche und erfrischende 20-minütige Reise in die Zukunft des Staatstheaters Augsburg. Nach einer kleinen Einführung in die Technik konnten die Brillen und Kopfhörer auch schon aufgesetzt werden und dann ging es mit passender musikalischer Komposition der Augsburger Philharmoniker los in eine neue Welt. Im Rahmen der Sanierung des Staatstheaters soll das „Kleine Haus“ als zweite Spielstätte direkt neben dem Hauptgebäude errichtet werden. Beide Gebäude sollen bis 2028 fertig errichtet und damit für das Jahr 2029 spielbereit sein. Mit Hilfe der Virtual Reality Visualisierung von Benjamin Seuffert konnte man das zweite Theatergebäude, das bis jetzt nur auf Bauplänen und in Gedanken existiert, bestaunen und den architektonischen Prozess in einer direkten Klangumsetzung genießen. Die Idee und Komposition von Ulrike Jochum basiert auf der jahrtausendalten Verbindung von Architektur und Musik, die schon bei griechischen Tempeln mit passenden Harmonien umgesetzt wurde.
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Zum Abschluss der Langen Kunstnacht bezaubert das Theater ANU mit seinem Lichterlabyrinth im Fronhof
Der Höhepunkt des Abends war allerdings ganz klar das Stationentheater mit Lichterlabyrinth des Theaters ANU in Zusammenarbeit mit dem Theater Magica aus Berlin. Das Theater ANU bezauberte mit seiner Poesie schon einige Male bei der Langen Kunstnacht. Der Eintritt in das Lichterlabyrinth im Fronhof erfolgte durch ein Portal in Gestalt eines blau erleuchteten mystischen Häuschens. Aber nur, wenn der Narr, der auf dem Dach des Häuschens saß, mit der Antwort auf seinen Schüttelreim zufrieden war oder eine spannende Liebesgeschichte erzählt hatte, durfte man eintreten.
Dann galt es, einen Weg durch das Labyrinth aus Hunderten von kleinen Kerzen zu finden und an Stationen ein kurzes Schauspiel zu beobachten. Dabei wurde von Flugversuchen oder anderen Ländern erzählt und verzaubert. Der bis dahin schon zur Gewohnheit gewordene Regen behinderte die magische Atmosphäre nicht und die kleinen Lichter waren zum größten Teil auch gut geschützt. Ein magischer Abschluss für die kulturellen Reisen des Abends.
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