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Kreativquartier: Das Gaswerk ist zur Oase für Augsburger Künstler geworden

Kreativquartier

Das Gaswerk ist zur Oase für Augsburger Künstler geworden

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    Im Sozialgebäude des Gaswerks in Oberhausen befinden sich Künstler-Ateliers.
    Im Sozialgebäude des Gaswerks in Oberhausen befinden sich Künstler-Ateliers. Foto: Sebastian Kraus

    Wenn sich einem die herausragende Stellung des Augsburger Gaswerkareals als 70.000 Quadratmeter großes Kreativquartier nicht gleich erschließt, blickt man am besten mal Richtung Osten, nach München. Philipp Staudt, experimenteller Trompeter und Gründungsmitglied der Brassband Moop Mama, bezeichnet seinen Proberaum in der Halle 6 auf dem Schweren Reiter-Gelände am

    Dann mal schnell zum Gaswerkgelände in Oberhausen. Die Punkband Plan B ist wohl der älteste Mieter, 2007 zog das Trio zu einem symbolischen Preis in ein mittlerweile abgerissenes Gebäude gleich beim großen Scheibengasbehälter. Inzwischen zahlen sie für den Raum in den östlichen Werkstätten mehr, dafür ist auch mehr Leben im Areal: „Man trifft jetzt endlich auch mal Leute und kann in andere Proberäume schauen“, sagt Schlagzeuger Chris, „das einzige, was uns fehlt, ist ein Bierautomat.“ Punkrocker eben.

    Die Musikbox und der kleine Scheibengasbehälter (rechts) auf dem Gaswerkgelände.
    Die Musikbox und der kleine Scheibengasbehälter (rechts) auf dem Gaswerkgelände. Foto: Lukasz Walda

    Der Bus am Gaswerk fährt abends nur jede halbe Stunde

    Auch Musikerin Julia Kratzer fühlt sich wohl auf dem Gaswerkgelände, das Feeling sei „ein bisschen wie früher in der Reese, nur eben nicht so abgerissen“. Das Wort ist dabei durchaus positiv gemeint, da die urbane Heruntergekommenheit und die Tatsache, dass zu jeder Tages- und Nachtzeit interessante Menschen die Häuser bevölkerten, neben wilden Feiern auch fruchtbare Kollaborationen entstehen ließen. Die Patina im

    Kratzers Band Lilla Blue arbeitet in der Musikbox, dem in Rekordzeit hochgezogenen Zwillingsbau zu den östlichen Werkstätten. Seitens der Stadtwerke ist man stolz, „dass die wesentlichen Schritte, also der Ausbau des Ofenhauses, die Renovierung der Werkstätten und der Neubau der Musikbox, so schnell vonstattengingen. Das hat Strahlkraft, weit über die Stadt hinaus“, meint Sprecher Jürgen Fergg. 

    Das deckt sich mit der Erfahrung von Schlagzeuger Tilman Herpichböhm: „Fast alle, die von außerhalb hierher kommen, sagen: Was ist hier denn los? Und das kommt von der Stadt? Wahnsinn!“. Er fühlt sich wohl im Raum, den er zusammen mit Tom Jahn und Jan Kiesewetter schon 2019 in den östlichen Werkstätten bezog. Die Miete sei angemessen und es werde auf die Notwendigkeiten bei den Künstlerinnen und Künstlern geachtet. Wer oft Schlagzeug und Hammondorgeln in den Kofferraum räumen muss, freut sich über einen Raum im Erdgeschoss. Alle Drummer in eine Ecke des Gebäudes ziehen zu lassen, erscheint angesichts der Dämmverhältnisse in den Räumen eine gute Idee: „Der Schallschutz ist eher mittelmäßig, das dämmt jetzt nicht alles weg“, hat Herpichböhm festgestellt. Auch wenn es Sopranistin Mia Jakob schön findet, „die anderen aus den Zimmern zu hören“, hört man diese Aussage öfters, gerade weil sich die „Künstleroase“, wie Jakob das Areal bezeichnet, immer mehr mit Leben füllt. „Die Räumlichkeiten sind zu 100 Prozent vermietet“, berichtet die Pressestelle der SWA. Deutlicher ist der Bedarf an kulturellem Freiraum wohl nicht in Zahlen auszudrücken. 

    Das Wohlfühlklima wird sich wohl erst so richtig nach der Baustellenphase einstellen, und auch wenn die Sitzgelegenheiten im Kulturhof im Sommer schon gerne genutzt wurden, um sich von der Abendsonne den Proberaumstaub aus den Klamotten scheinen zu lassen, fehlt es in den Gebäuden an zentralen Punkten für soziale Kontakte, weiß Malerin Iris Eckhardt aus dem Sozialgebäude am Behälterturm zu berichten. Sehr ruhig gehe es dort zu. Trotzdem ist sie äußerst zufrieden: „Wir wurden gefragt, was wir brauchen. Ich konnte mir die Quadratmeterzahl meines Ateliers aussuchen und es wurde extra ein großer Raum in zwei kleine geteilt.“ Doch auch Eckhardt vermisst Infrastruktur. 

    Die Stadtwerke wollen auf dem Gaswerkgelände noch ein größeres gastronomisches Angebot schaffen

    Abgesehen davon, dass das nicht gerade preiswerte Restaurant im Ofenhaus nur abends geöffnet hat und auch sonst kein Büdchen weit und breit zu finden ist, gibt es auch im Sozialgebäude weder Küche noch Getränkeautomat. Die SWA zeigt sich „interessiert, mehr Angebot zu schaffen. Es gibt Interessenten für das Garagengebäude“, weiß Sprecher Jürgen Fergg, aber für eine Verkündung sei es noch zu früh. 

    Sopranistin Mia Jakob in ihrem Probenraum im Gaswerk.
    Sopranistin Mia Jakob in ihrem Probenraum im Gaswerk. Foto: Lukasz Walda

    Es fehlt also an Infrastruktur – und ein wenig auch Struktur. Man hört aus vielen Mündern, dass „eigentlich alles ganz gut organisiert ist“, doch in Sachen Zuständigkeit und Ansprechpartner gibt es dann doch immer wieder Durcheinander. Die Stadt ist Vermieterin, das Gelände aber gehört den Stadtwerken, die daher auch den Hausmeister stellen. Für Veranstalter bedeutet das, dass es keine Person gibt, die gebündelt koordiniert und über alles Bescheid weiß. Für Bands bedeutet das, dass man unter Umständen spät nachts mal mit dem Auto auf dem Gelände eingesperrt ist, wenn nach der Einfahrt die Batterie der Schranke den Geist aufgibt und der Hausmeister aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr zu erreichen ist. „Trotzdem“, sagt Herpichböhm, „ist es großartig, dass die Stadt die SWA in die Pflicht nimmt, Geld in das Gelände zu investieren“. Es sei gut, dass seitens der Stadt Augsburg erkannt wurde, wie wichtig es für eine Stadt ist, solche Orte zu ermöglichen, wo nicht nur ein paar Tage im Sommer anlässlich des Modulars oder Gaswerksommers ein Feuerwerk abgebrannt wird, sondern Tag für Tag Kunst und Musik entstehen kann. „Der Grundgedanke ist über die Maßen wertvoll“, so Herpichböhm – und nicht nur viele Kulturschaffende aus der Landeshauptstadt würden dies sofort unterschreiben.

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