Das Jahr ging für die Augsburger Folk-Institution John Garner dank der mit Fiddler‘s Green gemeinsam aufgenommenen Single „Beasts Of England“ aufregend los. Letztere sind eine bedeutende Nummer in der Speedfolk-Szene, dementsprechend glücklich erzählt Lisa Seifert, „wie gut es uns getan hat, das Vertrauen der Fiddlers zu haben. Wir haben dieses Jahr unsere Freundschaft gefestigt“. Ähnlich unerschütterlich sind John Garner selbst. Die kennen sich aus mit Rückschlägen, doch der Briefkopf dieses Jahres liest sich gut: Drei Singles wurden veröffentlicht, „die uns allen sehr am Herzen lagen, da die Songideen dieses Mal von Felix (Bönigk) und Chris (Sauer) kommen und sehr persönlich sind“, dazu tourten sie einmal mehr fleißig durch die Lande und spielten als Vorband wie als Hauptact bis zu 60 Konzerte.
60 Konzerte spielte John Garner in diesem Jahr
Nichts zu spüren von der Krise der Livemusik? „Nun, der Kelch ist auch an uns nicht vorübergegangen, wir mussten auch Shows absagen, weil der Vorverkauf so schlecht lief.“ Selbst beim Heimspiel im Spectrum war der Club nicht im Vorfeld ausverkauft, die Menschen entscheiden sich heute sehr spontan für oder eben gegen das Konzert am Abend. Das bereitet der Live-Branche Schwierigkeiten, das weiß Seifert auch in ihrer Funktion als Kulturbeirätin. „Aber wir sind Kämpfer, wir stecken dann die Köpfe zusammen und schauen, wie es weitergeht“.
Was immer geht, ist Konzerte zu spielen, bei gleichzeitiger Pflege der Folk-Familie. In Augsburg sind Lorbank Collective geladen, die der Legende nach am Lagerfeuer gegründet wurden, nachdem sie den Katalog der Simon-&-Garfunkel-Hits durchgespielt hatten und dann einfach weiter selbst Songs für zwei Stimmen und eine Akustikgitarre schrieben – während die über den Flammen vergessenen Marshmallows langsam zu Kohle schmorten.
Damit das auch im Live-Club funktioniert, kam noch ein Schlagzeug für den Puls und ein Piano für Bass und Fläche dazu. Außerdem gibt es ein immer ein leicht nach Hasenjagd klingendes Banjo, ein wenig nach Hendrix klingende Mandolinen-Soli sowie Zitate von den Pixies bis Bruder Jakob. Das ist abwechslungsreich, gut gespielt und höchst sympathisch, daher passt die Band zu John Garner wie der viel zitierte Hintern auf den Eimer. So wie John Garner auf die Bühne passen.
John Garner beschränkt sich nicht nur auf ein Genre
Zu den Klängen ihres größten Stadion-Pop-Moments „Heartbeat“ betritt das Quintett die ausgetretenen Bohlen der Spectrum-Bühne, um ihr Jahresabschlusskonzert mit „My Heart Is Ready“ zu beginnen, die Antwort auf die neugierige Frage eines Außerirdischen, was genau eigentlich Folkrock ist: ein stampfender Bassdrum-Viervierteltakt, vier verschiedene Saiteninstrumente, ein schwankendes Akkordeon und kraftvoller Gesang über flammende wie unerwiderte Liebe.
Man wird der Band aber nicht gerecht, indem man sie in ein bestimmtes Genre einsperrt. Dafür sorgt alleine schon Felix Bönigk, der mit Kompositions- wie Punkrockhintergrund und angemessen tief hängender Gitarre dem Sound der Band eine ordentliche Indie-Kante verleiht. Und überhaupt, die einzige Kategorie, in die John Garner zu einhundert Prozent passen, ist die der Liveband. Sie spielen im Schnitt alle sechs Tage live, fressen über das Jahr verteilt mehr Kilometer als die Autobahnmeisterei und sind besser aufeinander eingespielt als die Offensive des lokalen Bundesligisten. Trotzdem hört man im Vorfeld, dass vor dem Heimspiel eine ungewöhnliche Nervosität herrscht. Die war aber entweder kurz vor Konzertbeginn verflogen oder sehr gut versteckt.
Lisa Seifert singt die Nachhaltigkeitshymne „Save The World“
Spätestens als Lisa Seifert vor der Nachhaltigkeitshymne „Save The World“ daran erinnert, dass viel Schützenswertes – sei es der Planet, die Demokratie und damit zusammenhängend die Zukunft aktueller und kommender Kinder – in akuter Gefahr ist, ist es mit der vermutlich nur den kalten Temperaturen draußen geschuldeter Reserviertheit des Publikums vorbei. Das Konzert wird zu der Seelenmassagen-Veranstaltung, wegen der die Menschen Konzerte von John Garner besuchen.
„Golden Ray“ und „Please Don‘t Waste My Time“ beweisen, dass es eine gute Entscheidung war, Lisa Seifert mehr Raum am Mikrofon zu geben. Experimentalbrillen-Model und personifizierte Bühnenpräsenz Stefan Krause lässt bei „Bye Bye Mr. Blue“ noch einmal die ganz große Pop-Sonne aufgehen. Als Zugabe spielen John Garner schließlich „Beasts Of England“, unverstärkt, umringt von ihrem Publikum. Und schließen damit den Kreis des Jahres 2024. Zumindest fast. Denn im Dezember spielen sie noch ein paar Shows mit den Fiddler‘s. Diese Band ist einfach nicht von der Bühne zu bekommen.
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