Weihnachten, das Fest der Italienliebe. Das Fest, an dem Augsburgs erfolgreichster Schlagerexport seit Roy Black zurückkehrt in seine Heimatstadt, vor ein paar Jahren noch in die kleine Bar "Hallo, Werner", bald darauf in die deutlich größere Kantine am Königsplatz und 2022, auf dem bisherigen Höhepunkt des Erfolgs, auf die ganz große Bühne im Kongress am Park. Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys, da spielen sie in festlichen 80er-Jahre-Anzügen unter einem monumentalen Weihnachtsbaum, der Keyboarder zwischendurch lässig an einer römischen Gipsstatue lehnend, und haben ein Jahr hinter sich, das sich mit zwei Worten zusammenfassen lässt: "Mamma mia" ruft der eine von zwei Frontmännern dann auch schon nach wenigen Songs von der Bühne herunter, in die leuchtenden Gesichter hunderter Fans in der ausverkauften Halle.
Fans - oder sollte man sagen Jünger? - dieser Band, die sich keinesfalls ernst nehmen lassen will: Studierende mit Weihnachtsmann-Sakko und SSC-Neapel-Schal, Politiker mit Fancap, Manager im Glitzeranzug, Großmütter, die tanzen wie einst in der goldenen Zeit von Caterina Valente und Chris Roberts. Bei Roy Bianco verschmelzen sie zum großen "Schlagerstrudel", einer Weihnachtsspezialität, die es nur bei Konzerten der Italoband zu bestaunen gibt. Dann nämlich, wenn sich vor der Bühne - wo eigentlich kein Quadratzentimeter Platz mehr ist - plötzlich ein großer Kreis auftut, in dem Sekunden später dutzende Fans zu einer ekstatisch tanzenden Einheit zusammengerührt werden.
Die Legende besagt: Es ist das 40. Jahr mit Roy Bianco
"Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys haben den Schlager wieder salonfähig gemacht", sagte kurz vorher noch ein Konzertbesucher in den 30ern neben der Bar, wo Vino Bianco und Aperol Spritz literweise über die Theke gereicht werden. Und er spricht davon, wie seine Lieblingsband sich über die Jahre hinweg immer treu geblieben sei. Es klingt, als würde er sie seit Jahrzehnten begleiten - und diese Doppeldeutigkeit ist es auch, mit der Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys so erfolgreich spielen. Drin auf der Bühne spricht der Sänger mit säuberlich getrimmter, kinnlanger Schlagermatte und großer Geste vom "40. Jahr mit Roy Bianco", obwohl die sechs Bandmitglieder damals noch gar nicht auf der Welt weilten, die Legende offensichtlich eine Legende ist: 1982 hätten sie sich gefunden, der Sänger Roy Bianco und der Hitproduzent mit Pseudonym Die Abbrunzati Boys, hinzu kamen Blechkofler an der Trompete, Ralph Rubin am Keyboard, Bungo Jonas am Schlagzeug und Eisensepp am Bass. Dann Welttournee, Auflösung, Comeback im Jahr 2015, man muss es nicht weiter ausführen, jeder hier kennt die erfundene Biografie.
Längst haben sich Legende und Realität angenähert: Heute spielt die Band wirklich ausverkaufte Tourneen, stand mit ihrem zweiten Album "Mille Grazie" eine unwirkliche Woche lang auf Platz 1 der deutschen Albumcharts. Dorthin getragen haben sie die Fans hier und bei all den anderen ausverkauften Konzerten im deutschsprachigen Raum, die das Album zu Tausenden vorbestellten und sich ein Konzertticket gleich mitsicherten. "Danke, dass wir heute hier sein dürfen, wir haben es uns selbst erarbeitet", lobt sich der zweite Sänger im Kongress am Park gewohnt selbstsicher - und die Fans dürfen sich ruhig ein bisschen mitgemeint fühlen.
Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys in Augsburg: Selig tanzt sich das Publikum in Weihnachtsstimmung
Leider lässt der Sound bis zum Schluss zu wünschen übrig, ausgerechnet vom eigens aus "Casa delle rose" (Rosenheim) angereisten Weihnachtsorchester hört man kaum etwas. Auch bei den Ansagen Roy Biancos muss man auf den oberen Rängen schon sehr genau hinhören. Doch spätestens, wenn die Satzfetzen "Weihnachten" und "Blut Christi" in ein Trompetenintro münden, hunderte Fans kollektiv zu hüpfen beginnen, dann weiß man: Jetzt wird dem "Vino Rosso" ein Denkmal gesetzt. Es ist der wohl größte Hit der Band.
Und auch sonst ist alles dabei, was das italienische Herz der Deutschen höher schlagen lässt: Ponte di Rialto, Amore sul mare, Capri '82 - selig schwelgt und tanzt sich das Publikum in Weihnachtsstimmung. Ein 22-Jähriger erzählt draußen an der Bar von der Nostalgie, die der Roy-Bianco-Schlager in ihm auslöse, obwohl er doch sonst gar keinen Schlager höre. Er berichtet von der Erinnerung an den Italienurlaub mit der Familie. Die Getränke, die er jetzt holt, sind auch für seine Eltern. Sie sind an diesem Abend mitgekommen.