Beim vierten Anlauf hat es geklappt, denn das Konzert mit Heinz Rudolf Kunze, oder kurz HRK, wie er von seinen Fans genannt wird, wurde coronabedingt mehrfach verschoben. So nah dürfte man einem der größten Liedermacher Deutschlands hierzulande noch nie gekommen sein. In heimeliger Atmosphäre mit rund 450 Zuschauenden in der Stadthalle Gersthofen plaudert der Rocksänger in seinem neuen Soloprogramm „Heinz Rudolf Kunze – Wie der Name schon sagt“ über Gott und die Welt. Scharf beobachtend, auch kritisierend widmet sich Kunze darin gesellschaftlichen wie politischen Themen. Bühnenmittig nimmt der 65-Jährige umrahmt von seinen drei Gitarren Platz, gekleidet in Künstlerschwarz und mit türkisblumigem Künstlerschal.
Das Wort Corona kommt Heinz Rudolf Kunze nicht über die Lippen
Philosophisch begibt sich der musikalische Germanist auf eine Reise durch seine Kindheit, das 41-jährige Bühnenleben und das aktuelle Weltgeschehen. Er spricht vom Ausnahmezustand, der zum Regelzustand wurde, von der aufgebrachten Masse, die nur allzu gerne aufkocht, und vom „Schrumpfgermanen“, der wieder vor der Kriegskommission steht. „Ja, der arme Herr Lauterbach kommt gar nicht mehr zum Zug“, stellt er fest. Dennoch gehe es nur darum: „Jeder hatte es, hat es oder kriegt es. Verzeihung. Auch jede und jedes.“ Da stelle sich ihm die Frage, wie Menschen, die nur noch daran denken, zuvor gelebt haben. „Achtsam jedenfalls nicht.“ HRK spricht dem Publikum aus der Seele, wenn er die Zeit herbeisehnt, in der es – er spricht das C-Wort niemals aus – vorbei ist, wenn wir einfach wieder atmen, lachen, tanzen und glücklich sind.
HRK, selbst ein Vertriebener, wie er biografisch in seinem gleichnamigen Song besingt, lässt der Russland-Ukraine-Konflikt nicht kalt. „Lasst uns Putin nicht mit den Russen gleichsetzen. Russische Panzerfahrer, die Löcher in die Tanks bohren, um nicht weiterfahren zu können, sind auch Helden.“ Seine Fragen und Beobachtungen gehen durch Mark und Bein. „Mit welchem Recht wollen wir Menschen verwehren, zu uns zu kommen, um zu überleben? Mit welchem Recht dürfen wir uns beschweren, wenn die Hungernden nicht einfach den Mund still halten? Mit welchem Recht wollen wir Mauern errichten? Mit welchem Recht auf Mitleid verzichten?“ Seiner politischen Verantwortung hat sich HRK, wie seine Kollegen Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer oder Marius Müller-Westernhagen, noch nie entzogen. Das zeichnet ihn aus.
Sein Humor ist beißend, Tabuwörter dabei niemals tabu. Mit dem Gendern hat er es nicht so. Und Veganismus scheint nicht sein Ding, als wortwörtlicher eingefleischter Vegetarier. Warum ein Wortkünstler und Antirassist wie er ausgerechnet das Wort Negerkuss genüsslich und provokativ aussprechen muss, bleibt allerdings ein Rätsel und ist unnötig.
Die Musik von Heinz Rudolf Kunze: Rockig und gefühlvoll
Dazu gibt es natürlich Musik vom Feinsten. Von rockig laut und kraftvoll bis gefühlvoll zart und leise. Die Fans kommen auf ihre Kosten, denn HRK weiß sie zu verwöhnen. Neue wie altgeliebte Songs gibt er mit ganzer Wucht und Leidenschaft zum Besten. Bei „Aller Herren Länder“ begleitet er sich mit Gitarre und Mundharmonika, legt sich dabei derart ins Zeug, dass sogar die Saite reißt. Bei der Sehnsuchtsmelodie „Ich hab´s versucht“ mit seiner samtig weichen und angerauten Stimme verdrücken einige Zuschauer eine Träne. HRK erreicht die Herzen und er hofft, dass die Dunkelheit nicht das letzte Wort hat. Er spielt das für ihn wichtigste Lied gegen den Krieg, das vor 59 Jahren Bob Dylan schrieb: „Masters of War“.
Heinz Rudolf Kunze erzählt viel über sich, in einer unterhaltsamen Abfolge amüsanter Vergleiche. Er sei ein Bader, kein Duscher, ein Nudler, kein Reiser, ein CDler, kein Streamer (bevor er das werde, wird er Schallplattler), ein Teeologe, kein Kaffeeosoph. Er geht seine eigenen Wege, seit jeher.
Am Ende ein Feuerwerk seiner Hits wie „Lola“, „Mabel“ und natürlich „Dein ist mein ganzes Herz“. Das Publikum geht ab, erhebt sich, singt mit. Ein wohltuender Abend.