i
Foto: Peter Fastl
Foto: Peter Fastl

Beim Herbstkonzert 2023 des Schwäbischen Jugendsinfonieorchesters spielten auch ehemalige Mitglieder des Orchesters mit.

Konzert
18.09.2023

Die Jugend stellt sich einem musikalischen Everest

Von Manfred Engelhardt

Das Schwäbische Jugendsinfonieorchester ist in seine 100. Probenphase gegangen. In Großbesetzung ging es Strauss' Alpensinfonie an.

Es gab viel zu feiern. Der Bezirk Schwaben ist 70 Jahre alt. Das Schwäbische Jugendsinfonieorchester, das in seiner Obhut steht, absolvierte seine 100. Probenphase. Von Richard Maier 1959 ins Leben gerufen und von schwäbischen Gymnasien mit den musikalischen Begabungen „beliefert“, wurde kontinuierlich das Niveau höher, die Partituren üppiger. Nun erklomm man mit der „Alpensinfonie“ von Richard Strauss so etwas wie den Mount Everest für ein Jugendorchester. Nach brillant absolvierter Souveränität unter der Leitung von „Bergführerin“ Carolin Nordmeyer am Pult jubelte der ausverkaufte Kongress am Park.

Der instrumentale Aufmarsch ist monströs, man muss ihn plastisch im Überblick benennen: Zum mächtig ausgedehntem Streicherkörper kommen vier Flöten (mit Piccolo), drei Oboen (mit Englischhorn), alle Klarinetten-Arten, Heckelphon, vier Fagotte aller Höhen, acht Hörner, acht Tenortuben, vier Trompeten und Posaunen, Kuhglocken, Pauken, Schlagwerk aller Arten, dazu Windmaschine und Donnerblech, zwei Harfen, die silbrige Celesta, Orgel. 

Nach der Pause entfaltete sich eine der massivsten Programm-Musiken

Diese Überhundertschaft lauerte bereits im Bühnenaufbau, als zwei Eingangsstücke dem Massenauftritt vorangingen: prachtvoll edler Blech Renaissance-Klang von Giovanni Gabrieli, dann die „Jagd-Sinfonie“ des Mozart-Zeitgenossen Antonio Rosetti, deren feine Bildersprache ländlicher Idylle geradezu auf das zu erwartende alpine Tondrama einstimmten. 

Nach der Pause entfaltete sich eine der massivsten Programm-Musiken, die man kennt. Richard Strauss steigt auf seine Weise ein in eine Zeit, in der die Klangwelt nach dem romantischen Aufbruch, im Umfeld des bevorstehenden 1. Weltkriegs die abenteuerlichsten Wendungen vollzog - fin de siècle. Die „Alpensinfonie“ entstand 1914/15. Der Tod des ebenso vom süddeutsch-österreichischen Gebirgsambiente inspirierten Gustav Mahler berührte Richard Strauss wohl sehr stark, den gebürtigen Münchner, der sich in Garmisch niederließ und mit seiner natürlichen Umgebung engstens verbunden war. 

Die musikalische Darstellung der "Monsterpartitur" ist eine Herausforderung

Mahlers sinfonische Folgen sind dabei von überhöhter Bedeutung. Der detailversessene, das instrumentale Angebot fast süchtig für seine musikalische Erzählkunst ausreizende Richard Strauss ist da schon durchaus naturalistischer in seiner Schilderung einer ihn prägenden Bergwanderung, die allerdings etwa zwei Jahrzehnte zurücklag. Doch hat er über die Illustrierung hinaus stets auch die symbolhafte Idee im Blick, das Gleichnis des Bergabenteuers für Lebenssituationen des ihn umgebenden Weltgeschehens. Und hierfür ist natürlich die musikalische Darstellung dieser „Monsterpartitur“ eine Herausforderung.

Lesen Sie dazu auch

Im Mittelpunkt steht ein typischer Strauss-Hymnus, der Frische, Mut, Stärke darstellt und der alle Gefahren und Umwege und Verirrungen erleben muss, dessen Thema die Interpreten nicht aus den Augen verlieren dürfen. Diese „Figur“ wird durch ein erhebendes, spukhaftes, gewaltiges und allerzartestes Pandämonium gezogen. Die Erzählräume – der Anstieg, die Auffaltung eines gleißenden Gletschers, die atemberaubende Stille beim Lauschen auf Naturtöne, düstere Lichtveränderungen, das näher ziehende Gewitter, die ausbrechenden Blitze und Stürme (wunderbar anzusehen der Mann an der Windmaschine), die Ruhe und Dankbarkeit nach dem Sturm (erinnernd an Beethovens Pastorale), das Dankgebet – all dies realisierte unter Carolin Nordmeyer der jugendliche Klangkörper mit überragend modellierter Farbe und Virtuosität: Streicher, betörende Holzbläser, standhaft positioniertes Blech, vibrierende Klangteppiche. Verdienter, aufgeladener Beifallssturm vom Publikum.

Facebook Whatsapp Twitter Mail