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Konzert: Die Abbrunzati Boys feiern ihr Nummer-1-Album

Konzert

Die Abbrunzati Boys feiern ihr Nummer-1-Album

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    Hände hoch, Gedanken aus, Hüftschwung an: Die Fans der Band brauchten nicht lange, um sich den neuen Songs vollkommen hinzugeben.
    Hände hoch, Gedanken aus, Hüftschwung an: Die Fans der Band brauchten nicht lange, um sich den neuen Songs vollkommen hinzugeben. Foto: Marina Kraut

    „Baby, drück’ das Gaspedal!“ Kaum eine Zeile auf dem neuen Album „Mille Grazie“ der Band Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys passt wohl besser auf die derzeitige Situation der Band wie diese. Denn mit genau diesem Album schafften es die Augsburger in der vergangenen Woche auf Platz eins der Offiziellen Deutschen Album Charts – nicht einmal Taylor Swift ist das in Deutschland je gelungen. Nicht einmal „Unlimited Love“ der Red Hot Chilli Peppers konnte da mithalten. Ihr Album rutschte auf Platz drei, verdrängt von Kitsch, verdrängt von Italo-Schlager made in Bayern. Sich und ihren Erfolg gefeiert hat die Band nun bei ihrem Auftaktkonzert zur Tournee in der Disco Kantine in Augsburg.

    Es hätte wohl keinen besseren Zeitpunkt für diesen Tourneestart geben können wie jetzt, so kurz nach diesem Erfolg an Deutschlands Album Olymp. Und da war es auch völlig in Ordnung, dass sich die Band am Donnerstagabend selbst feierte („Heute bedanken wir uns bei uns selbst“).

    Wer nicht alle Lieder mitschmettern kann, ist irgendwie fehl am Platz

    Roy Bianco und seine Bandkollegen brettern also derzeit sinnbildlich zu ihrem Auftaktstück des Albums „Brennerautobahn“ ihrer wachsenden Fangemeinde in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit ihrer Tournee entgegen. Zeit die Bremse bei ihrem Auftaktkonzert in Augsburg zu ziehen, war ohnehin nicht – das hätte das Publikum nicht mitgemacht. Denn eines war dort in der vollgestopften, aber nicht komplett ausverkauften Kantine klar: Wer nicht alle Lieder der Band mitschmettern kann, wer bei „Brennerautobahn“, „Sprizz“ oder „Giro“ dem wilden Mischmasch aus Deutsch und Italienisch nicht gewachsen ist, der ist hier irgendwie fehl am Platz.

    Dazu muss man allerdings wissen, dass es nicht nötig ist, ein Ultra-Fan der Band zu sein, um bei den Songs des neuen Albums „Mille Grazie“ mitsingen zu können. Reime wie „Baby, gleich sind wir da – auf der Autostrada, Richtung Modena!“ sind doch eher von der Sorte, die sich leicht einbrennen. Schlager eben.

    Genau die singt die Band nach eigenen Angaben auch. Wobei, ein bisschen etwas von Austro-Pop schwingt auch noch mit und irgendwas von altem italienischem Schlagerfestival mischt sich ebenfalls in die Stücke mit ein.

    Die Generation Retro findet die ironische Lässigkeit in der Band

    Die Band sagt, mit diesem ganz eigenen Musikstil treffe sie musikalisch den Nerv der Zeit. Und damit hat sie wohl gar nicht so unrecht, betrachtet man die Fans, die es zur Band hinzieht. Es ist die Generation Retro, diejenigen, die den Klamottenstil ihrer jugendlichen Eltern in die Jetztzeit projizieren und dabei nicht ganz ernst gemeint den Schnurrbart cool findet. Und gefunden hat sie diese ironische Lässigkeit in der Band, die auf der Bühne in ihren weißen weiten Anzügen im 80er Jahre Stil steht und trotz Dunkelheit in der Kantine mit Sonnenbrille vom herrlichen Azzuro singt.

    Bei der Verleihung des Awards, von links: Bungo Jonas, Eisensepp, Roy Bianco, Die Abbrunzati Boys, Blechkofler, Ralph Rubin.
    Bei der Verleihung des Awards, von links: Bungo Jonas, Eisensepp, Roy Bianco, Die Abbrunzati Boys, Blechkofler, Ralph Rubin. Foto: Florian Kraus

    Zugegeben: Nicht alle der sechs Bandmitglieder schafften es, ihre 80er Jahre Fassade bis zum Schluss durchziehen. Irgendwann fehlte wohl doch der Durchblick und die Sonnenbrillen mussten weichen. Machte aber nix, es reichte ohnehin der Satz des Gitarristen, der sich Die Abbrunzati Boys nennt, um die Menge zum grölen zu bringen: „Ragazzi, jetzt spiel ma Giro.“

    Mit haufenweise rosaroter Liedzeilen („Schenk mir noch einmal Dein Herz, du willst es auch In Miami Beach“) schafft es die Band, die Konzertbesucher in ihren Bann zu ziehen. Besondere Effekte und Bühnenspektakel braucht es dazu nicht – die Show sind die Musiker selbst. Zu inszenieren weiß sich die Band ohnehin. Nicht ganz ernst gemeint behauptet sie nämlich nach wie vor, sich ursprünglich 1981 kennengelernt zu haben. Und das, na klar, wo sonst, in Italien am Gardasee. Deshalb sei die Gruppe nun auch eigentlich mitten in ihrem Comeback, nachdem sie sich in den 90ern getrennt hatte.

    Roy Bianco und die Abbrunzati Boys machten bei einem Lidl-Spot mit

    Wovon man allerdings ausgehen kann, ist, dass die Musiker wohl selbst am wenigsten mit ihrem derzeitigen Erfolg gerechnet hat. Passend zu ihrer vermeintlich langjährigen Bandgeschichte hieß ihr erstes Studioalbum „Greatest Hits“. Veröffentlicht wurde es im März 2020, ging wohl auch pandemiebedingt unter. Die Band arbeitete trotzdem weiter an ihrem Erfolg, steigerte ihre Bekanntheit. Sogar der Discounter Lidl engagierte die Musiker für einen Werbespot. Ganz klischeehaft fragen die Musiker darin: Was kostet Amore?

    Nun folgte die Veröffentlichung ihres zweiten Studioalbums „Mille Grazie“ – der erhoffte Erfolg scheint zu kommen. Die Tournee ist mittlerweile nahezu ausverkauft. Gespielt wird bei über 20 Konzerten unter anderem in Wien, München, Dortmund und Bern. Die Live-Konzerte wird die Band nutzen, um bei einer breiteren Masse bekannt zu werden. Das ist auch gut so: Denn um die Italo-Schlager-Pop-Hits verstehen und gut finden zu wollen, muss man die Band live erleben. Vor allem Sänger Roy Bianco entwickelte zumindest in der Kantine auch stimmlich sein volles Potenzial. Ein musikalischer Blumenstrauß, den die Band ihrem Publikum da in der Kantine lieferte und der sein Gran Finale sowohl im Kitsch als auch beim Konzert im Stück „Sprizz“ fand. Ein Liebeslied an ein Getränk, „so bitter, so süß“.

    Man muss sich trauen einzusteigen, in das Auto voller schmalziger Zeilen, um die auf der Brennerautobahn, bei „Bella Napoli“ oder am Ponte Rialto ausgepackten Feinripp Unterhemden der Band zu verstehen. Dann macht es Spaß, einen sorgenfreien Abend auf Italienisch zu schunkeln. Die Erinnerung ans Konzert hilft darüber hinweg, dass das Album „Mille Grazie“ in dieser Woche schon nicht mehr in den gelisteten Top 100 der Charts ist.

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