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Konzert: Der sanfte Schmerz von Bachs Johannespassion, packend erzählt

Konzert

Der sanfte Schmerz von Bachs Johannespassion, packend erzählt

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    Mitreißende Chorpassagen und Arien voller Andacht: Die Augsburger Domsingknaben mit Bachs Johannespassion in der evangelischen Heilig-Kreuz-Kirche.
    Mitreißende Chorpassagen und Arien voller Andacht: Die Augsburger Domsingknaben mit Bachs Johannespassion in der evangelischen Heilig-Kreuz-Kirche. Foto: Valentin Wohlfarth

    Einfach grandios, was das Publikum am Sonntag in der evangelischen Heilig-Kreuz-Kirche erleben durfte. Augsburgs Domkapellmeister Stefan Steinemann führte seine Domsingknaben durch eine Johannespassion, in der das lebendige Nacherleben des biblischen Textes im Vordergrund stand. Mit dem Barock-Ensemble La Banda auf historischen Instrumenten kostete er zudem musikalisch alles aus, was sich Johann Sebastian Bach hatte einfallen lassen, von frommen Chorälen über lyrisch-seelenvolle Arien bis hin zu kurzen scharfen Turba-Einschüben seines perfekt vorbereiteten Chores. Eine glanzvolle Präsentation dieser Bachschen Bekenntnismusik.

    Die ausgezeichneten Solisten, vor allem Tenor Rodrigo Carreto als Evangelist, sorgten für eine packende Darstellung, aber auch die Solisten aus den Reihen der Domsingknaben und ihrem Kammerchor sangen die trauervollen Arien in wehmütiger Andacht. Eine bewundernswerte Leistung der immerhin oft noch ganz jungen Sänger. 

    La Banda schuf ein reizvoll-farbiges Klangbild

    Optisch wie akustisch fiel das bestimmt drei Meter hohe Kontrafagott auf, dessen sanftes Schnarren nicht nur als Nebengeräusch zu erleben war. La Banda, ein Orchester, in dem sich Alte-Musik-Spezialisten zusammenfinden, dürfte mit seinen historischen Instrumenten nah am Originalklang der Barockzeit liegen. In Heilig Kreuz schuf La Banda ein reizvoll-farbiges Klangbild

    Schon im bewegten Eingangschor setzte Steinemann klar auf Präzision in gemäßigtem Tempo, womit die Anrufung "Herr!" einen eher klagend-anrufenden als hymnisch-preisenden Charakter erhielt. Klar im strahlenden Klang blieb hier der große Chor selbst bei den komplex ineinander verschlungenen an- und abschwellenden Stimmen. Die sanft flehenden Spitzen des hellen Soprans lagen hier auf einem dichten, wogenden Klangteppich mit seiner Kreuzsymbolik. 

    Die hohe Stimmqualität der Domsingknaben

    Dank geschickt gesetzter Tempi und dynamischer Wechsel konnte der Domkapellmeister den Schwerpunkt auf das Wort legen, das bei Johannes im Mittelpunkt steht und von Luther so genial übersetzt wurde. So entstand eine anschauliche Erzählung der Passion, angereichert mit kontemplativen Chorälen und von theatraler Wucht bei den peitschenden Turba-Chören. Hier war der große vierstimmige Chor mit Verve dabei: Nicht nur die eingeworfenen "Nicht!"-Rufe kamen mit präzisem Einsatz, Steinemann ließ den Chor auch ein überakzentuiertes, Verachtung signalisierendes "K" singen bei "Wir haben keinen König".

    Auch die rhythmischen Chöre, zum Beispiel der furiose "Kreuzige"-Ausbruch oder "Weg, weg mit dem", zeigten bravourös die hohe Qualität der Domsingknaben, die bis zuletzt mit höchster Kraft und Konzentration dabei waren. Bach hatte zwar vor fast 300 Jahren seine Passion für Knabenstimmen geschrieben, doch man findet heutzutage kaum noch Knabenchöre, die in dieser Präzision geschult sind und so sicher auch chromatische Feinheiten bewältigen können.

    Der Trost, dass es nicht zu Ende ist

    Neben dem klugen Rodrigo Carreto, dessen kontemplative Arie "Erwäge, wie sein blutgefärbter Rücken" berührend seelenvoll wirkte, sang Andreas Wolf die Christus-Rezitative und Bass-Arien mit kraftvollem Ausdruck. Von all den ausgezeichneten namenlosen Solisten aus dem Chor muss noch der junge Sänger der Alt-Arie "Es ist vollbracht" für seinen genauen und innigen Ton im Zusammenspiel mit der Gambe herausgehoben werden. Sicher in den Koloraturen, textverständlich und musikalisch sehr reif – was für ein Glücksfall für die Augsburger, aber auch Beleg für die gute musikalische Arbeit, die bei den "DoSis" von klein auf geleistet wird. 

    Bis zum letzten Ton hielt der Domkapellmeister die Spannung bei den Ensembles und fiel nicht einfach nur in Trauer ab. Nach dem wunderbar verschlungenen Grabgesang "Ruht wohl" gab das abschließende "Ach Herr, lass dein lieb Engelein" mit seiner Dur-Aufhellung doch auch Trost im Wissen, dass das nicht das Ende ist. Begeisterte Reaktionen im Publikum. Stefan Steinemann war hier eine historisch genaue, fein differenzierte Interpretation dieser dramatisch erzählten Passion zu verdanken, die er bei aller historischen Treue packend auszugestalten verstand. 

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