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Konzert: Auf den Spuren des "Mythos Beethoven"

Konzert

Auf den Spuren des "Mythos Beethoven"

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    "Mythos Beethoven" in Evangelisch St. Ulrich mit dem Mozartchor Augsburg, der Schwäbischen Chorgemeinschaft und der Beethoven Orchestervereinigung unter der Leitung von Daniel Böhm.
    "Mythos Beethoven" in Evangelisch St. Ulrich mit dem Mozartchor Augsburg, der Schwäbischen Chorgemeinschaft und der Beethoven Orchestervereinigung unter der Leitung von Daniel Böhm. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Auch Daniel Böhms Projekt „Mythos Beethoven“ war ein Opfer von Corona. Diese „Musikalische Biografie“ sollte zum 250. Geburtstag zur Aufführung kommen. Doch der Dirigent und Sänger blieb dran an seinem ambitionierten Vorhaben – zu Recht, denn Beethoven ist von keinem Pflicht-Datum abhängig. Der Applaus-Sturm des Publikums in St. Ulrich zeugte von der Begeisterung für dieses ungewöhnliche Beethoven-Tableau. Die Mischung aus Raritäten und berühmten Klängen, im Kontext zu Musik unter anderem aus heutiger Zeit sowie die Einbindung von Rezitation treffender Texte kreisten Werk, Persönlichkeit und Wirkung des Genies ein. Das Konzept berührt unterschiedliche Momente in der Biografie Beethovens mit den triumphalen Phasen eines unbeirrbaren Genies, beschreibt aber auch düstere Leidenswege.

    Es geht um den Titanen, der die rauen Mächte der geschichtlichen Umwälzungen seiner Zeit wie auch die privaten Katastrophen mit seiner Kunst, seiner Musik bekämpft, um die großen Ideale zu realisieren. Der Titan in ihm ist Prometheus, die rebellische Figur der griechischen Mythologie. Sie richtet sich gegen die Unzulänglichkeit der Götter, bringt den Menschen das erhellende Feuer eigener Erkenntnisse. Schauspieler Richard Aigner verleiht Goethes „Prometheus“-Gedicht ebenso wortgewaltigen Ausdruck wie Zitaten aus Beethovens „Heiligenstädter Testament“, in dem der Komponist von Verzweiflung über seine Taubheit, über die Ärzte, die bohrende Vereinsamung berichtet. 

    Beethovens "Brief an die unsterbliche Liebe" zeugt vom Ringen um Glück

    Und der Rezitator präsentiert aus Beethovens Schriftquellen beeindruckend eine weitere Phase seines privaten Schicksals: Der „Brief an die unsterbliche Liebe“ zeugt vom – vergeblichen – Ringen um ein Glücklichsein mit einer Frau, mit einer Familie; bis heute ist eine reale Adressatin nicht zweifelsfrei auszumachen. Das Ideal ist im Liederzyklus „An die unsterbliche Geliebte“ musikalisch zu hören. Daniel Böhm sang daraus drei Lieder mit feinem Ausdruck. Daran schloss sich zum Thema Liebe Clara Schumanns „Warum willst du and're fragen?“ für Sopran (Mia Jakob), Chor und Klavier an. Die Prometheus-Idee wurde mit der Ouvertüre zum Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“ illustriert, das Fest einer befreiten Welt mit Musik zu „Die Ruinen von Athen“.

    Im abwechslungsreichen Panorama um das Phänomen Beethoven und die ungeheure Vielfalt seines Ausdrucksvermögens, das immer wieder Komponisten inspirierte, gab es das „Kyrie“ seines Zeitgenossen Gottlob Benedikt Bierey zu hören, in dem sich verführerisch samtene Töne um Themen aus der „Mondscheinsonate“ ranken. Heutige Bezüge zu Freiheit und Freiheitsverlust gab es von dem Afghanen Farhad Sidiqi Jooyenda zu hören, der ausdrucksstark seine Ballade „Safar – Flucht“ vortrug. Der Augsburger Theatertenor Roman Poboinyi sang „Gebet für die Ukraine“ seines Landsmann Valentyn Sylvestrov (*1937).

    "Mythos Beethoven" in St. Ulrich: Auftritte aus der "Missa solemnis" und "Fidelio"

    Im Mittelpunkt des zweiten Teils über den Mythos Beethoven standen Auftritte aus der „Missa solemnis“ mit den Sängerstars Mia Jakob, Stephanie Hampl, Roman Poboinyi und dem gewaltigen Bass Avtandil Kaspeli. Sie brachten auch das Finale aus „Fidelio“ hinreißend zu Gehör. Höhepunkt war zuletzt die Fantasie für Klavier, Chor und Orchester, ein Werk, das in seinen Gesten und Entwicklungen fast so etwas wie eine Verdichtung und Vorahnung Beethoven'scher Großwerke darstellt. Pianist Stefan Keller brillierte mit den emphatisch virtuosen wie den lyrischen Phasen, das Orchester realisierte ein geschmeidiges Klangbett und die Chöre überzeugten mit homogener Präsenz.

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