Im großen Saal im Kongress am Park treffen sich Fans und "ihre" Komödiantin Martina Schwarzmann wie alte Bekannte. Es ist ein heimeliges Ereignis, fast schon ein Familientreffen. "Ganz einfach" eben. So der Name ihres Programms, das aus der längst überwundenen Coronazeit stammt. Martina Schwarzmann selbst geht gleich zu Beginn darauf ein, dass sie noch immer damit tourt, keine Zeit hatte, ein neues zu schreiben, der Hof, die Familie und überhaupt, warum auch nicht.
Im Kongress am Park erzählt Schwarzmann von ihrem Familienleben
Der rote Faden zieht sich deutlich sichtbar durch die Show: Martina Schwarzmann erzählt und singt von ihrem Leben, den Irrungen und Wirrungen mit ihren vier Kindern und dem Ehemann auf einem Biohof in der Gegend von Altomünster. Hier beginnt der Abend mit Corona und Lockdown und Homeschooling, wo sie schon mal so eigenmächtig wie unqualifiziert eine "Lehrplananpassung" vornehmen musste, um noch über die Runden zu kommen. Halloween mit Sicherheitsabstand dank des Apfelbrockers, einer langen Stange mit Fangtasche, eine geniale Idee – und weil niemand anderes sich raustraute, konnten ihre Kinder die kompletten Süßigkeiten aller Leute im Dorf abgreifen, während die Mutter Schwarzmann hinter den jeweiligen Hecken kauerte und lauschte, was die Nachbarn so zu lästern haben.
Das Publikum ist amüsiert, die Stimmung gut, das Programm besteht aus zumeist einfachen Geschichten zum Schmunzeln oder Lachen. Doch Schwarzmann schiebt in ihrem Programm, das netto auf zweieinhalb Stunden kommt, immer wieder kleine Bemerkungen ein, die zwar auf den ersten Blick lustig sind, aber dann doch tief treffen und im Nachgang zum Nachdenken anregen. Zum Sportunterricht im Homeschooling zum Beispiel lässt sie ihre vier Kinder auf Bäume klettern: "Drei Viertel meiner Kinder sind weiblich, da ist es wesentlich wichtiger, dass sie bei drei auf dem Baum sind" ist so ein Satz, bei dem man zunächst lacht und dann doch schlucken muss. Weil es die traurige Wahrheit ist, dass auch ihre Töchter wohl eines Tages sexuelle Belästigung durchleben werden müssen.
In Augsburg rechnet Martina Schwarzmann mit dem "Heimat-Scheiß" ab
Später teilt sie beim Thema Dialekt einen kleinen, aber wohlplatzierten Hieb gegen das Gendern aus, dem sie augenscheinlich ablehnend gegenübersteht, und leitet über zur Erwartungshaltung ihr gegenüber als Klischee-Bayerin, die "im Dirndl den ganzen Tag am Berg rumhupft und Schweinshaxn frisst", nur um dann abzurechnen mit dem "Heimat-Scheiß", und zu proklamieren: "Jetzt wird's langsam Zeit, dass es wieder bunt wird, ned nur blau und weiß." Solch kleine, aber klare Aussagen zur aktuellen gesellschaftlichen Stimmung und zur angespannten politischen Großwetterlage sind das Salz in der Suppe dieses Programms. Diese werden ihre Wirkung erst im Nachgang entfalten, wenn man über das Gehörte nachgrübelt oder es weitererzählt.
Ernste Themen wie die Qualität der Nahrungsmittel und die tägliche Wahl des Endkunden mit seinem Geldbeutel, Generationenkonflikte mit einem alkoholgeschwängerten Altherrenstammtisch vor einer Bäckerei, dabei jedoch zugleich Gewahrwerdung des eigenen Alterns, betrunkene Landjugend am Rande der sexuellen Straffälligkeit, die Zügellosigkeit in der noch handylosen Jugend in der Vergangenheit, und immer wieder die eigene – angeblich genetisch veranlagte – Wurschtigkeit zu all diesen Fragen und Konflikten sind beispielhaft für uns alle, und der eigentliche Kern dieses Programms.
Martina Schwarzmann auf Gratwanderung: Macht sie Comedy oder Kabarett?
Man möchte sich dennoch wünschen, dass Martina Schwarzmann politischer wird, mit ihrer umwerfenden Komik diese Konflikte stärker verdeutlicht, dass sie ihre Zuschauer geradezu mit der Nase hineindrückt in all das, was gerade nicht in Ordnung ist, wo wir alle nur allzu gerne wegsehen und uns nicht äußern, doch das wäre nicht mehr ihr Programm, ihre Comedy, das wäre knallhartes politisches Kabarett, ein Stilbruch. Den kann sie schon vollziehen in einem nächsten Programm, und Stoff gäbe es mehr als genug.
Die Frage ist, wie viel das Publikum noch hören möchte von speibenden Kindern, Laub nagenden Schnecken, rotgefärbten Tampons am Apfelbaum und plattgefahrenen Fröschen, und wie viel es vertragen kann zu den wahrlich kritischen Themen dieser Zeit wie sexuelle Gewalt, Umweltzerstörung, Fremdenfeindlichkeit, Vorurteil, Hass und Spaltung, die sie zwar gekonnt anklingen lässt, aber nicht so recht ins gleißende Licht der Bühne zerren will. Sie scheint sich nicht entscheiden zu können, den Sprung von Comedy zu Kabarett zu wagen. Ob sie der Typ dafür ist, kann man vorher nicht wissen. Unterhaltsam ist ihr Programm allemal, und die kleinen Spitzen des Tiefgangs dürften ihr Publikum gefunden haben. Es bleibt also spannend.