i
Foto: Helena Gladen
Foto: Helena Gladen

Klassik der Zukunft – durch die digitale Brille: Das Berliner Stegreif-Orchester spielte beim Klimafestival des Staatstheater Augsburg.

Klima
01.05.2023

Macht der Stoff das Klima? Staatstheater Augsburg gestaltet Klimafestival

Von Veronika Lintner

Modeschauen, Kostümverkauf und Impro-Orchester: Zum zweiten Mal veranstaltet das Staatstheater Augsburg ein Klimafestival – diesmal mit dem Textilmuseum.

"Was für eine Zukunft erwartet mich?", fragt da eine Frau, von irgendwo aus dem Nirgendwo, hinter der Bühne. Und dann spricht es eine Kinderstimme nach: "Was für eine Zu... Zufu ... Kufu ...?" Ein Lacher wandert durchs Publikum, hier in der Brechtbühne im alten Gaswerk. Aber über diese Frage kann man ja nur stolpern: Krieg in Europa. Flucht. Inflation. Und über alledem die Warnung: Klimakrise! Also, was für eine Zukunft erwartet uns? Mit eben dieser Frage hat das Staatstheater Augsburg sein zweites Klimafestival eröffnet. Nach der Premiere 2022 stand diesmal aber vor allem der Stoff im Fokus: drei Tage im Zeichen von Knopf und Nähmaschine, mit Second-Hand-Verkauf, Modeschau und Gewühl im Kostümfundus. Drei Tage rund um die Frage, wie Mode Klima macht.

Das Stegreif-Orchester spielt beim Klimafestival

Zur Eröffnung spielt das "Stegreiforchester" auf der Brechtbühne, ein Kollektiv aus Berlin mit 30 jungen Musikern und Musikerinnen. In ihren Projekten verbinden sie Klassik, Jazz und Rock - mit Aktivismus. "Be Change" heißt ihr Motto, und das bedeutet: sich wandeln für das Klima. Den CO2-Fußabdruck ihrer Auftritte wollen sie klein halten. Kulissen verwenden sie wieder, wie hier die Bauklötze aus Pappkartons, die sich Geiger, Bratschistin und Hornist zuwerfen. Dabei sparen sie sich sogar den Dirigenten. Auf einen Wink des Konzertmeisters beginnt die Choreografie, erst sinfonisch, dann freier und wilder, der E-Bass brummelt und der Posaunist jault ein Jazz-Solo. Wie eine Gesellschaft im Kleinen bewegen sie sich, zu-, gegen- und miteinander.

i
Foto: Veronika Lintner
Foto: Veronika Lintner

Aus Jeans wird eine kleine Pinnwand: Beim Klimafestival des Staatstheaters Augsburg 2023 stand der Stoff im Fokus.

Maria Trump organisiert dieses Fest als Kreativchefin und sagt: "Theater ist ein Ort der Veränderung und der Transformation." Ein großer Anspruch - nur diesmal im kleineren Rahmen. "Wir haben das Konzept diesmal ganz bewusst ein bisschen enger gefasst", erklärt Trump. 2022 diskutierten Gäste aus allen Winkeln der deutschen Theaterszene in Augsburg. Das Programm liest sich diesmal kleiner, regionaler - laut Trump auch dem Klima zuliebe. An der Seite des Staatheaters präsentiert sich das Staatliche Textil- und Industriemuseum (TIM) als Gastgeber.

Das Augsburger Textilmuseum ist Co-Gastgeber des Klimafestivals

Festivaltag zwei spielt sich im TIM ab, zwischen alten und neuen Webstühlen mit gespanntem Faden. Hier hält Museumsdirektor Karl Borromäus Murr eine Vorlesung: Warum Karl Marx den Konsum zum Teufel erklärte, wieso der Durchschnittsbürger um 1900 gut 800 Dinge besaß und heute 10.000, und wie in dieser Zeit von Masse und Übermaß eine Konsumethik zu begründen ist. Mehr als graue Theorie - und dann knallige Farben: In der Ausstellung "Coolness", in der Lederjacken um die Wette duften, dort findet eine Modeschau statt. Schauspieler des Staatstheaters stolzieren auf als Cowboy und Äffchen, um die Textilindustrie zu kritisieren. Mode auf Knopfdruck? Klimafreundlich, billig und ganz ohne Menschenleid? "Es gibt keine Kleidungsroboter!"

i
Foto: Helena Gladen
Foto: Helena Gladen

In der Upcycling-Werkstatt wird aus der alten Jeans etwas Neues.

Vor der Tür der Mitmach-Werkstatt im TIM liegen in Körbchen Jeansreste und auch Infotafeln. Man lese: 80 Milliarden Kleidungsstücke gehen jedes Jahr weltweit über die Verkaufstheken. 7000 Liter Wasser fließen dabei aber allein in die Produktion einer einzigen Jeans. Ressourcen sind nicht das einzige Problem: Mangelnde Arbeitssicherheit, Hungerlöhne, gefährliche Chemikalien. Doch in der Werkstatt im TIM darf sich jeder einmal an die Nähmaschine wagen. Diesen Stand betreut Hazme Oktay von der Intitiative "Augschburger Puppe", sie will zeigen, wie leicht sich zerfetzte Jeans noch in Nützliches verwandeln lassen. Glaubt sie daran, dass unsere Gesellschaft für das Klima umdenken wird? "Ich bin ein optimistischer Mensch."

Lesen Sie dazu auch

So lief das Klimafestival am Augsburger Gaswerk

Am zweiten Tag schlägt im Schatten des Gaswerks der "Marktplatz der Möglichkeiten" seine Zelte auf. Am Tisch der Inititative "Mehr Musik!" können Kinder aus Dosen, Tüten und Röhrchen, die sonst in den Abfall wandern, Instrumente bauen - was im Chor wie eine Kuhherde klingt. Das Nachhaltigkeitsbüro der Stadt lädt daneben zum Selbstcheck ein: Wie steht es um meine eigene Ökobilanz? Meine Werte? Am Stand der Augsburger Philharmoniker wird dagegen verkauft: An der Stange hängt Getragenes, ein Kleid in Rot, ein Glitzerpailletten-Dress in Schwarz, der Erlös geht an den guten Zweck. "Wir sind Teil der Initiative Orchester des Wandelns", erklärt die stellvertretende Konzertmeisterin Agnes Malich.

i
Foto: Helena Gladen
Foto: Helena Gladen

Viel Stoff auf dem "Markt der Möglichkeiten", beim Augsburger Klimafestival 2023.

Und im alten Kühlergebäude, dort spielt das Theater: Umgeben von Bergen und Feldern von Jacken, Pullis, Shirts sitzt der Schauspieler Gerald Fiedler und liest aus Georg Büchners Erzählung "Lenz". Kostüme für eine "Lenz"-Inszenierung haben Münchener Studierende der Akademie der Bildenden Künste entworfen. Upgecycelt, mit Hintersinn: Pilze aus Stoff, Jacken aus Couchleder, ein Büchner in Plastikkluft.

i
Foto: Veronika Lintner
Foto: Veronika Lintner

Klimafestival am Staatstheater Augsburg 2023: Junge Studierende der Münchner Akademie der Bildenden Künste haben Kostüme für eine Inszenierung von Georg Büchners "Lenz" entworfen.

Wie viel CO2 verursacht so ein Festival für das Klima?

Drei Tage am Gaswerk und im TIM - eine Industriekulisse mit Geschichte, für ein Festival zwischen Kunst, Konsum und Kritik. Gut 2500 Besucher spazierten laut dem Staatstheater am Sonntag ins Gaswerk. Seinen eigenen Fußabdruck hatte das Klimafestival "Endlich" schon im vergangenen Jahr messen lassen: "Insgesamt hat 'Endlich' 13,59 Tonnen CO2 verursacht", heißt es im Bericht. Diesmal wird er wohl noch kleiner ausfallen.

Facebook Whatsapp Twitter Mail