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Karen Irmer: Illusionen der Natur in beeindruckenden Fotografien

Augsburg

Die Natur als Bühne für Geheimnis und Illusionen

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    Zu Karen Irmers Serie "Dauerhaft flüchtig" gehört auch die Arbeit "Finstertann". Steht die Welt dort Kopf? Ist alles nur eine Spiegelung?
    Zu Karen Irmers Serie "Dauerhaft flüchtig" gehört auch die Arbeit "Finstertann". Steht die Welt dort Kopf? Ist alles nur eine Spiegelung? Foto: Karen Irmer

    Gemeinhin stellt man sich ein Künstleratelier wie eine Werkstatt vor: mit Farbtuben, mit Flecken an Wänden und Boden, immer ein bisschen unaufgeräumt, weil die Arbeit nie aufhört. Aber ein Atelier kann auch anders aussehen. Mehr wie eine Denkstube, mehr wie eine Mischung aus Ausstellungsfläche und Lager. Beim Besuch im Künstlerhaus Antonspfründe sagt die Augsburger Künstlerin Karen Irmer zu Beginn, dass ihr Rechner zu Hause stehe - und nicht im Atelier. Die Augsburger Foto- und Videokünstlerin will dort nicht mit dem Technischen zu tun haben, will dort nicht Bilder montieren, sie nutzt ihr Atelier in erster Linie, um nachzudenken, abzuwägen, anzuschauen. Und dann auch, um mit anderen Künstlerinnen und Künstlern in Kontakt zu sein. „Da ist die Lage mitten in der Stadt einfach am besten“, sagt sie.

    Gerade hat Irmer ein großes Buch, einen 144 Seiten starken Katalog im Kerber Verlag herausgegeben. „State of Change“ hat sie das Buch betitelt. So heißt auch ihre aktuelle Fotoserie. Aber Irmer versammelt darin die Arbeiten der zurückliegenden zehn Jahre. Die Künstlerin blickt also auch auf ihr Werk. Und „State of Change“ - „Zustand der Veränderung“ - kann auch bedeuten, dass sie übergeordnet über ihr Werk spricht. Es hat sich entwickelt, das zeigt das Buch - und gleichzeitig wird deutlich, was der Kern ist, was Irmers künsterische Suche antreibt.

    Künstlerin Karen Irmer im Atelierhaus Antonspfründe Augsburg

    In ihrem Atelier erzählt sie, wie langsam sie sich dem Leben als Künstlerin angenähert hat. Als Schülerin habe sie noch gar nicht daran gedacht, dass sie das einmal werden könne. Deshalb hat sie auch erst Design an der Hochschule für Gestaltung in Augsburg studiert. Und als sie in diesen Jahren gemerkt hat, dass da noch mehr in ihr schlummern könnte, reifte der Entschluss, ein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München anzuhängen, bei den Professoren Gerd Winner und Sean Scully. Im Anschluss habe sie im Dreiklang von Kunst, von Unterrichten und von Design-Arbeiten gelebt. „Und ich musste mich entscheiden, worauf ich den Fokus lege.“ Sie hat sich in erster Linie für die Kunst entschieden.

    Irmer arbeitet mit der Kamera - und nicht mit dem Zeichenstift oder dem Pinsel. Doch sie sucht in der Fotografie etwas, das auch die Maler umtreibt: Denn ist nicht auch die vermeintliche Wirklichkeit der Fotografie Illusionsarbeit? Ihre schon immer stark reduzierten Arbeiten halten sich nicht an die Regeln der klassischen Fotografie - mit Vorder-, Mittel- und Hintergrund. „Ein weiteres Bild, das die Welt nur in ihrer Schönheit zeigt, muss ich nicht machen“, sagt sie. Irmer interessiert es, Zustandsveränderungen aufs Bild zu bekommen. Fische, die wie Wesen aus dem All wirken, unklare, neblige Landschaften in der Dämmerung, die aber gleichzeitig auch Traumlandschaften oder Filmkulissen sein könnten. Ein Moor, das ins amorphe Nichts übergeht, ein dunkles Gehölz, dicht wie eine Mauer, unergründlich wie ein Labyrinth. Diese Liste könnte fortgesetzt werden.

    Karen Irmer am Meer und auf der Suche nach ihren Licht-Verhältnissen.
    Karen Irmer am Meer und auf der Suche nach ihren Licht-Verhältnissen. Foto: Karen Irmer

    Ihre Motive findet Irmer in der Natur. Sie deshalb Landschaftsfotografin zu nennen, wäre aber nur zur Hälfte richtig. Denn Irmer sucht dort etwas Künstlerisches: Übergänge, Uneindeutigkeit, Rätsel. Deshalb reist sie für ihre künstlerischen Arbeiten gerne in Länder, in denen das Wetter regelmäßig schlecht ist, es Nebel gibt, die Sicht begrenzt ist. Das sind die Naturzustände, die Irmers Kunst ihren Reiz geben. Ihre Arbeiten sind stark zurückgenommen in der Farbigkeit.

    Karen Irmers Arbeiten fordern regelrecht zum Verweilen auf

    Wer ankommt in den Irmer Landschaften, spürt, dass dort etwas nicht stimmt. Die vermeintliche Spiegelung der Wolken entpuppt sich als Täuschung. Man erkennt, dass Irmer zwei Aufnahmen zu einem Bild montiert hat. Die Linie der Montage ist klar zu erkennen. Das vermeintliche Abbild der Natur entpuppt sich als etwas Gemachtes, eine Illusion. Bis der Betrachter das Überprüfen wieder einstellt und das Bild wieder als Ganzes, als Einheit wahrnimmt.

    Irmers Arbeiten fordern zum Verweilen auf. Die jüngste Videoarbeit „Silent Piece“ dauert vier Minuten und 33 Sekunden - die wiederum auf das legendäre Musikstück von John Cage anspielt, das Werk, das aus keinem Ton besteht. Irmer hat eine Felsformation aufgenommen, die sich im Wasser spiegelt. Auf den ersten Blick wirkt das Video wie ein Foto, weil nichts geschieht. Erst allmählich verändert sich etwas, tun sich neue Räume auf, erscheinen Felsen dreidimensional. Doch nie kann man diesen Moment des Übergangs festmachen. Die Wechsel schleichen sich ein, ja man fragt sich, ob man sich die Veränderung nicht doch nur eingebildet hat, ob sich das Auge an die Bildverhältnisse angepasst hat.

    Die Augsburger Künstlerin Karen Irmer.
    Die Augsburger Künstlerin Karen Irmer. Foto: Liesa Aumeier

    Um diese Balance zu finden, die Zeit, in der Irmer diesen Wechsel des Lichts abspielt, nutzt Irmer ihr Atelier. Sie schaut und denkt nach, sie überlegt und schaut. „Und ich kann mich nicht gut entscheiden“, schiebt sie nach. Aber vielleicht macht sie es sich auch einfach nicht leicht beim Entscheiden. Dass der Weg zu guten Ergebnissen führt, das lässt sich in ihrem Buch sehen.

    Gerade arbeitet Irmer auch an einem Kunst-am-Bau-Projekt

    Und wohin entwickelt sich ihre Kunst? Irmer zeigt auf ein paar Glasscheiben, die an einer Stelle an die Wand gelehnt sind. Sie hat einen Kunst-am-Bau-Wettbewerb an der Augsburger Uni-Klinik gewonnen. Und dafür arbeitet sie das erste Mal mit einem neuen Material für ihre Fotografie. Die Arbeit wird einmal fast 20 Meter groß sein, sagt sie. Und Irmer ist fasziniert, wie durch das Glas neue Effekte und eine andere Tiefenwirkung entstehen. Könnte also gut sein, dass da noch mehr am Entstehen ist.

    Gerade allerdings steht sie unter einer gewissen Anspannung, wie sie sagt. Ihre Arbeit „Silent Piece“ wird sie in der Gruppenausstellung „Into the bubble“ präsentieren. Es gibt noch ein paar Unbekannte für sie. „Wie gut ist der Projektor? Ist die Wand wirklich gut gestrichen?“ Die Arbeit wirke nur, wenn sie perfekt präsentiert werde. Am 6. September kann sie aufatmen, dann wird die Schau zum ersten Mal zu sehen sein.

    Karen Irmer: State of Change, Kerber Verlag, 144 Seiten, 38 Euro.

    Die Ausstellung „Into the bubble“ in der Südgalerie des Hauses der Kunst in München präsentiert 21 Positionen zwischen Skulptur, Performance und Malerei. Sie soll eine ästhetische Reflexion des Zeitgeistes sein. Aus Augsburg beteiligt sind Karen Irmer und Felix Weinold. Eröffnet wird die Schau, am Freitag, 6. September, um 18 Uhr. Zu sehen sind die Arbeiten vom 7. bis zum 21. September.

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