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Erwin Pelzig empfiehlt in Gersthofen: Schlucken wir unsere tägliche Kröte

Kabarett

Erwin Pelzig empfiehlt: Schlucken wir unsere tägliche Kröte

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    Wenn der kleine Mann die Welt erklärt: Franz-Markus Barwasser als Erwin Pelzig in der Stadthalle Gersthofen.
    Wenn der kleine Mann die Welt erklärt: Franz-Markus Barwasser als Erwin Pelzig in der Stadthalle Gersthofen. Foto: Andreas Lode

    Krisen, Kriege und unsere politische Führung im Chaos – die Zeiten sind nicht einfach. Da sehnt man sich doch nach einem Aufklärer mit kühlem Kopf, der klug mit dem Finger auf die Wunden unserer erschütterten Welt zeigt und uns mal mit schlauen Fragen, mal mit wissenschaftlichen Fakten den Wahnsinn dieser Zeit erhellt. Kurz: Wir sehnen uns nach Erwin Pelzig, das kleine fränkische Männle mit Hüdle und Handdäschle, das scheinbar naiv, oft auch verschlagen den Finger in die Wunden legt, was uns in unserer Komfortzone auch mal wehtun darf.

    In der ausverkauften Stadthalle Gersthofen bewies Frank-Markus Barwasser in seinem Programm „Der wunde Punkt“, dass Aufklärung auch unterhaltsam sein kann. Gleich zu Beginn ein Rundumschlag durch die aktuellen Krisen, um da die politischen Nachrichten zu streifen: Christian Lindner steht für ihn „sinnbildlich für den Fachkräftemangel in Deutschland“. Und nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte, so erklärt er, wäre das Verkehrsministerium wohl besser ohne Verkehrsminister dran.

    Bei Scheuer ging es doch „bloß um Millionen“

    Nach vier Jahren mit Pandemie, Krieg, Rechtsruck und anhaltender Klimakrise sei die Welt eine andere geworden, aber, so Pelzigs stoisches Fazit, es gebe keinen Grund, nicht weiter mit dem Schlimmsten zu rechnen. Da bleibt er noch gelassen, wenn er sich an die „gute alte Zeit“ erinnert und feststellt, dass er heute sogar Andreas Scheuer vermisst: „Denn da ging es ja nur um Millionen!“ Heute gehe es immer gleich um Milliarden, egal ob bei der Bundeswehr, den Belastungen durch die Pandemie oder die Schäden des Klimawandels für die Landwirtschaft.

    Barwasser nutzt seit gut dreißig Jahren den Kunstgriff, in seiner Bühnenfigur Erwin Pelzig und dessen Blick des „Kleinen Mannes“ die überhitzten Debatten zu analysieren. Mit ihm auf der Bühne sind die beiden Stammtischkollegen Dr. Göbel und Hartmut, die Barwasser in schnellem Typenwechsel mit ganz unterschiedlichem Tonfall und Temperament spricht, sowie sein Nachbar Lutz, der „Verschwörungsschwurbler“, der etwas zu viel durchs Internet surft. Lutz steht für die mit irrwitzigen Gewissheiten auftrumpfenden Schwadronierer, die erstaunlicherweise in den letzten vier Jahren in ihrem Protest zueinander gefunden hätten. Ohne Berührungsängste marschierten da „wieselige Waldorf-Lehrer mit fahläugigen Reichsbürgern, vollvegane Super-Ökos Seite an Seite mit fleischfressenden Audi-Q-7-Fahrern“.

    Pelzigs Erleuchtung dank des Nachbarn Lutz

    Nachbar Lutz ist es auch, der dem überraschten Pelzig erklärt, Putin bekämpfe in der Ukraine nur die Geheimlabore, in der die neuen Viren für die nächste Pandemie gezüchtet würden. Da bleibt nur der Rat: „Ruhig bleiben, nicht aggressiv werden!“ Nicht widersprechen. Denn: „Widerspruch bestärkt die Schwurbler nur in ihrer Erleuchtung, bis der dünne Glühdraht ihrer überhitzten Erkenntnisbirne durchgebrannt ist“.

    Rationale Argumente scheinen sowieso ins Leere zu laufen. Stattdessen empfiehlt der Kabarettist, stoisch täglich eine Kröte zu schlucken, oder auch mal zwei, wenn es ganz schlimm kommt. Denn was die Verschwörungsgläubigen eint, ist ihre dunkle Wut, die aus erlebten Kränkungen gewachsen ist. Aber Pelzig sieht auch, dass gekränkte Seelen die größte Gefahr sind für die Demokratie, um die er sich ernsthafte Sorgen macht. Ob Diktatoren oder – eine Stufe tiefer – US-amerikanische Präsidenten: Die Kränkungen ihrer Kindheit reißen ganze Länder ins Verderben. Bleibt die Erkenntnis, dass man Hitler besser für seinen „gemalten Postkartenschrott“ hätte loben sollen…

    Die Evolution sagt, wie es wirklich ist, findet Erwin pelzig

    Kränkungen hält Barwasser für den „wunden Punkt“ unserer Zeit. Vor allem, solange sich der Mensch – insbesondere „der weiße Mann“ – für die Krone der Schöpfung hält. Grundlos, seitdem nicht nur Darwin, sondern die Entschlüsselung des Genoms ihn längst vom Thron geschubst habe. Die genetische Nähe nicht nur zum Affen, sondern sogar zu einer Banane sei eine Tatsache. Und aller „Rassisten-Quatsch“ falle krachend in sich zusammen angesichts der Erkenntnis, dass selbst die Hälfte der Gene Alexander Gaulands anatolischen Ursprungs sei. „Gekränkte Seelen sind gefährlich“, warnt der Kabarettist und empfiehlt, nicht in den eigenen Kränkungen stecken zu bleiben: „Schaut euch um, was so los ist in der Welt – und dann genießt eure Probleme!“

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