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Kabarett: Der Geisterfahrer und Herr und Frau Braun liefern im neuen Programm

Kabarett

Der Geisterfahrer und Herr und Frau Braun liefern im neuen Programm

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    Der Geisterfahrer Silvano Tuiach (links) und Herr und Frau Braun alias Gabriela Koch und Roland Krabbe präsentieren ihr neues Programm.
    Der Geisterfahrer Silvano Tuiach (links) und Herr und Frau Braun alias Gabriela Koch und Roland Krabbe präsentieren ihr neues Programm. Foto: Michael Hochgemuth

    Über das Jahr 1993 muss man nur folgendes wissen: Erstens hieß der damalige Augsburger OB Dr. Peter Menacher. Zweitens sollte der FCA in seine seit langem erfolgreichste Saison starten und später die Bayernliga gewinnen. Und drittens stand eine gewisse Gabriela Koch mit einem gewissen Roland Krabbe das erste Mal als Kabarettduo „Herr und Frau Braun“ auf der Bühne, um den Fuggerstädtern aufs Maul zu schauen.

    Herr Menacher genießt inzwischen seine wohlverdiente Rente, der FC Augsburg spielt höher, aber steht tiefer und Herr und Frau Braun, ja, die gibt es immer noch. Genau in dieser Form, genau mit diesem Auftrag. Daher ist es wohl mehr als angebracht, von einer „Institution“ zu sprechen. Die meisten Besucher, die zur Premiere des neuen Programms „Nix für unguat“ am Sonntagabend ins Spectrum kamen, würden das wohl so unterschreiben.

    Das Publikum weiß, was es hören möchte

    In den letzten zweieinhalb Jahrzehnten war es als Bewohner dieser Stadt schwer, an den beiden samt ihrem früheren Mentor und heutigem Spielpartner Silvano Tuiach alias „Geisterfahrer“ vorbeizukommen, sei es auf der Bühne oder aus dem Äther des Lokalradios in Person von Herrn Ranzmayr oder den Busfahrern Mampfred und Karre.

    Das Publikum weiß, was es hören möchte, und die drei alten Hasen auf der Bühne wissen abzuliefern: Sie präsentieren eine kabarettistische Version eines Pichelsteiner Eintopfs. Viele Zutaten – Sketche, Stand-up, Lieder, Parodien, veraugsburgerte Märchen und die Zukunftstagesschau – werden zu einem Programm verkocht, dass ein wenig nach buntem Abend im Schullandheim schmeckt, aber alle am Tisch satt und zufrieden macht. Die Reaktion von verhaltenem Lachen zu Beginn bis zu schallendem Gelächter im zweiten Teil des Programms zeigte, dass Koch, Krabbe und Tuiach bei „Nix für unguat“ erst einmal alles richtig gemacht haben.

    Notfalls mit Spenderorganen aus der Holzklasse

    Fürwahr: Die Vorstellung, wie sich ein 107-jähriger Bernd Kränzle aus dem VIP-Bereich des ansonsten von automatisierten Seniorenwaschstraßen dominierten Pflegeheims der nahen Zukunft noch einmal in den Landtagswahlkampf aufmacht, mit dem beruhigenden Wissen, notfalls mit Spenderorganen aus der Holzklasse des Heimes eine weitere Legislaturperiode überstehen zu können, ist wunderbar überdreht und gleichzeitig bedrückend nahe an der Realität.

    Die Mimik von Krabbe ist urkomisch, weil so oft in Tram und Eckkneipe zu beobachten; die Bühnenpräsenz von Gabriela Koch würde wohl auch in einer ausverkauften Olympiahalle funktionieren. Und auch wenn es sich mittlerweile bis weit hinter Kiel herumgesprochen haben dürfte, dass der Augsburger an sich nicht unbedingt derjenige ist, der Unbekannte – seien sie aus Giesing oder Guatemala – sofort mit einem „Wie schön, dass ich dich treffen darf!“ begrüßt, ist es sehr unterhaltsam zu hören, wie Krabbe als Anthropologe die Eigenheiten der Stadtbewohner samt des typischen Dialekts seziert. Er spricht ihnen neben der Unfähigkeit, beim Sprechen den Mund zu öffnen, ein Wesen zu, das seinem bevorzugten Bier gleicht: naturtrüb. Hier funktioniert die Beziehung Kabarettpublikum und Kabarettist vorzüglich: Jeder kann sich damit identifizieren, egal ob hier geboren oder zugezogen – da macht der grantelnde Augsburger keinen Unterschied. So viel Weltoffenheit muss sein.

    Immer wieder entstehen gewisse Mario-Barth-Momente

    Nur, diese Welt verändert sich. Schnell, vielleicht zu schnell. Und da geht es nicht nur um Ligazugehörigkeit oder lokalpolitisches Personal, sondern um das tägliche Leben: Früher waren Frauen Frauen und Männer Männer, früher aßen alle Schweinebraten und früher saßen Kundenberater im Fachgeschäft in der Fußgängerzone und nicht in Mumbai am Telefon. So entstehen bei der Abhandlung von Genderfragen, Fleischverzicht und Klimabewegung vor allem bei Tuiachs Stand-up-Teilen immer wieder gewisse Mario-Barth-Momente, die leider über das typische „Kennste? Kennste?“ hinaus keine Pointe bieten, außer dass man sich in seiner Empörung bestätigt fühlt, dass „sie uns jetzt auch noch das Schnitzel verbieten wollen“.

    Da wäre es spannender gewesen, mehr über die Schneepipeline aus Österreich nach Doha für die Olympischen Winterspiele zu hören oder den eigentlich sehr lustigen Gedanken vertieft zu bekommen, dass Marianne und Michael einmal so etwas wie die deutschen Beatles waren.

    Trotzdem sind die Drei auf der Bühne des Spectrums Institutionen, Anker im wilden Ozean der unsicheren Zeiten. Und es sieht so aus, als ob man hier in Augsburg noch lange auf den Geisterfahrer und Herr und Frau Braun bauen könnte.

    Weitere Termine am 3. November (Spectrum in Augsburg), 17. November im Gemeindezentrum St. Johannes in Königsbrunn, 26. und 31. Dezember im Barbarasaal in Augsburg, am 11. Januar in der Paartalhalle in Kissing.

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