Wenn am Sonntag in Augsburg das Schwäbische Jugendsinfonieorchester im Kongress am Park auf die Bühne tritt, dann werden unter all der musizierenden Jugend auch ein paar Junggebliebene zu finden sein. Denn obwohl das Orchester, seinem Namen gemäß, sich eigentlich nur aus Instrumentalisten im Teenager- oder jungen Erwachsenenalter zusammensetzt, so gibt das anstehende Jubiläum – die 100. Konzertphase des Orchesters – doch hinreichend Grund, einmal eine Ausnahme von der Regel zu machen und mit einigen ehemaligen Mitgliedern, heutzutage mehr oder weniger weit fortgeschritten im Erwachsenenalter, das musikalische Programm zu bestreiten.
Mit dabei sein wird dann auch Martin Pohl mit seinem Cello. Weit über 30 Jahre ist es her, dass er letztmals mitspielte im Schwäbischen Jugendsinfonieorchester, 1987 war das. Auf neun Teilnahmen hatte er es insgesamt gebracht, erstmals war er 1976 mit dabei gewesen bei der Ottobeurer Musikwoche, wie die Auswahl schwäbischer Musiktalente damals noch hieß nach dem Ort der Zusammenkünfte. Pohl, Jahrgang 1960 und in Nördlingen aufgewachsen, hat nicht anders als der überwiegende Teil ehemaliger Orchestermitglieder – mehr als 5000 sollen es mittlerweile sein – die Musik nicht zum Beruf gemacht. Er ist Mathematiker geworden, lehrt als Professor an der Ostbayerischen Technischen Hochschule in Regensburg. Dennoch hat er das Cellospiel nie aufgegeben, ist musikalisch sogar ausgesprochen aktiv als Mitglied eines Klaviertrios wie auch in verschiedenen weiteren Formationen. Dass in dieser Weise das Musizieren für ihn also doch lebensbegleitend geworden ist, das, versichert Pohl, habe nicht wenig zu tun mit den Erfahrungen als einstiger Mitwirkender im Jugendsinfonieorchester.
"Toll, das Stück einmal nicht nur im Radio zu hören"
"Fantastisch", erinnert er sich, war es ihm seinerzeit vorgekommen, als er mit 16 Jahren zum ersten Mal mit dabei sein durfte bei der Arbeitsphase in Ottobeuren. Beethovens 3. Klavierkonzert, das auf dem Programm stand, ist ihm besonders im Gedächtnis geblieben: "Das war toll, das Stück einmal nicht nur im Radio zu hören, sondern selbst dabei mitzuwirken." Das Spiel mit Gleichgesinnten habe sich als ungemein motivierend herausgestellt, seinerzeit, sagt Pohl im Rückblick, habe er eigentlich nicht besonders gut Cello spielen können. Um mithalten zu können, wurde nun fleißig geübt.
Unvergessen auch der damalige künstlerische Leiter, Richard Meier. "Im Orchester haben wir immer darauf gewartet, dass er wegen uns einen Wutanfall bekam und dann sein berühmtes 'Herculaneum!' hervorstieß" – ein Running Gag für Generationen von jungen Orchesterteilnehmern. Auch wenn man, wie Pohl sich erinnert, gerne über Meiers Dirigierkunst lästerte, eindrucksvoll sei es doch gewesen, unter dem im Hauptberuf als Musiklehrer in Augsburg tätigen Meier Werke wie Giuseppe Verdis "Quattro pezzi sacri" (zusammen mit einem von Arthur Groß einstudierten Chor) oder Tschaikowskys 4. Sinfonie aufführen zu können.
Martin Pohl wollte er die Musik nicht zum Beruf machen
Und doch, trotz all dieser bereichernden Erfahrungen bei den Ottobeurer Musikwochen und dann, seit 1985, im umbenannten und nunmehr vom Bezirk getragenen Schwäbischen Jugendsinfonieorchester: Den Wunsch, Orchestermusiker zu werden, hat Pohl nie gehabt. Die nüchterne Einschätzung der eigenen Fähigkeiten sprach dagegen, und Pohl ist froh, dass er die Mathematik zum Beruf gemacht hat. Für "extrem anstrengend" hält er doch die Musikerexistenz.
Dass die jetzige künstlerische Leiterin des Schwäbischen Jugendsinfonieorchesters, Carolin Nordmeyer, für die anstehende 100. Arbeits- und Konzertphase auch auf eine Reihe von ehemaligen Orchestermusikern zurückgreift, hat neben dem besagten Jubiläum vor allem auch mit dem diesmaligen Programm-Höhepunkt zu tun, mit Richard Strauss' "Alpensinfonie", einem Werk von ausgesprochen üppiger Besetzung. Dass gerade Martin Pohl als Mitwirkender gewonnen wurde, hat obendrein auch mit dem Faktum zu tun, dass der Cello spielende Mathematikprofessor die besagte Strauss-Sinfonie unter Nordmeyers Leitung schon einmal einstudiert hat, beim Akademischen Sinfonieorchester München, das Nordmeyer ebenfalls leitet.
Die Ehemaligen des Orchesters treffen sich
Cellist Pohl freut sich aber nicht nur aufs gemeinsame Musizieren an alter Wirkungsstätte, sondern auch auf das ebenfalls am Sonntag stattfindende Ehemaligentreffen in Augsburg. Und hofft, dabei das ein oder andere Gesicht aus jenen Jahren, in denen er Orchesterteilnehmer war, erneut anzutreffen.
Vom heutigen Standard des Schwäbischen Jugendsinfonieorchester hat der Ex-Beteiligte Pohl, der dem Ensemble über die Jahre hinweg immer mal wieder im Konzert begegnet ist, eine hohe Meinung. Gewiss, schon zu seiner Zeit in den späten Siebzigern und in den Achtzigern habe es einige hervorragende Instrumentalisten gegeben, vielfach Jugend-musiziert-Preisträger, vor allem bei den Bläsern. "Insgesamt aber", zeigt sich Martin Pohl überzeugt, "ist das Niveau des Orchesters heute schon ein anderes. Ein deutlich besseres."
Konzert Die Abschlussveranstaltung der 100. Konzertphase des Schwäbischen Jugendsinfonieorchesters findet am Sonntag, 17. September, um 19 Uhr im Kongress am Park statt (Konzerteinführung 18.15 Uhr). Auf dem Programm stehen neben Werken von Giovanni Gabrieli und Antonio Rosetti ("Jagd"-Sinfonie) die "Alpensinfonie" von Richard Strauss. Karten: 0821/3101 3666. Wer Interesse am Ehemaligentreffen hat, wird gebeten, sich per E-Mail bei Lukas Kraus zu melden (lukas.krauss.foerderverein@sjso.de).