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Jüdisches Museum Augsburg: Geschichte mobil erfahren

Museum on the Road

Ausstellung auf der Straße: Das Jüdische Museum ist mit dem Lastenrad unterwegs

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    „Museum on the road“: Das jüdische Museum ist mit dem Museumslastenrad und einer kleinen Ausstellung in der Vitrine unterwegs – im Rahmen des Friedensfestes.
    „Museum on the road“: Das jüdische Museum ist mit dem Museumslastenrad und einer kleinen Ausstellung in der Vitrine unterwegs – im Rahmen des Friedensfestes. Foto: korro, Jüdisches Museum Augsburg Schwaben

    Auf den ersten Blick erkennt man gar nicht, dass hier ein kleines Museum steht – direkt am Straßenrand, bei der Tram-Haltestelle Textilmuseum. Hier parkt nur ein schwarzes, schlichtes Lastenrad, mehr nicht. Doch was das Rad geladen hat, zieht Blicke auf sich: Passanten bleiben stehen, betrachten es und stellen Fragen. Eine Vitrine thront auf der Ladefläche des Rads, darin vier vier Fotografien, wie Exponate hinter Glas in einer Ausstellung. Schwarz-Weiß-Bilder aus lang vergangener Zeit, von zwei Ehepaaren, eines jung und eines alt, beide lächeln sanft in die Kamera. Frank Schillinger ist hier, um den Passanten zu erklären, welche Geschichten hinter den Bildern stecken: „Wir stellen diesmal jüdische Menschen aus Augsburg vor, die sich für die Demokratie und die Gesellschaft engagiert haben.“ Für das Jüdische Museum Augsburg Schwaben ist Schillinger, der Chef des Museumspädagogik-Teams, wieder unterwegs – er hatte die Idee für diese mobilen Ausstellungen auf Rädern.

    Das „Museum on the road“ ist in Augsburg unterwegs

    „Museum on the road“ heißt diese Aktion und im Rahmen des Augsburger Friedensfests zeigt das Museum gleich dreimal seine neue Mini-Ausstellung. „Mit dem Rad sind wir niederschwellig unterwegs, mobil und mitten in der Stadt“, sagt Schillinger. „Wer uns bisher noch nicht kennt, trifft uns jetzt hier.“ Jedes Mal, wenn das Museumsrad für ein paar Stunden an einem Fleck in Augsburg auftaucht, bleiben etwa 25 bis 50 Passanten stehen, erklärt er. Sie stellen Fragen, diskutieren, lernen. „Wir machen hier überwiegend gute Erfahrungen im Gespräch. Selbst wenn man sich in manchen Fragen einmal nicht einig ist.“ Ein Ehepaar, mit E-Bikes und Helmen, war eben noch beim Einkaufen und nimmt sich jetzt die Zeit für einen kurzen Ausstellungsbesuch.

    Sie wollen wissen: Wer sind die Paare auf den Bildern? „Wir wissen von den beiden Familien relativ viel“, sagt Schillinger. Denn die Spuren dieser Menschen führen tief in die Geschichte der Stadt Augsburg. Auf dem Foto von 1938 lächeln Lina und Hugo Steinfeld. Sie ist eine gebürtige Augsburgerin aus der Textil-Dynastie Wimpfheimer, er ein Niedersachse mit Unternehmergeist. Hugo Steinfeld genießt schon früh großes Ansehen in Augsburg. Als einer der ersten Augsburger Juden steigt er in die Kommunalpolitik ein: Gemeindebevollmächtigter von 1909 bis 1917, Stadtrat für die liberale Deutsche Demokratische Partei von 1920 bis 1924. Der Familiensitz der Steinfelds strahlt dieses Selbstbewusstsein aus, in der Bahnhofstraße 18 haben sie 1896 einen Neorenaissance-Bau errichten lassen.

    Auf dem Schwarz-Weiß-Foto sitzt das Paar in Zweisamkeit, an einem schattigen Fleck am Waldrand. „Da waren sie schon nicht mehr so aktiv im Betrieb“, erklärt Schillinger. Die Zeiten wurden damals immer härter, brutaler und schließlich unmenschlich für Juden und Jüdinnen in Deutschland. Die Steinfelds wurden von den Nazis gezwungen, ihre Firma zu verkaufen. „1941 haben sich beide dann das Leben genommen“, erklärt Schillinger. „Diese Generation der Familie konnte nicht mehr flüchten“, sagt Schillinger. „Aber ihre Kinder haben es geschafft.“ An Lebens- und Familiengeschichten wie diese zu erinnern, das ist das Ziel der Ausstellung.

    Die Geschichte von Moritz Einstein und Lydia Seligman

    Auch die Einsteins fallen der Gewalt des Nationalsozialismus zum Opfer: Ein Foto in der Vitrine zeigt die Verlobung von Moritz Einstein und Lydia Seligman im Jahr 1922, sie lehnt vertraut ihren Kopf an seine Seite. Das Paar lebte in der Ulmer Straße in Kriegshaber und unterstützte lange Zeit das Rote Kreuz. Moriz Einstein war Teilhaber der „Gebrüder Einstein“, einer großen schwäbischen Viehhandlung – er engagierte sich aber auch in der Freiwilligen Sanitätskolonne, dafür erhielt er im Goldenen Saal das Ehrendiplom der Stadt. Doch das Paar geriet in die Gewalt des Regimes, 1943 deportierten die Nazis Moritz und Lydia Einstein nach Auschwitz, dann verliert sich ihre Spur.

    An einem Klemmbrett hat Frank Schillinger ein paar Zettel griffbereit – mit Fragen. Es ist ein historisches Quiz für Interessierte, die diese Ausstellung betrachten. Frage eins: „Wann durften sich in Augsburg im 19. Jahrhundert wieder die ersten jüdischen Familien niederlassen?“ Es war das Jahr 1803. „Das sind teilweise Fragen, die man als Passant auch gar nicht spontan beantworten kann. Aber das Wichtige ist: Man kommt so ins Gespräch.“ Diesmal: Über den Beitrag jüdischer Bürger für das das Miteinander in der Stadt Augsburg und auf dem Land rundum. „Das alles ist ein fester Teil der bayerisch-jüdischen Geschichte.“

    Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben ist unterwegs

    Schillinger spricht mit den Passanten und beobachtet die Reaktionen: „Wir sehen, dass es die Leute wichtig finden, dass man uns hier ganz offen Fragen stellen kann. Und dass die Menschen, die wir hier treffen, auch selbst gerne von ihren Erfahrungen erzählen.“ Die E-Bike-Radlerin findet das eine „geniale Idee“, und ihr Mann sagt: „Man muss raus zu den Leuten!“

    Info: Weitere Termine sind im August und September 2024 geplant.

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