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Jüdische Kulturwoche: Ein Konzert verbindet Lebenslinien: Spielzeitauftakt der Bayerischen Kammerphilharmonie

Jüdische Kulturwoche

Ein Konzert verbindet Lebenslinien: Spielzeitauftakt der Bayerischen Kammerphilharmonie

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    Kammerphilharmonie
    Kammerphilharmonie Foto: JMAS/Ilya Kotoff

    Das Kuppeldach der Synagoge wölbt sich so feierlich, so schwarzgolden wie ein Sternenhimmel hoch über den Sitzreihen. In den Bänken liegen schon Programmhefte, Publikum strömt herein. Alles ist bereit für das Festkonzert in der Augsburger Synagoge.

    In diesen Tagen findet die jüdische Kulturwoche 24 statt. Sarah Schwab vom Jüdischen Museum Augsburg Schwaben erklärt, worum es in der Festwoche geht: Glaube, Tradition und Alltag der jüdischen Gemeinschaft „sichtbar und präsent zu machen“. Die Kulturwoche findet rund um Neujahr statt – denn am 3. Oktober beginnt im jüdischen Kalender das Jahr 5785. „Das jüdische Neujahrsfest ist ein eher ruhiges“, sagt Schwab, und so klingen auch im Festkonzert an diesem Abend eher sanfte, feine Töne. Die Bayerische Kammerphilharmonie spielt Werke zweier jüdischer Komponisten. Die Lebenslinien dieser Männer will das Orchester miteinander verknüpfen – während zwischen den beiden Solisten des Abends schon lange eine Verbindung besteht.

    Das Orchester stellt zwei Künstler in den Mittelpunkt, die einst im Zweiten Weltkrieg fast alles verloren hatten. Ihre Musik hat aber bis heute überlebt. Das Orchester lässt dem Bekannteren der beiden den Vortritt: Mieczyslaw Weinbergs „Aria für Streichorchester“, op. 9, eröffnet den Abend. Da fächert das Orchester seine volle Klangblüte auf, breitet sich erst in Geigen-Höhen, dann auch mit Bedacht in Cello-Tiefen aus, in warmer Melancholie, verziert mit Trillern. Weinbergs Musik klingt hier zart, aber nie zerbrechlich, gedämpft, aber nicht dumpf – halb noch klassisch-harmonisch, halb losgelöst von Moll-Dur. Lässt sich aus den Notenzeilen die Stimmung einer Zeit herauslesen? Als deutsche Truppen sein Heimatland Polen überfielen, zögerte Mieczyslaw Weinberg nicht. Der jüdische Komponist floh 1939 über Minsk und Taschkent nach Moskau. Dort ließ ihm wiederum Josef Stalin, der alle Kultur in seine Gewalt nahm, keinen Frieden. Aber Weinberg komponierte, unbeirrt: Die Aria, durch die Hoffnung schimmert, hat er zwischen 1939 und 1944 verfasst.

    Weinbergs Lebenslinie führt im Konzert zu Hans Gál. Der Österreicher überlebte eine Odyssee: Als die Nazis 1933 an die Macht kamen, flieht der jüdische Künstler aus seiner Wahlheimat Berlin nach Wien. Als die Nazis 1938 dann in Österreich einmarschierten, sucht er Schutz in England. Dort landet er, für kurze Zeit, in einem Lager für politische Feinde auf der Isle of Man. Ein tragisches, gestrandetes Leben? Aus Gáls „Concertino für Solovioline und Streichorchester“, op. 52, klingt pure Schönheit. Konzertmeister Gabriel Adorján spielt die Solo-Partie wie ein Erzähler an der Geige: Er entfaltet eine Melodie ohne Punkt und Ende, die nur manchmal galant zu den Orchesterkollegen weiterwandert. In den Kadenzen schnellen seine Finger auf und ab am Griffbrett, vollführen Tonsprünge. Aber über allem weht ein Hauch von Bach, ein Gefühl von Zeit- und Sorglosigkeit.

    Diese Lebensleichtigkeit spricht auch aus Gáls Serenade für Streichorchester, op. 48. Die vier Sätze jonglieren mit bekannten Formen, Gál bedient sich bei alten Tänzen, bei der Tradition der Suite: Das „Amabile con moto“ schmilzt fast romantisch-italienisch über die Saiten, eben „lieblich“ und „bewegt“. Das Scherzino gelingt als Scherzchen, in dem die Energie über prickelnde, schnelle Noten fließt. Die Cavatina klingt ab Takt eins wie eine Opernarie für Orchester und das finale Rondo versöhnlich, nahbar, warmherzig. Ein Werk mit Charme und Dramaturgie. Gál schrieb diese Serenade 1939 im englischen Exil.

    Fast 50 Jahre später, 1987, hat Mieczyslaw Weinberg sein Konzert Nr. 2 für Flöte und Streichorchester komponiert. Es ist das Herzstück des Abends: Gabriel Adorján legt seine Geige beiseite, um zu dirigieren – und einen vertrauten Gast auf der Bühne zu begrüßen: den Flötisten András Adorján. Er ist Gabriel Adorjáns Vater.

    András Adorján spielt seit Jahrzehnten auf den großen Bühnen, an den Musikhochschulen in Köln und München hat er Talente unterrichtet. Weinbergs Konzert zählt nicht zu den klassischen Prunk-, Protz- und Virtuosenstücken für sein Instrument. Der erste Satz, „Allegro“, fordert vielmehr Konzentration auf Klangschönheit. Golden, rund, makellos, so klingt Adorjáns Flöte, im leichten Vogelflug der Melodie über die rauen Klangwellen aus dem Orchester. Im „Largo“ überlässt die Kammerphilharmonie dann großen Klangraum für das Solo. Die Flötenmelodie wandert und grübelt, vertieft in Gedankengängen, die im poetischen Nichts enden. Stimmungsumbruch aber im Finale: Das „Allegretto“ schwingt sich fast wie ein Tanz ein, auf weichen, leisen Sohlen, fantasievoll verspielt, aber in Moll. Und dann hört man dieses Zitat, das Weinberg in sein Konzert eingebaut hat: Johann Sebastian Bachs „Badinerie“. Ein Charakterstück, ein ewiger Ohrwurm, hier nur eine kurz angespielte Pointe. Ein Echo aus der Geschichte.

    Dieses Konzert hat Lebenslinien verknüpft: zwischen zwei Komponisten und zwischen Vater und Sohn auf der Bühne. Einen Anlass gab es auch: András Adorján hat an diesem Abend, unter langem, herzlich ehrlichem Applaus, seinen 80. Geburtstag gefeiert.

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