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Augsburg: Zum Geburtstag gibt es eine Extra-Portion Brecht

Augsburg

Zum Geburtstag gibt es eine Extra-Portion Brecht

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    Karl B. Murr präsentiert ein Geschirrtuch, das zum 125. Geburtstag Bertolt Brechts im Textilmuseum gewebt wird.
    Karl B. Murr präsentiert ein Geschirrtuch, das zum 125. Geburtstag Bertolt Brechts im Textilmuseum gewebt wird. Foto: Michael Hochgemuth

    Das Geburtstagsprogramm für den großen Dichter lebt von der Mischung aus lokalen Events und internationalem Engagement. Die kleine Wohnung im Brechthaus wird jetzt erstmals für eine Künstlerin geöffnet. 

    Bertolt Brecht, Zeitzeuge und Dramatiker von Weltniveau, rang den Verantwortlichen in Augsburg lange nur ein müdes Lächeln ab. Doch die Zeiten sind vorbei. In den letzten 20 Jahren stieg er auch hier vom Schmuddelkind zum Star auf. Er erhielt ein eigenes Festival, drei rote Stelen mit Brecht-Silhouette in der Stadt, ein Museum in seinem Geburtshaus, Brechtrundgänge und eine Forschungsstelle. Zu seinem diesjährigen 125. Geburtstag hat das Netzwerk aus Brechtfans, -forschern, -Schauspielern und Musikern neben dem jährlichen Festival eine Extra-Portion Programm aufgelegt, das über das Jahr von Lesungen, über Schauspiel, Live-Zeichnen, Podcast-Produktion, und öffentliches Weben bis hin zu einem Wrestling-Showkampf reicht.

    "Gablers Taverne" hieß die Lechklause einst zu Bertolt Brechts Zeiten am Vorderen Lech 4. Es war die Stammkneipe von Brecht und seinen Freunden.
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    Brecht war ein Augsburger Kind, doch auch viele andere Autoren hielten sich in der Stadt auf. Eine literarische Tour durch die Stadt.

    Die Russin Anastasie Patlay wird erste "Artist in Residence" im Brechthaus

    Doch seine eigentliche Wirkung entfaltet das Engagement von Regio Augsburg, Kulturreferat und Brechtforschungsstelle in diesem Jahr dort, wo es um mehr als nur um Events oder Erinnerungskultur geht. Das Schaffen und die Glaubwürdigkeit Brechts in seinen menschenzugewandten Stücken und Gedichten wurzeln in seiner eigenen Biografie, in seiner Flucht, seinen Exil-Erfahrungen in den USA, den Beobachtungen und Selbstreflektionen. In diesem Jahr zollt die Stadt dieser politischen Dimension Respekt und vereinbarte mit der Regio Augsburg, im Brechthaus eine Zuflucht für Künstler zu schaffen. Damit gehört die Stadt zum Netzwerk der internationalen Initiative „Artist At Risk“, die zusammen mit dem Goethe-Institut in weltweitem Kontakt steht und seit 2013 Künstlern aus Krisengebieten wie Afghanistan, Syrien, Ägypten, Türkei oder der Ukraine eine vorübergehende Bleibe zu organisieren. 

    In Augsburg, das gab das Kulturreferat gestern bekannt, fiel die Wahl für die erste „Artist in Residence“ auf die Russin Anastasie Patlay. Sie wurde in Tashkent, der Hauptstadt Usbekistans, geboren, lebte und arbeitete zuletzt als Dramatikerin, Kuratorin und Theaterregisseurin in Moskau. Bekannt geworden ist sie durch ihre Tätigkeit am progressiven Teatr.Dok, das zu Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine mit subersiven, Stalinkritischen Aufführungen von sich reden machte. Ihre Produktionen laufen im Sacharow-Zentrum, im Staatlichen Architekturmuseum und im Ausland. 

    Anastasie Patlay leitete verschiedene Festivals, die sich unter anderem mit der Erinnerungskultur russischer Juden in der Sowjetunion beschäftigten. Derzeit lebt sie in Spanien. Am 1. März, so erklärt Kulturamtsleiterin Elke Seidel im Gespräch mit der Augsburger Allgemeinen, werde die russische Künstlerin die kleine Wohnung im zweiten Stock des Brechthauses beziehen. Das Residence-Projekt ist auf zehn Monate begrenzt. 

    Die Brecht-Forschungstelle in Augsburg pflegt den internationalen Austausch

    Auch die Zusammenarbeit der Augsburger Brechtforschungsstelle mit Experten in der Ukraine und Polen sind einem internationalen Solidaritäts- und Austauschgedanken geschuldet. Seit zehn Jahren treibt der Forschungsstellenleiter Jürgen Hillesheim diese Kooperation voran. In diesem Jahr stellt er zusammen mit dem ukrainischen Germanisten Mykola Lipisivitsky dessen neues Buch vor. Der bekannte Brecht-Übersetzer konnte mit privater Hilfe im Sommer aus der Ukraine nach Augsburg gebracht werden und lebt jetzt hier. Aus dem polnischen Brecht-Netzwerk wird Zbigniew Feliszewski von der Universität Kattowitz neue internationale Forschungsergebnisse vorstellen. Ebenfalls international geht es im Oktober zu: Die Stadt wird den Startschuss zum Austausch Kunstschaffender aus Augsburg und dem südindischen Bangalore geben. 

    Bereits jetzt am Sonntag, 15. Januar, steigt Buchhändler Kurt Idrizovic in das Jahresprogramm: Auf den Spuren Brechts lädt er in die Jakobervorstadt. Begleitet wird er von dem Schaupsieler Matthias Klösel und dem Musiker Tom Gratza. Im Sommer organisiert die Idrizovic am Stadtgraben eine Festzone. Denn nicht nur Brecht feiert Geburtstag, auch Karl Albert Gollwitzer, Architekt zahlreicher großbürgerlicher Direktorenvillen und anderer Stadthäuser in Augsburg, sowie Elias Holl (450.

    Das Staatstheater Augsburg beginnt seine „Bier mit Bert“-Festwoche am 4. Februar mit seiner Spieleshow. Zu gewinnen gibt’s eine 20-Euro-Sammlermünze zum 125. Geburtstag. Und am 10. Februar, dem eigentlichen Geburtstag Brechts, launcht das Textil- und Industriemuseum seinen werthaltigen Beitrag: ein Geschirrhandtuch, 100 Prozent Baumwolle, mit den Konterfeis des Dichters. Schick in schwarz-weiß gestaltet kommt es direkt aus der High-Tech Greifer Webmaschine in der Museumweberei, wurde dort von den Näherinnen im Museumsshop gesäumt und konfektioniert. Brecht hätt’s gefallen. 

    Am 20. April wird in Augsburg der Brechtpreis verliehen

    Zum Programm gehört neben der Verleihung des Bert-Brecht-Preises, dessen Preisträger erst noch bekannt gegeben wird, am 20. April auch die Vorstellung der Neuvertonungen von Gedichten, die der Brechtkreis bei der Augsburger Band Misuk in Auftrag gab. 

    Den Song „Was nützt die Güte“ performten Girisha Fernando, Gitarre, und Eva Gold, Gesang bei der Vorstellung des Programms im Brechthaus. „Was nützt die Güte“ schrieb Brecht 1935, nach seiner Fluchtetappe in Dänemark. Von hier aus sucht er Orientierung, verarbeitete erste Exil-Erfahrungen, reiste nach Moskau, dann in die USA, um eine ungewisse Zukunft zu organisieren. Der beeindruckende, von Misuk eher funkig als chansonartig umgesetzte Sound gräbt sich vor allem an diesem Ort, der neuen Künstlerresidenz in der kleinen Wohnung im zweiten Stock des Brechthauses tief in Gehörgänge und Seele ein. Seit dieser Woche ist die Single online zu erwerben. 

    Weitere Informationen und das detaillierte Jubiläumsprogramm findet sich hier.

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