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Foto: Robert Hagstotz
Foto: Robert Hagstotz

Die fünf von John Garner – von links: Carlo Gruber, Stefan Krause, Nick Herrmann, Lisa Seifert und Chris Sauer.

Interview
06.10.2021

Was macht das neue Album von John Garner aus? Sängerin Lisa Seifert im Interview

Von Sebastian Kraus

Lisa Seifert, die Sängerin von John Garner, erklärt, warum an dem neuen Album „Heartbeat“ so viele Musiker und Musikerinnen mitgearbeitet haben und ob die Band politisch tätig ist.

Wenn sie so weitermachen, dann gibt es auf dem nächsten Album von John Garner mindestens ein Sinfonieorchester zu hören. Die Anfänge von Songwriter und Gitarrist Stefan Krause waren noch Solo, das erste Album dann im Trio in Dreistimmigkeit mit Lisa Seifert und Chris Sauer, dann stießen Nick Herrmann am Schlagzeug und Carlo Gruber am Bass dazu und machten mit E-Gitarrist Felix Bönigk aus Akustik-Folkern einen vollverstärkten Live Act. Bönigk hat dazu noch die Fähigkeit, Streicher- und Bläserarrangements zu schreiben, und so wuchs das am Freitag erscheinende Album „Heartbeat“ zu einer 16 Song starken Reise durch die populäre Musik.

Akustische, mehrstimmige Folkweisen schwanken aus dem Pub, die ganz großen Rockrefrains winken von den Stadionbühnen der Riesenfestivals. Und dazwischen gibt es noch viel mehr zu entdecken. „Jede Facette, die John Garner jemals ausgemacht haben, ist auf dem Album vertreten. Die Folkroots und die Salonfähigkeit“, formuliert es Bönigk, der zwar nicht zum Kerntrio gehört, aber als wichtiger Bestandteil des Entstehungsprozesses sowohl einen Blick von innen als auch von außen auf die Platte hat. Sängerin und Akkordeonistin Lisa Seifert erzählt, wie die Band es geschafft hat, in komischen Zeiten genau das zu machen, auf was sie Lust hatten. Befreit von allen Zwängen. Kurz vor dem Gespräch kehrte die Band von einer Reihe von Liveauftritten zurück.

Wie waren die letzten Konzerte?

Lisa Seifert: Gut! Die hohe Schlagzahl war ungewohnt, wir hatten Wochenenden, da haben wir zweimal am gleichen Tag gespielt. Das war viel nach den letzten eineinhalb Jahren, aber sehr schön. Das Konzert in Ölsnitz ist das letzte große vor Menschen dieses Jahr, dann stehen noch ein paar Wohnzimmerkonzerte vom Crowdfunding an, das ist toll, denn die Leute sind noch heiß.

Ihr habt über das Crowdfunding auch die Platte finanziert?

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Seifert: Genau, wir sind alte Crowdfunding-Hasen, das war jetzt die vierte Kampagne, die wir gemacht haben, obwohl wir für das neue Album keine geplant hatten. Dann kam aber Corona in die Quere und uns sind fast 70 Gigs weggebrochen, und die waren natürlich eingeplant. Also mussten wir doch noch die Fans mobilisieren. Welchen Vertrauensvorschuss wir da bekommen! Die kaufen ja die Platte, bevor sie aufgenommen ist; bevor sie wissen, was da eigentlich für Songs drauf sind. Wir haben jetzt die CDs rausgeschickt, es ist schön, wenn man sich dann endlich mit dem fertigen Produkt bedanken kann.

Und jetzt ist das Album „Heartbeat“ da. So heißt auch die Single, die letzten Freitag herauskam – ein ganz schöner Ohrwurm. Zweimal gehört, zwei Tage im Kopf. Wie entstand der Titel?

Seifert: Das ist interessant, da es ja eigentlich eine Songstruktur ist, die fast ohne Chorus auskommt, oder es keine klare Unterscheidung zwischen Strophe und Refrain gibt. Die Platte ist um den Song herum entstanden, das Stück ist für unsere Verhältnisse relativ alt. Stefan kam vor fast drei Jahren mit der Skizze an und uns wurde schnell klar, dass der Song ein Bett braucht. Wir wussten, dass das die Titelsingle des nächsten Albums sein muss, und bauten das Album außen herum. Wenn man alle Songs einzeln hören würde, würde man nicht unbedingt drauf kommen, dass alle auf einer Platte sind, weil wir von den klassischen Folksongs bis hin zu den großen Indierock-Balladen eine ganz schöne Bandbreite abgreifen. Der kleinste gemeinsame Nenner der Songs ist für uns der Herzschlag, die Emotion. Das Herz schlägt schneller, wenn du wütend bist, oder traurig, oder fröhlich. Der Herzschlag ist das Epizentrum des Lebens, der Song das Epizentrum der Platte. Darum fühlt es sich für uns auch so richtig an, weil da nur Songs drauf sind, auf die wir zu 1000 Prozent Bock hatten.

Man hat die von dir entworfene Bandgrafik, die ein halbes Herz und ein halbes Hirn zeigt, vor Augen.

Seifert: Ja, es steht für Fröhlichkeit und Melancholie, wie unsere Musik. Das ist die Mischung, die sie besonders macht. Es gibt immer diesen Kampf zwischen Logik und Gefühl, gehe ich nach meinem Hirn oder meinem Herz? Muss ich mich überhaupt entscheiden oder kann ich nicht beide Hälften zu einem werden lassen. Das ist auch unsere musikalische Gratwanderung.

Viele Songs auf dem Album sind sehr radiotauglich. Wie kam der Schritt von den klassischen Folksongs zu Stadionhymnen?

Seifert: Das waren 1000 kleine Schritte. Wir haben das Folkalbum „Writing Letters“ gemacht, das waren nur wir drei, wovon nur zwei wirklich Instrumente spielen können – und ich eben. Und du möchtest dich als Band immer weiterentwickeln ohne zu verlieren, was dich im Innersten ausmacht. Darum haben wir die Band erweitert, und das noch mehr bei diesem Album: Wenn wir uns dachten, bei diesem Stück wären im C-Teil Streicher schön, dann haben wir Streicher dazugenommen. Bei unserer zweiten Platte haben wir viel darüber nachgedacht, wie wir unseren Sound radiotauglicher machen können. Bei „Heartbeat“ haben wir diesen Gedanken völlig außer Acht gelassen. Das ist so passiert, war aber nicht die Intention.

Wie entstanden die Songs?

Seifert: Der Ideenlieferer ist Stefan, in einer Qualität und Schlagzahl, die einem schon fast unangenehm ist. Wir treffen uns zu dritt und Stefan präsentiert 50 Ideen, die sehr gut ausgearbeitet sind. Ab da wird basisdemokratisch entschieden, welche Songs in die Auswahl genommen werden, und dann setzen wir uns Stück für Stück ran. Ich setze oft die Texte drauf, Chris liefert viele kleine Ideen, Nick macht einen Beat, wenn benötigt, und wir haben mit Felix jemanden, der sich um E-Gitarren und Streicher kümmert. Manche Idee entsteht auch noch nachts um 4 im Studio.

Vor „Heartbeat“ kam die Single „The City lives“. Lebt Augsburg?

Seifert: Ja. Das ist mittlerweile der dritte Song, der für Augsburg geschrieben ist, funktioniert aber auch für andere Leute und ihre Stadt. Wir erzählen ja immer auf unseren Konzerten von Augsburg und wie toll es hier ist. Innerhalb der Szene ist hier in dieser Zeit auch viel zusammengewachsen. Gleich nach Lockdown Nummer eins wurde viel telefoniert, und auch wenn es nicht gleich Lösungen gab, hat es gut getan zu wissen, dass wir mit der Ohnmacht zusammen umgehen. Ohne Konkurrenzgedanken, alle im gleichen Boot mit den Schmelztiegeln Frequenzgartenstudio und Gaswerk. Trotzdem sehnen wir uns nach Normalität, wir wollen endlich das Album auf der Bühne vorstellen und die Jungs von Fiddler’s Green wollen uns nächstes Jahr für ca. 20 Konzerte mit auf Tour nehmen.

Nicht zuletzt wegen der schönen Bläser ist „Save the World“ ein besonderer Song auf dem Album. Wie retten wir denn nun die Welt?

Seifert: Wir sind politische Menschen, aber keine politische Band. „Heartbeat“ ist dem jungen Herzschlag gewidmet. In der Ansage zu „Save the World“ versuche ich den Menschen im Publikum zu erklären, dass es wichtig ist, den Planeten so zu behandeln, dass für die Kinder später noch was übrig ist. Vielleicht ist das kein politisches Thema, sondern ein Menschheitsthema. Man rettet die Welt, wenn man daran denkt, dass es nicht seine eigene ist.

Vor einem Jahr waren John Garner im Podcast "Augsburg, meine Stadt" zu Gast. Hier können Sie die Folge anhören.

John Garner machen Musik fürs "Hirz" - für Herz und Hirn.

Augsburg, meine Stadt

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