Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten
Feuilleton regional
Icon Pfeil nach unten

Interview: Klarinettistin Sabine Meyer im Interview: "Mozarts Musik ist wie ein Kraftwerk"

Interview

Klarinettistin Sabine Meyer im Interview: "Mozarts Musik ist wie ein Kraftwerk"

    • |
    Sabine Meyer konzertiert am 16. September gemeinsam mit dem Armida-Quartett beim Festival Mozart@Augsburg.
    Sabine Meyer konzertiert am 16. September gemeinsam mit dem Armida-Quartett beim Festival Mozart@Augsburg. Foto: Scholzshootspeople

    Frau Meyer, Ihr Konzert am 16. September widmen Sie ganz und gar Wolfgang Amadeus Mozart. Er war ja der Komponist, der die Klarinette damals erst so richtig salonfähig gemacht hat, der ihr einen Platz im Orchester gesichert hat. Aber wie ist denn Ihr persönliches Verhältnis zu Mozart? Spüren Sie eine besondere Liebe für sein Werk? 
    SABINE MEYER: Ja! Er kannte die Klarinette unglaublich gut, vielleicht kannte sie keiner besser als er. Sein Klarinettenkonzert ist eines der schönsten und größten Werke, die wir für unser Instrument haben, sein Quintett natürlich auch. Und diese Musik wird mir einfach nie langweilig. Man spielt Mozart oft und immer wieder, und schöpft daraus jedes Mal etwas Neues. Diese Musik ist wie ein Kraftwerk. 

    Gibt es prägende Mozart-Momente in Ihrem Leben, an die Sie sich gerne erinnern?
    SABINE MEYER: Schon vor dem Studium fängt man als Klarinettist an, das Solokonzert von Mozart zu üben, man wächst daran, wächst damit auf, lernt so viel daraus. Seit ich denken kann, setze ich mich mit diesem Werk auseinander.

    Wenn Sie nach Augsburg kommen, haben Sie allerdings die kleinen Mozart-Formate im Gepäck, seine Kammermusik für Klarinette. Sie haben als Solistin mit Hunderten von tollen, großen Orchestern konzertiert. Jetzt treten sie mit dem Armida- Streichquartett auf. Worin liegt für sie der Reiz der
    SABINE MEYER: Die Kammermusik ist das Höchste, was es gibt in der Musik. Man wirft sich die Bälle zu, jeder inspiriert den anderen. Es ist unglaublich spontan, was dabei auf der Bühne geschieht. Und das genieße ich auch mit dem Armida-Quartett. Da ist nichts einfach nur einstudiert, jeder hat die Ohren ganz weit geöffnet und reagiert, so wird es Zauberei, so wird es spannend. Aber das versuche ich eben auch als Solist vor dem Orchester. Ich wehre mich manchmal sogar gegen den Ausdruck "Solist", ich will eigentlich gar kein "Solist" sein. Auch wenn ich Mozarts Klarinettenkonzert spiele, versuche ich im großen Kreis Kammermusik zu schaffen. Ich will mich nicht vorne auf die Bühne stellen und sagen: "Seht mal zu, wie ihr mit mir klarkommt ...". Wie in der Kammermusik versuche ich in Kontakt zu treten mit jedem einzelnen Musiker im Orchester.

    Dieses kammermusikalische Philosophie, haben Sie die auch an Ihre Studenten und Studentinnen vermittelt? Sie waren Professorin an der Musikhochschule Lübeck, war Ihnen diese Idee in der Lehre wichtig?
    SABINE MEYER: Ja, da gibt's ganz kuriose Beispiele. (lacht) Da kommen Studenten an und sagen: "Ich möchte Solist werden!" Diese Hörner muss man sich aber ganz schnell abschlagen, Solist wird man nicht so einfach, dazu gehören viele Aspekte. Außerdem ist es ein furchtbar trauriges Leben, immerzu allein unterwegs, im Hotel, im Flieger, in der Bahn, das ist nun wirklich nicht unbedingt erstrebenswert. Außerdem ist das Repertoire der Klarinette auch nicht dafür gemacht. Wir haben qualitativ unglaublich tolle Werke für die Klarinette, aber die Bandbreite ist überhaupt nicht vergleichbar mit den Solowerken für Geiger oder für Pianisten. Das ganze Leben lang nur mit Konzerten von Mozart, Weber und vielleicht noch Spohr unterwegs zu sein, das ist eigentlich traurig. Aber die Kammermusikwerke, die wir haben, Mozart-Quintett, Brahms-Quintett, Reger-Quintett, das sind eben großartige Werke.

    In Augsburg spielen Sie Mozarts Quintett. Worin liegt die Faszination dieses Werks?
    SABINE MEYER: Als Mozart das Werk schrieb, hat er sich wahrscheinlich jeden Abend mit seinem guten Freund Andreas Stadler getroffen, ihm hat er das Werk gewidmet. Sie haben Bier getrunken, Wein getrunken und über die Komposition geredet. Die Besonderheit ist, dass Mozart hier die Gattung an sich verändert hat. In seinem Quintett ist die Klarinette sehr verwoben mit den Streichern, sie ist in den Streicherklang integriert. Jede Stimme ist wichtig, alles ist sehr dicht und kammermusikalisch geschrieben. Beim Trio im dritten Satz spielt die Klarinette zwar solistisch einen Ländler, aber dann gibt es auch Passagen, wo die Klarinette mal still sein muss. Und im letzten Satz kommt jeder einmal dran, die Geigen, die Klarinette, die Bratsche, ein furioser Schluss. Und das Quintett hat einen der schönsten langsamen Sätze überhaupt.

    Sie suchen offenbar die Vielfalt, auch an den Grenzen Ihres Instruments. Sie haben sich zum Beispiel intensiv mit dem Bassetthorn und der Bassettklarinette befasst. Das sind Varianten der Klarinette, die in tiefe Tonlagen hinabreichen. Fühlen Sie sich da als Forscherin?
    SABINE MEYER: Diese Literatur haben wir mit dem Trio di Clarone, mit meinem Bruder und meinem Mann, wieder zum Leben erweckt. Zur Musik aus Mozarts Zeiten gehörte eben auch das Bassetthorn und natürlich die Bassettklarinette, für die ich (seufzt) schon fast 40 Jahre kämpfe (lacht). Das Mozart-Konzert war für das Instrument geschrieben. Wahrscheinlich dreht sich Mozart immer im Grabe um, wenn heute einer das Werk auf einer normalen Klarinette spielt. Ich habe natürlich nichts dagegen, wenn Studenten oder Orchesterklarinettisten das so spielen, eine Bassettklarinette muss man erst einmal kaufen, sie lernen. Aber es ist eine ganz andere, viel größere Herausforderung, das Werk auf der Bassettklarinette zu spielen. Das trauen sich heute auch immer mehr, und ich bin froh, dass große Dirigenten sagen: Wenn, dann will ich das im Original aufführen. Es gibt mehr als 50 Stellen im Werk, die eigentlich in die Tiefe der Bassettklarinette gehen. Kein Pianist würde doch ein Konzert spielen, wenn auf dem Instrument die unterste Oktave fehlt? Das ist kalter Kaffee.

    Zum Schluss ein Blick voraus auf Ihr Konzert am 16. September: Was verbinden Sie denn mit Augsburg, der Mozart-Vaterstadt?
    SABINE MEYER: Ich freue mich vor allem auf den schönen Saal! Für uns ist es einfach schön, wenn es klingt, wenn die Akustik so toll ist wie im Kleinen Goldenen Saal.

    Zur Person

    Sabine Meyer, 64, zählt zu den gefragtesten Klarinettistinnen weltweit. Herbert von Karajan zählte zu ihren Förderern, als Solistin hat sie mit mehr als 300 Orchestern konzertiert. Mit ihrem Ehemann Reiner Wehle und dem Armida-Quartett spielt sie am 16. September, um 19.30 Uhr im Kleinen Goldenen Saal ein Konzert. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden