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Großveranstaltung: Gold in allen Disziplinen bei der "Langen Kunstnacht"

Großveranstaltung

Gold in allen Disziplinen bei der "Langen Kunstnacht"

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    Freiluftakrobatik vor der Kulisse des erleuchteten Augsburger Rathauses: die Gruppe Eventi verticali bei ihrer Vorführung.
    Freiluftakrobatik vor der Kulisse des erleuchteten Augsburger Rathauses: die Gruppe Eventi verticali bei ihrer Vorführung. Foto: Michael Hochgemuth

    Im Augustanasaal gab es mit dem Ensemble Motango zwar „Ausgerechnet Bananen“ – sonst jedoch galt in dieser pandemiebedingt ins Jahr 2022 verlegten Jubiläums-edition einmal mehr, dass es nichts gab, was es nicht gab. Selbst der Wettergott hatte sich das Geburtstagsmotto „#ganzingold“ zu Herzen genommen und den über 3500 Kunstnacht-Fans die güldene Abendsonne geschenkt, um trockenen Fußes in den Genuss der 200 Programmpunkte zu kommen, die in den 50 Museen, Galerien, Kirchen, Konzertsälen, Innenhöfen, Clubs und Kneipen die Vielfalt der regionalen Kreativszene erstrahlen ließen.

    Und wie eine glänzend aufgelegte Oberbürgermeisterin Eva Weber beim Auftakt im (natürlich!) Goldenen Saal mit dem Konzert der Augsburger Philharmoniker (Leitung Ivan Demidov) betonte, hatte das kostbare Edelmetall die Kreativität der knapp 500 mitwirkenden Künstlerinnen und Künstler zum Überschäumen gebracht: „Und dabei ist hier, anders als im berühmten Spruch, wirklich alles Gold, was glänzt!“

    Gold in den Stimmen, Gold in den Flüssen

    Rossinis schmissige Ouvertüre aus „Die diebische Elster“ eröffnete den Reigen der Opernausschnitte, in der koketten Arie des Blondchens empfahl sich Sopranistin Olena Sloja als souveräne Mozart-Interpretin, während sich Wiard Witholt mit baritonaler Tiefenschärfe den emotionalen Nöten des von Lortzing gekrönten Zarenhauptes annahm. Im ausverkauften Saal und vor begeistertem Publikum endete die orchestrale Reise zu allerlei funkelnden Kostbarkeiten der Oper mit Lehárs „Gold und Silber“-Walzer.

    Im neuen Konzertsaal des Leopold-Mozart-Zentrums war die Komposition "Golden Rivers" von Franz Jochen Helfert zu hören.
    Im neuen Konzertsaal des Leopold-Mozart-Zentrums war die Komposition "Golden Rivers" von Franz Jochen Helfert zu hören. Foto: Michael Hochgemuth

    Ein ein paar Straßen weiter in der Grottenau konnte endlich auch der neue Konzertsaal des Leopold-Mozart-Zentrums begutachtet werden. Und das lohnte sich sehr, denn der Raum, der 150 Personen Platz bietet, besticht mit klarer Architektur, komfortablen Sitzen und einer passablen Akustik. Speziell für die Kunstnacht hatte Franz Jochen Helfert mit 29 Musikstudierenden seine Komposition „Golden Rivers“ einstudiert, in der es allerdings eher experimentell blubberte als strömte – wohl auch, weil die Gier nach den „Goldnuggets“ musikalisch eingefangen werden wollte.

    Der Weg in die Philippine-Welser-Straße war von hier aus nicht weit, wo die Filiale der Meisterwerkstatt und Goldschmiede Werner für lehrreiche Stunden zur offenen „Punz-Werkstatt“ umgewandelt wurde. Ein Muss in dieser Kunstnacht, die in Führungen und Vorträgen die Relevanz Augsburgs als eine seit dem Barock in Europa führende Gold- und Silberschmiedestadt in den Blick rückte. Hier also erfuhr man Wissenswertes zur Symbolpunzierung, die der exakten lokalen Zuordnung dient, und konnte mit ein wenig Glück einen mit zierlichem Fuggerwappen gepunzten Einkaufschip ergattern.

    Tänze aus galanter Zeit im barocken Ambiente

    Wer angesichts der dünnen Luft in den Innenräumen auf das Anstehen verzichten wollte, etwa um sich durch die aktuelle Sonderausstellung „Pax und Pecunia“ im Schaezlerpalais führen zu lassen, konnte im dortigen Garten mit der Friedberger Barocktanzgruppe der Kunst des Contredanse aus dem 17. und 18. Jahrhundert und auch dem englischen Tanzmeister John Playford begegnen – und über die Noblesse staunen, die heitere Longway-Tänze den prunkvoll gewandeten Akteuren abforderten.

    Barocke Kontertänze im Garten des  Schaezlerpalais.
    Barocke Kontertänze im Garten des Schaezlerpalais. Foto: Michael Hochgemuth

    Im zunehmenden Gedränge der in und über die Kunstnacht Schwärmenden kam bald die Sehnsucht nach einer Ruhe-Oase auf – da war man im idyllischen Handwerkerhof an der richtigen Adresse. Das hier etablierte Blechbläserquintett Brasspur kredenzte einen Cocktail aus Charleston, Jazz, „Dreigroschen-Oper“ und mehr – das alles so animierend, dass am Ende fünf junge Frauen tanzend das Areal verließen.

    Die „Alte Schmiede“ am Milchberg ist ein innovatives Renovierungsprojekt von Studierenden der Hochschule aus dem Fachbereich Architektur und Bauwesen – eine Ideen-„Schmiede“ und ein ambitioniertes Experiment zugleich. An diesem Ort fanden sich konstant derart viele Interessierte zur Führung durch das Baudenkmal aus dem 12. Jahrhundert ein, dass Amanda Natterer spontan Überstunden machte. Im Netz findet sich der sehenswerte Beitrag des BR zu dem spannenden Bauprojekt – die Entdeckung dieser Nacht!

    Kontrastprogramm in der Barfüßerkirche

    Allmählich schwanden einem die Kräfte, auch wenn im Rathaus das legendäre „Swing tanzen verboten“-Ensemble unbedingt noch gehört werden wollte. 500 weitere Swingfans hatten das nämlich gedacht, und so wurde es wirklich „hot“ mit „Joseph! Joseph!“ und anderen Mega-Hits dieser irren Ära. Da kam mit „All that glisters is not gold“ in der Barfüßerkirche ein inspirierendes, musikalisch ausgefeiltes Kontrastprogramm als Pre-Finale gerade recht. Organist Markus Guth, der die heikle Orgel virtuos zu registrieren wusste, und die Flötistin Sophia Rieth brillierten mit Werken von Bach, Händel, Jeths und anderen, während die fotografischen SchwarzWeiß-Impressionen Orten urbaner Ödnis nachspürten und das wahre Gold der Augsburger in ihrer Großzügigkeit vermuteten und „Toleranz durch Wurschtigkeit“ postulierten. Da war subtil viel Nachdenkliches an die Altarwand projiziert (Fotografien: Markus Lechner).

    Das traditionell artistische Outdoor-Finale zog die Menge kurz vor Mitternacht auf den Rathausplatz. Im „Cubo“ agierten vier mit Drahtseil(nerven) bewaffnete Artistinnen der italienischen Gruppe Eventi verticali in circa 20 Metern Höhe, eroberten das Innere eines Würfels und umgarnten sich wie Spider-Women. Bei aller Höhenkunst fehlten aber doch Poesie oder echt atemberaubende Spannung, die dafür die Kulisse des in magisches Goldlicht getauchten Rathauses beisteuerte.

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