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Gloria! Filmdebüt entführt ins musikalische Venedig 1800

Augsburg

Spielfilm „Gloria!“ entführt in die Zeit, als das Klavier erfunden wurde 

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    Regisseurin Margherita Vicario präsentiert Gloria beim Lechflimmern.
    Regisseurin Margherita Vicario präsentiert Gloria beim Lechflimmern. Foto: Julian Reischl

    Das Open-Air-Kino Lechflimmern hat mit dem Film „Gloria!“ sein Publikum ins Venedig um 1800 entführt: Die Französische Revolution liegt nicht weit zurück, Napoleons Truppen haben mit ihrem Italienfeldzug eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Verwaiste Mädchen und junge Frauen werden in Scharen in den Ospedali abgeliefert. Diese Waisenhäuser fokussieren sich traditionell auf eine gute Musikausbildung, denn die Vorbestimmung dieser weitgehend rechtlosen jungen Frauen ist es, als Figlie di Coro, als „Chormädchen“, die aber auch Instrumente spielen lernen, in den Gottesdiensten die musikalische Untermalung zu liefern.

    Filmdebut auf dem Lechflimmern: Geschichte dreht sich ein neues Instrument

    Die Geschichte folgt einer stummen, jungen Magd, die am fiktiven Kollegium Sant Ignazio auf der untersten sozialen Stufe steht. Sie putzt, macht die Wäsche und muss ihren Altersgenossinnen Tee besorgen, wenn die Kehle kratzt. Besonders scharf im Blick hat sie der hauseigene Kapellmeister Maestro Padre Perina, der sie schikaniert und auch nicht davor zurückscheut, sie durch Verheiratung loszuwerden.

    Dann bringt der Gouverneur alarmierende Nachrichten: Der neu gewählte Papst Pius VII ließ seinen Besuch ankündigen, es wird ein noch nie gespieltes Konzert erwartet. Dies setzt Padre Perina unter gewaltigen Druck, denn der alternde Priester und Komponist hat eine gewaltige Schreibblockade, die er sich nicht anmerken lassen will. Die Anlieferung eines mysteriösen Musikinstruments, deutlich größer und massiver noch als die etablierten Spinett und Cembalo, setzt den Maestro noch weiter unter Druck. Der Augsburger Instrumentenbauer Johann Stein hat es den Mädchen von Sant Ignazio hinterlassen, doch dies verschweigt der Maestro und lässt es noch in derselben Nacht in einen abgelegenen Lagerkeller des Waisenhauses tragen, auf dass es dort vergessen werde.

    Doch die junge Magd entdeckt es beim Putzen, beginnt zu klimpern, und lernt schnell, sich musikalisch auszudrücken. Niemand kann sie dabei hören. Das Instrument, der Prototyp eines Flügels, erzeugt durch seinen Hammermechanismus völlig neuartige Klänge.

    Schon bald entdecken auch die Chormädchen das Instrument und mit ihm das Talent ihrer Magd. Während der Maestro mit jedem verstreichenden Tag dem Herzinfarkt näherkommt, da ihm einfach keine Partitur aus den Fingern fließen will, ergehen sich seine Schülerinnen in Improvisation und Komposition, synonym zu Ermächtigung und Emanzipation, im tiefen Kartoffelkeller. Sie sind tagsüber unausgeschlafen und schludrig, was die Situation noch zuspitzt. Der Papstbesuch ist nicht mehr weit.

    Regisseurin ist auch selbst Musikerin und Komponistin

    Für Regisseurin Margherita Vicario ist „Gloria!“ zwar das Filmdebut, doch hat die Schauspielerin, Musikerin und Komponistin viel Erfahrung in diesem Feld. Über diese Facette der Geschichte ist wenig erhalten, so konnte Vicario sich große Freiheiten erlauben. Die Schauspieler, allen voran Galatea Bellugi als Magd, tragen den Film gekonnt und unaufdringlich. Die Aufbruchsstimmung im Film erinnert streckenweise an moderne Klassiker wie „Der Club der toten Dichter“, an Coming-of-Age-Filme wie „Stand by Me“ und selbst an seichte Komödien wie „Sister Act“. Das Wichtige, und das gelingt Margherita Vicario mit Bravour, war es, „den vielen vergessenen Komponistinnen, die wie gepresste Blumen zwischen den Seiten der Geschichte verborgen sind, ein Denkmal zu setzen“. Denn die Chormädchen vergingen in der Geschichte über Jahrhunderte genauso sang- und klanglos, wie es auch die allermeisten Kompositionen dieser Zeit taten. Wer während der Vorführung keine feuchten Augen bekommt und nach dem Film nicht den dringenden Wunsch verspürt, Klavier- oder Geigenstunden zu nehmen, der sollte besser kontrollieren, ob er überhaupt noch einen Puls hat.

    Im Fall dieses Events im Plärrerbad, bei dem die Regisseurin Margherita Vicario den Film vorstellte und einige Fragen beantwortete, bis es schließlich dunkel genug war für die Vorführung, ergab sich eine einmalige Situation, die als Geheimtipp weitergegeben werden kann: Zwischendurch wurde die Vorführung angehalten, damit um 21.45 Uhr das freitägliche Plärrer-Feuerwerk abgebrannt werden konnte. Da die Feuerwerker ihre Ladungen ebenfalls aus dem Plärrerbad in den Himmel schießen, hatten die Gäste des Open-Air-Kinos die allerbesten Plätze, nur vielleicht 50 Meter vom Feuerwerk entfernt, und absolut freie Sicht. Die bequemen Plastikstühle brauchten nur um 90 Grad gedreht zu werden, dazu Popcorn und ein kühles Getränk, und fertig war das Genussfeuerwerk, quasi aus der ersten Reihe. Eine schönere Filmpause kann man sich kaum vorstellen.

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