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Wie Fugger und Welser in Augsburg vom Sklavenhandel profitierten
![Die Armreife aus Kupfer, Messing und Bronze, welche die Fugger nach Portugal lieferten, dienten als Zahlungsmittel im Sklavenhandel. Die Armreife aus Kupfer, Messing und Bronze, welche die Fugger nach Portugal lieferten, dienten als Zahlungsmittel im Sklavenhandel.](https://www.augsburger-allgemeine.de/resources/1715674144167-1/ver1-0/img/placeholder/16x9.png)
Die Spuren des transatlantischen Sklavenhandels führen auch nach Augsburg. Die beiden berühmten Kaufmannsfamilien der Fugger und Welser waren darin verstrickt.
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In der Zeit des transatlantischen Sklavenhandels wurden geschätzt mehr als zwölf Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner in die Sklaverei verkauft, über den Atlantik verschifft und zur Arbeit in den europäisch besetzten Gebieten in der Karibik, in Süd- und Nordamerika gezwungen.
Von diesem Handel profitierten auch die beiden Augsburger Kaufmannsfamilien der Fugger und der Welser. Wie es dazu kam, erläutert Dr. Heike Raphael-Hernandez, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Amerikanistik Lehrstuhl der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Sie war zusammen mit Professor Dr. Mark Häberlein von der Universität Bamberg maßgeblich an der Gestaltung der Stele "Kupfer für den Dreieckshandel" im Fugger und Welser Erlebnismuseum in Augsburg beteiligt.
Die Wurzeln des transatlantischen Sklavenhandels gehen auf die sogenannte Entdeckung Amerikas durch Kolumbus am Ende des 15. Jahrhunderts zurück, erklärt Raphael-Hernandez. Entdeckung ist hier in Anführungszeichen zu setzen, da der Doppelkontinent bevölkert war. Allerdings war es eine „Entdeckung“ für die europäischen Staaten, weil es ein weitläufiges Land voller unbekannter Reichtümer war, die es auszuplündern galt.
Versklavte Afrikaner mussten auf Zuckerrohr-Plantagen arbeiten
Die Flotten der Kolonialmächte Portugal, England, Spanien, Frankreich, der Niederlande und Dänemark setzten nach und nach die Segel, um ihren Claim in der "Neuen Welt" abzustecken, erzählt die Wissenschaftlerin. Im 17. Jahrhundert beteiligte sich auch mit dem Kurfürstentum Brandenburg-Preußen ein deutscher Staat an diesem Menschenhandel und etablierte dafür einen Stützpunkt in Übersee auf der Karibik-Insel St. Thomas.
Der transatlantische Sklavenhandel begann zur Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert. Schon damals gab es ein weitverzweigtes Handelsnetz, das sich über Europa und den Mittelmeerraum bis hin nach Nord- und Westafrika erstreckte, erläutert Raphael-Hernandez. Die Portugiesen bauten auf den Kanarischen Inseln Zuckerrohr an und zwangen zunächst die dortige indigene Bevölkerung auf den Plantagen zu arbeiten. Schon bald wurden jedoch afrikanische Menschen für diese Arbeit dorthin gebracht. Da Zucker ein wertvolles Handelsgut war, wurden weitere Anbauflächen in Amerika und der Karibik erschlossen. Die schweren Arbeiten auf den Plantagen mussten versklavte Afrikanerinnen und Afrikaner machen. Die anderen Seemächte, wie etwa Spanien, folgten bald dem portugiesischen Beispiel.
Auf der Überfahrt nach Amerika starben viele verschleppte Menschen
Es entwickelte sich ein Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und den Amerikas. Die Europäer tauschten Waren wie Waffen, Alkohol oder Stoffe, die in ihren Heimatländern produziert worden waren, an der afrikanischen Küste gegen Menschen ein. Diese wurden dann auf Schiffen über den Atlantik gebracht. Auf der langen Überfahrt unter schrecklichen Bedingungen starben viele der verschleppten Afrikanerinnen und Afrikaner, schildert die Amerikanistik-Doktorin. Die Überlebenden wurden anschließend an Plantagenbesitzer und andere Unternehmer verkauft, um die wertvollen Rohstoffe abzubauen. Diese Rohstoffe wurden wiederum nach Europa verschifft. Das wichtigste dieser Exportgüter war Zucker, aber Baumwolle, Kaffee, Tabak, Gold und Silber wurden auch über den Atlantik nach Europa transportiert.
Nicht nur die europäischen Seemächte profitierten von der Versklavung der Menschen Afrikas und der Ausbeutung der "Neuen Welt", sondern auch Unternehmer aus anderen Teilen Europas. Die Händler und Kaufleute aus den deutschsprachigen Ländern traten als Geldgeber der Kolonialmächte auf oder machten sich selbst in die Amerikas auf, um direkt am Handel mit Menschen oder der Ausbeutung des Kontinents zu verdienen. Obwohl es immer wieder Konflikte zwischen den Kolonialmächten gab, arbeiteten sie im Großen und Ganzen im Handel gut zusammen. „Das war im Grunde genommen die erste EU, die wirklich funktioniert hat“, sagt Raphael-Hernandez. In diesem Handelsnetz fanden sich auch die Augsburger Kaufmannsfamilien der Fugger und Welser wieder.
Die Fugger aus Augsburg lieferten Kupfer, das gegen Sklaven getauscht wurde
Der Reichtum der Fugger in dieser Zeit basierte wesentlich auf dem Handel mit Kupfer. Dieses war für die Herstellung verschiedener Güter nötig und spielte im portugiesischen Überseehandel eine zentrale Rolle. Kupfer aus Tirol und der heutigen Slowakei wurde nach Portugal geliefert, um damit Menschen in Afrika zu kaufen, erklärt Raphael-Hernandez. Halboffene Ringe aus Kupfer oder den Kupferlegierungen Messing und Bronze, sogenannte Manillen, dienten neben Textilien als Hauptwährung.
Im Jahr 1548 schlossen die Fugger einen Vertrag mit dem portugiesischen Königshaus. Darin verpflichteten sie sich dazu, in vier Jahren 7500 Zentner Messingringe sowie 24.000 Töpfe, 1800 breitrandige Näpfe, 4500 Barbierbecken und 10.500 Kessel an Portugal zu liefern. Diese Produkte wurden an der afrikanischen Westküste gegen zuvor eingefangene Afrikanerinnen und Afrikaner eingetauscht. Dass der Verwendungszweck dieser Kupfergegenstände für Westafrika war, stand im Vertrag. „Die Fugger in Augsburg wussten also genau, wogegen ihre Waren eingetauscht wurden“, sagt Raphael-Hernandez. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts zogen sich die Fugger aber wieder aus dem Kupferhandel mit Portugal zurück, nicht etwa aus moralischen Bedenken, sondern einfach nur, weil mehr Profit an anderer Stelle lag.
Die Welser profitierten direkt vom Handel mit Menschen
Die zweite bekannte Augsburger Kaufmannsfamilie, die Welser, war nicht nur Geldgeber für das Königreich Spanien. Sie verdiente auch direkt am Sklavenhandel und sie hatte auch eigene Zuckerrohrplantagen auf der Karibikinsel Hispaniola, auf der versklavte Afrikanerinnen und Afrikaner arbeiten mussten. Vom spanischen König Karl I. erhielten die Welser zusätzlich noch das Recht auf eigene Stützpunkte in der spanischen Überseeprovinz auf dem Gebiet des heutigen Venezuelas.
Die Erschließung dieser Kolonie wurde mit dem Verkauf von Lizenzen zur Einfuhr von 4578 Menschen aus Afrika finanziert, erläutert Raphael-Hernandez. Dort beteiligten sich die Welser bis 1554 sowohl an der Ausbeutung der Bodenschätze aus als auch an der Suche nach El Dorado, der legendären Goldenen Stadt. Nachdem einige Vertreter der Familie dort ermordet wurden und die erhofften Gewinne nicht eingetreten waren, beendeten die Welser ihre Geschäfte dort. Wenig später, im Jahr 1556, gingen auch ihre Handelsrechte wegen des Rücktritts von Karl I. verloren.
Kann die Fugger-Statue in der Augsburger Innenstadt stehen bleiben?
Doch warum ist das Thema heute noch relevant? „Wir haben einen vorhandenen Rassismus gegenüber afrikanisch-stämmigen Menschen in unserer Gesellschaft“, erklärt Raphael-Hernandez. Der Ursprung dieses Rassismus finde sich unter anderem in der Geschichte des atlantischen Sklavenhandels und des Kolonialismus. Allerdings werde hierfür oft nur die deutsche Kolonialgeschichte ab der Gründung des deutschen Kaiserreichs betrachtet, und nicht die davor. „Diese ist aber auch Teil unserer Vergangenheit“, sagt Raphael-Hernandez.
Im Zuge der Black-Lives-Matter-Proteste der vergangenen Jahre wurden bereits in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien mehrere Statuen von Menschen, die in Sklaverei und Sklavenhandel verwickelt waren, entfernt. Ob das auch mit der Statue von Hans-Jakob Fugger in der Augsburger Innenstadt passieren solle, muss die Stadt Augsburg entscheiden, meint Raphael-Hernandez. Sollte diese Statue dort bleiben, dürfe dies nicht so unkommentiert stehen bleiben. Es müsste zum Beispiel eine Kommentartafel dazu stehen, die auf diese Verwicklung hinweisen würde, sagt sie. Es könnten auch Künstlerinnen und Künstler gebeten werden, ein Gegenstück zu dieser Statue zu entwerfen, welches dann daneben einen Platz finden würde.
Weitere Informationen zur Verwicklung der Fugger und Welser in den transatlantischen Sklavenhandel und in die Kolonialgeschichte der beiden Handelsfamilien gibt es im Fugger und Welser Erlebnismuseum. Das Museum ist derzeit von Donnerstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet.
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