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Geschichte: Hitlerputsch 1923: Szenen eines deutschen Bürgerkriegs

Geschichte

Hitlerputsch 1923: Szenen eines deutschen Bürgerkriegs

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    SA-Truppen aus dem Umland vor dem Bürgerbräukeller in München während des sogenannten Hitlerputschs im November 1923.
    SA-Truppen aus dem Umland vor dem Bürgerbräukeller in München während des sogenannten Hitlerputschs im November 1923. Foto: dpa (Archivbild)

    Hitlerputsch - das ist so eine historische Chiffre, die uns scheinbar signalisiert: damit ging es los mit dem Nationalsozialismus, ab da hat er funktioniert. Stimmt aber nicht. Es ging nicht erst mit dem Putsch am 8. und 9. November 1923 los, sondern schon viel früher. Und es funktionierte nicht - der Putsch war schnell gescheitert. Hitler musste sich dann eine andere Strategie einfallen lassen, um zur Macht zu gelangen. Das ist ihm bekanntlich gelungen, nicht zuletzt durch Gefolgsleute und Strukturen in Bayern. Die beleuchtete in der Reihe "Augsburger Beiträge zur historisch-politischen Bildung" die Historikerin Edith Raim. Sie rückte dabei, obwohl über den

    Wie in unserer Gegenwart, wo die Menschen durch Pandemie, Kriege in der Ukraine und Nahost sowie Inflation beunruhigt sind, herrschten in den 1920 Jahren (ungleich größere) Sorgen und extrem aufgeregte Stimmung. Die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen und die dramatische Hyperinflation machten aus dem Jahr 1923 DAS Krisenjahr der Weimarer Republik. Auch fünf Jahre nach Kriegsende herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände; in Bayern war man besonders feindselig gegenüber der Berliner Reichsregierung. 

    Hitlers willige Helfer aus Augsburg

    In Augsburg war die NSDAP 1922 gegründet worden; eines ihrer berüchtigten Mitglieder war der Schulhausmeister Karl Ehmann, der 1933 den kommunistischen Stadtrat Leonhard Hausmann ermordete. Neben vielen antisemitischen und nationalistischen Organisationen gab es in

    Alle waren sie in diesen Jahren auf Krawall eingestellt, und speziell 1923 auf einen Putsch. Die bayerische Regierung gab sozusagen den Startschuss, in dem sie am 26. September 1923 den Ausnahmezustand erklärte und einen diktatorischen Kommissar, Gustav von Kahr, ernannte. Die - eindeutig verfassungswidrige - Gelegenheit wollte Hitler nutzen, im Bürgerbräukeller proklamierte er die "nationale Revolution". Doch die breite Zustimmung blieb aus. Zwar stimmte Kahr zunächst Hitlers Plänen zu, doch die Soldaten in den Münchner Kasernen weigerten sich, sich den Putschisten anzuschließen. Kahr widerrief seine Zustimmung, "und schon am Abend des 8. November war eigentlich alles vorbei", so Edith Raim. Das Augsburger SA-Sturmbataillon fuhr zwar in mehreren Lkw von der Roten Tor-Schule ab, wurde aber schon in Mering wieder zurückgepfiffen. Dass es in München trotzdem am 9. November zum Marsch der Putschisten Richtung Odeonsplatz und Feldherrnhalle kam, lag an einem Aufruf von Hitlers Kompagnon General Ludendorff. Doch dort beendete die Landespolizei den Putsch mit Waffengewalt endgültig.

    Im Gefängnis stellte Hitler seine Strategie um

    Der Putsch schadete gleichwohl der nationalistisch-antisemitischen Bewegung nicht: Der Völkische Block (Ersatz für die verbotene NSDAP) kam bei der Landtagswahl 1924 auf 23 Prozent in Augsburg, in München sogar auf 33 Prozent. "Wie in Bayern üblich, finden volksverhetzende Unternehmungen populäre Sympathie", sagte Raim in Anspielung auf die Affäre "um die Brüder Aiwanger und ihr menschenverachtendes Flugblatt". Die Verurteilung der Putschisten durch ein auf dem rechten Auge total blindes bayerisches Volksgericht fiel bekanntlich milde aus. Hitler saß nur ein dreiviertel Jahr im Gefängnis Landsberg ein, und er nutzte diese Zeit, seine Strategie umzustellen - vom Aufwiegeln der Massen auf ein legalistisches Vorgehen, das ihn dann auf dem Weg über Wahlen an die diktatorische Macht brachte. 

    Dies zu bedenken, empfiehlt Edith Raim gerade mit Blick auf die Gegenwart. "Die Parallelen zwischen 1923 und 2023 sind stark." Wie damals sieht sie heute Antisemitismus und Hasstiraden, und auch heute agiert mit der AfD eine "demokratisch gewählte, aber nicht demokratische Partei ". Der Rechtsstaat müsse in dieser Situation alle seine Möglichkeiten ausloten.

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