Herr Tuiach ...
SILVANO TUIACH: ... also erst einmal muss ich kurz erzählen. Ich habe dieses Jahr mein 40-jähriges Jubiläum, 40 Jahre Geisterfahrer. Als ich damals anfing, lagen meine Vorbilder ja gar nicht in der deutschen Kabarettszene. Mein großes Vorbild war Monty Python. Jetzt hatten Sie in der AZ vor Kurzem ein Interview mit John Cleese – in dem es auch um sein aktuelles Programm ging. Das trägt den Titel "Last Time To See Me Before I Die" (lacht). Da habe ich gedacht, so kann ich mein nächstes oder übernächstes auch nennen.
Und Sie sind immer noch Fan von Monty Python?
TUIACH: Aber klar, dieser untergründige, absurde Humor ist großartig. Aber jetzt muss ich noch etwas sagen, wieder ein Artikel in der AZ, der zuletzt erschienen ist und mich sehr geärgert hat. Da ging es ums Kabarett. Ich fasse das mal kurz zusammen. Der Tenor lautet darin: Früher, in den 1960er- und 70er-Jahren, gab es das tolle Kabarett, in der Zeit von Dieter Hildebrandt und Co., später sind diese depperten Comedians gekommen. Also ich fand den Hildebrandt schrecklich. Für mich war der Wandel zur Comedy immer etwas Positives. Davor war das Kabarett immer bloß politisch, es drehte sich um SPD, um CDU, um CSU. Dagegen stellte die Comedy den Alltag der Menschen in den Mittelpunkt und fand dort das Komische und auch Politische. Für mich war 1996 Michael Mittermeiers "Zapped" ein Meilenstein. Das Entscheidende der Comedy war: Die Menschen haben ein Privatleben und dieses Privatleben ist vollkommen komisch.
Wenn Sie auf die Geschichte von Kabarett und Comedy zu sprechen gekommen sind: Es gab doch auch Loriot und seinen Humor.
TUIACH: Vollkommen richtig. Deshalb haben wir in unserem Programm auch eine Loriot-Hommage eingebaut. Loriot war der Einzige in dieser Zeit, der als Urvater der Comedy bezeichnet werden darf ...
Jetzt grätsche ich mal hart rein: Können Sie sich nach so vielen Jahren auf der Bühne noch an Ihr erstes Kabarettprogramm erinnern?
TUIACH: Absolut. Es hieß "PapaMamaZombie".
Und erinnern Sie sich noch an Pointen?
TUIACH: Die AZ hatte damals eine Aktion am Laufen, dass Bürger andern Bürgern der Stadt ihre Wohnung zeigen sollen, also Bürger aus der Hammerschmiede sollen Bürger aus Kriegshaber in die Wohnung einladen. Das war todernst gemeint und für mich natürlich ein gefundenes Fressen. In unserem Programm führten die Bürger stolz ihren Partykeller vor. In der Wohnung hing an jeder Zimmertür ein kleines Emaille-Schild: Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche.
Wie lief das damals ab?
TUIACH: Wir hatten den Musiksaal des Zeughauses gebucht. Aber wir wussten bis zur Aufführung nicht, ob da überhaupt Leute kommen würden. Dann waren wir ausverkauft.
Wie viele Vorstellungen haben Sie gegeben?
TUIACH: Sechs weitere Vorstellungen bis in den Juni 1984 hinein. Und weil das so gut lief, haben wir gleich im Oktober das nächste Programm herausgebracht. Es hieß "Männer sind so entsetzlich". Im Zeughaus traten wir bis 1989 auf. Silvester 1989 wechselten wir in den Stadtwerkesaal, dort haben wir bis 2006 gespielt.
Seit wann gibt es denn Ihre Bühnenfigur Herr Ranzmayr?
TUIACH: Das ist völlig verrückt. 2001 kam der Geschäftsführer von RT1 auf mich zu und wollte Kabarett ins Programm bringen. Ich sollte einfach irgendeinen Augsburger darstellen. Ich habe mir dann den Namen rausgesucht, Ranzmayr, nach einem ehemaligen Nachhilfeschüler von mir. Später habe ich vom Ex-Nachhilfeschüler gehört: Was hast du mir angetan? Er musste sich als Geschäftsführer einer Firma immer als Ranzmayr melden (lacht).
Und wie ging es weiter mit der Figur?
TUIACH: Jemand vom Radio hat einen Jingle dazu gemacht und ihn den Mann aus dem Hochfeld genannt. Ich habe mich gefragt, ob der jetzt spinnt, weil der Ranzmayr doch nicht aus dem Hochfeld, sondern aus Kriegshaber oder aus dem Bärenkeller kommt. Aber ich dachte mir auch, dass das zwei Wochen laufen wird, dann ist es eh vorbei. Jetzt läuft es seit 2002 täglich, ich habe schon über 6500 Folgen gemacht.
Aus dem Radio hat Herr Ranzmayr den Weg in Ihr Kabarett gefunden?
TUIACH: Ganz genau. Die Figur wollte ich auch dort bringen. Und ich bin beim Hochfeld geblieben, weil das im Radio immer so lief. Zu meinen Stammgästen im Kabarett gehörte auch der ehemalige Oberbürgermeister Paul Wengert. Einmal hat er dann in seinen Stadtteilgesprächen gesagt: Das Ranzmayrn überlassen wir den anderen.
Das war der Moment, an dem Ihre Figur ein Augsburger Phänomen geworden ist. Jetzt leben Sie seit 22 Jahren mit diesem Prachtexemplar von einem Augsburger zusammen. Wie stark ist Ihnen Ihre Kunstfigur ans Herz gewachsen?
TUIACH: Für mich ist der Ranzmayr vom Wesen her nur mit Homer Simpson zu vergleichen. Mir ist diese Ähnlichkeit irgendwann später aufgefallen. Diese Figur ist übrigens kein Alter Ego von mir. Der Ranzmayr ist eine ambivalente Figur. Und manchmal, wenn ich etwas Kritisches zum Beispiel zur Augsburger Kulturpolitik sagen möchte, lege ich es dem Ranzmayr in den Mund.
Und wie stehen Sie zu dem, was der Ranzmayr so sagt?
TUIACH: Um Gottes willen. Seine Frau hätte ihn schon längst erschlagen müssen. Der Ranzmayr ist ein Frauenunterdrücker der alten Sorte. Da gibt es gar keinen Zweifel.
Aber manchmal spricht er Ihnen auch aus dem Herzen?
TUIACH: Als es jetzt gerade groß über das rechtsextreme Projekt der Remigration ging, da hat der Ranzmayr dazu gesagt: Wenn sie die Ganzen, die integriert sind, wieder rausschmeißen wollen, da haben wir ja gar keine Fußball-Bundesliga mehr. Coman, Gnabry, Sané, die wären alle weg.
Und haben Sie mitgezählt, wie viele Bühnenprogramme Sie sich erarbeitet haben?
TUIACH: Soloprogramme müssen es 13, 14, 15 gewesen sein. Und dann habe ich bestimmt fünf, sechs, sieben Programme zusammen mit Herr und Frau Braun gespielt. Die großen Zeiten waren zwischen 1998 und 2013. Das waren die goldenen Jahre. Da habe ich 60 Vorstellungen gespielt, ich hatte immer über 20.000 Zuschauer. Diese goldenen Zeiten sind vorbei.
Woran liegt das?
TUIACH: Corona war der Genickbruch. Seitdem ist es für mich schwieriger geworden, mein Publikum von zu Hause wegzulocken. Und dann muss ich natürlich auch feststellen, dass nicht nur ich, sondern auch mein Publikum älter geworden ist.
Und ich nehme mal stark an, dass sich das auch in Ihrem neuen Programm wiederfindet.
TUIACH: In der Anfangsszene vom neuen Programm "Geht's no?!" gebe ich auch Tipps für Senioren, also zum Beispiel fürs Gedächtnis. Und ich erzähle, dass ich früher immer den Spiegel gelesen habe und jetzt die Apotheken Umschau (lacht). Aber das stimmt nicht ganz, ich lese immer noch den Spiegel, seit 1966.
Zur Person
Silvano Tuiach, 74 Jahre alt, feiert in diesem April sein 40-jähriges Bühnenjubiläum als Kabarettist. Gerade ist er mit seinem aktuellen Programm "Geht's no?!" auf Tour. Der nächste Auftritt findet am Samstag, 3. Februar, in der Turnhalle des TSV Haunstetten statt (Landsberger Straße 3), Beginn ist um 19 Uhr. Weitere Termine sind der 18. Februar (Spectrum Club), 16. März (Singoldhalle Bobingen), 23. März (Parktheater), 5. April (Stadthalle Gersthofen) und 1. Juni (Stadthalle Neusäß).