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Friedensfest: Die Copy-and-Paste-Methode: "Tanzanweisungen" beim Friedensfest

Friedensfest

Die Copy-and-Paste-Methode: "Tanzanweisungen" beim Friedensfest

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    Wie eine Aufziehpuppe folgt Tänzer Daniel Conant den "Tanzanweisungen" im gleichnamigen Stück von Moritz Ostruschnjak.
    Wie eine Aufziehpuppe folgt Tänzer Daniel Conant den "Tanzanweisungen" im gleichnamigen Stück von Moritz Ostruschnjak. Foto: Wilfried Hösel, o.h.

    Eine gute halbe Stunde gibt der Mann im gelben T-Shirt und in den roten Boxershorts alles: Er springt und tänzelt, er imaginiert Seilhüpfen und wechselt in klassische Ballettpositionen, marschiert, steppt, schuhplattelt und vieles mehr. Wie eine Aufziehpuppe spult er diesen "Reigen" ab, als hätte er einen Knopf im Ohr, der ihm Anweisungen einflüstert. Ein Konglomerat aus Bewegungen entsteht so, die einem im Einzelnen bekannt vorkommen, in ihrer Überlagerung und Zusammensetzung aber Neues erschaffen. Oder, wie der Choreograf Moritz Ostruschnjak schreibt: "eine absurde Abfolge divergierender Elemente, die sich gegenseitig überzeichnen, ironisieren und konterkarieren und in Kombination spielerisch, doch schonungslos ins Abgründige führen". Im Stück unter anderem hin zu dem Song "Der Mussolini" der Band DAF aus dem Jahr 1981. "Tanz den Mussolini/Tanz den Adolf Hitler/Und jetzt den Jesus Christus/Und tanz den Kommunismus", heißt es da. Klassische Tanzanweisungen, wie sie früher ein Tanzmeister bei Gesellschaftstänzen gegeben hat, aber mit einer Note, die für manchen Zuschauer und manche Zuschauerin auch irritierend, ja verstörend sein kann, weiß Ostruschnjak. 

    "Tanzanweisungen" entstand während des ersten Corona-Lockdowns

    "Tanzanweisungen" ist denn auch der Titel dieses Stücks, das der Münchner Choreograf mit dem Tänzer Daniel Conant kreierte. Auf den Fotos der Uraufführung am 7. Juni 2020 sieht man Conant auf einem Podest, das von Leuchtstoffröhren umgeben ist, im Hintergrund das weite Rund des leeren Zuschauerraums der Bayerischen Staatsoper. Das Stück sei innerhalb von zehn Tagen entstanden in der letzten Zeit des ersten Corona-Lockdowns. "Es ist eine Reaktion auf diese Zeit, in der die Tänzer für sich allein trainieren mussten, in der sie kein Publikum hatten", erzählt Ostruschnjak in einem Telefongespräch. "Alles lief digital, dem wollte ich etwas Physisches entgegensetzen", erklärt er seine Intention.

    Das Stück sollte so fordernd für den Tänzer sein, dass das Publikum die Körperlichkeit spüren konnte. Bei der Uraufführung saßen die Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Bühne, den leeren Opernraum wie ein Fanal vor Augen. Doch "Tanzanweisungen" seien ein Stück, das über die Corona-Pandemie hinaus Gültigkeit habe, sagt Moritz Ostruschnjak. Die Protestkultur, die Verschiebungen in der politischen Landschaft, der Krieg in der Ukraine - auch darüber lasse sich mit dieser Choreografie reflektieren. Ein Spruch wie "It won´t be like this forever", den Ostruschnjak während der Vorstellung auf einem Plakat vor der Bühne vorbeiträgt, bietet einen Anknüpfungspunkt für viele Themen.

    Choreograf Moritz Ostruschnjak: "Kreativität ist meine Art mich zu artikulieren"

    Seit der Uraufführung waren Tänzer und Choreograf quer durch Europa mit ihrem Stück unterwegs, traten in Paris, Stockholm und Prag auf, tourten in Portugal und Kroatien und eröffneten mit "Tanzanweisungen" im vergangenen Jahr das Festival Tanzplattform Deutschland in Berlin. "Jetzt sind wir damit wieder zurück in Bayern", sagt Michael Ostruschnjak und freut sich auf die Vorstellung im Rahmen des Friedensfestes im Kulturhaus Abraxas. Kreativität - das dem diesjährigen Friedensfest übergeordnete Motto - ist für ihn "meine Art mich zu artikulieren". 

    Porträt Moritz Ostruschnjak für die Augsburger Allgemeine.
    Porträt Moritz Ostruschnjak für die Augsburger Allgemeine. Foto: Friedensbüro Augsburg, Pressefoto

    Wobei am Beginn seiner Kreationen immer das Bekannte, schon Dagewesene steht - Bewegungen und Bewegungsmuster, die im Internet, auf TikTok, Instagram oder Youtube zu finden sind. Das können Sequenzen eines Kinotrailers ebenso sein wie ein TikTok-Video, Alltagsbewegungen ebenso wie Tanzsequenzen. Für "Tanzanweisungen" entstand so eine Playlist aus rund 700 Videos, aus denen jeweils etwa drei Sekunden entnommen wurden, die Ostruschnjak zu einer Collage aus Tanz und Rhythmus montiert hat. 

    Der Choreograf setzt dabei auf den Wiedererkennungseffekt, durch die Montage ergäben sich jedoch neue Möglichkeiten der Bedeutung. "Das ist das, was auch im Internet entsteht. Zum Beispiel bei Memes. Jemand nimmt ein Foto von John Travolta, bearbeitet es, setzt einen neuen Text darunter und stellt es mit neuer Musik wieder ins Internet." Copy and paste - kopieren und einfügen - als Methode der Kreativität, die neue Räume für Bedeutung und Assoziation schafft und zugleich unsere digitale Kultur spiegelt, ist charakteristisch für die Arbeitsweise des 41-Jährigen. 

    Moritz Ostruschnjak studierte bei Maurice Béjart in Lausanne

    1982 wurde Moritz Ostruschnjak in Marburg geboren, war Breakdancer und Sprayer in der Münchner Graffiti-Szene, bevor er durch einen Freund zum Tanz kam. Er studierte an der Münchner Iwanson-Schule zeitgenössischen Tanz und ging dann an die Schule des berühmten Choreografen Maurice Béjart nach Lausanne, "um meinen Horizont zu erweitern", wie er sagt. Eine Allround-Ausbildung der Bewegungssprache absolvierte er dort, indische Tänze von einer Lehrerin aus Madras, den japanischen Schwertkampf Kendo, Tango, Martha Grahams Modern Dance und vieles mehr. 

    Einflüsse, die nun in seine Choreografien Eingang finden ebenso wie die Beschäftigung mit den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der Zeit. Er lese unheimlich viel, erzählt er; Nachrichten, Sachbücher, Romane, Essays, die ihn beeinflussen. Aber, so erzählt er auch, ein theoretisches Konzept für seine Arbeiten habe er nie. "Ich denke meine Bewegungen aus dem Machen heraus", erklärt er. Alles andere sei ihm zu rational, nachvollziehbar und langweilig - fern von jeder Kreativität eben.

    "Tanzanweisungen" ist zu sehen am Donnerstag, 3. August, um 19.30 und 21 Uhr im Kulturhaus Abraxas.

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