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Friedberger Musiksommer: Stimmungen in jeder Tonlage: die Galakonzerte des Friedberger Musiksommers

Friedberger Musiksommer

Stimmungen in jeder Tonlage: die Galakonzerte des Friedberger Musiksommers

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    Mezzosopranistin Tehila Nini Goldstein sang beim Galakonzert des Friedberger Musiksommers in der Rothenberg-Halle.
    Mezzosopranistin Tehila Nini Goldstein sang beim Galakonzert des Friedberger Musiksommers in der Rothenberg-Halle. Foto: Siegfried Kerpf

    Voller Überraschungen steckten die Programmideen des 21. Friedberger Musiksommers. Das diesjährige Festival drehte sich auf muntere Weise in alle Richtungen, stilistisch und musikhistorisch. Da machte, traditionell der Auftakt, der Jazz mit eher unkonventionellen Mitteln und Besetzungen schon mal freudig mit. Die Nachtmusik im Schloss bot vor allem dunkle Blumen der Romantik. Und auch in den beiden Schlusskonzerten ließen es die von Festivalleiter Karl-Heinz Steffens ausgewählten Werke mit Kammermusik in unterschiedlichsten Besetzungen nicht an Attraktivität nicht fehlen.

    Die Welt des Barock stand im Zentrum des Galakonzertes am Freitag in St. Jakob. Der Barockteil des Festivals lebte aber nicht von einer vielleicht zu erwartenden kräftigen Blechbläserkraft. Vielmehr kamen eher die sanften Töne zum Zug, aber auch virtuoses Streicherspiel. Antonio Vivaldis Konzert für zwei Violinen und Cello ist ein rasantes Concerto grosso, in dem schon die „Jahreszeiten“ aufblitzen. Es folgte süßes Ständchen-Genre mit Gesang. Die sonor-ausdrucksstarke Sopranistin Tehila Nini Goldstein führte mit einer kleinen Vivaldi-Preziose auf ein wunderbares Stück von Georg Friedrich Händel hin: die Aria „Sweet Bird“ aus „L'Allegro, il Penseroso ed il Moderato“. Lockrufe eines Vogels weiten dieses allegorische Charakterspiel zu einer allerliebsten Szene aus. 

    Das 6. Brandenburgische Konzert von Johann Sebastian Bach ist das eigenwilligste in dieser Serie

    Johann Sebastian Bach war dann der Dritte unter den Barockgrößen. Auch hier ging es nicht um Blechbläserpomp. Das 6. Brandenburgische Konzert ist das eigenwilligste dieser Serie aus Bachs instrumental geprägter Koethener frühen Ära. Er verzichtet auf die Violinen, im Vordergrund stehen zwei Solobratschen (Beatrice Muthelet, Shira Majoni), dazu gesellen sich zwei Viole da Gamba, Bass, Cembalo. Die samtenen tieferen Lagen erzeugen ein eher mysteriöses Laufwerk. In der halligen Akustik der Kirche St. Jakob gingen anfangs die wunderbar verzahnten Linien etwas unter, doch gewannen sie zusehends Plastizität. 

    Teil zwei des Programms in der Kirche wurde dann aber von einem historisch späteren musikalischen „Gast“ bestritten. Mit Ludwig van Beethovens Septett Es-Dur op. 20 sollten vor allem auch die Farben der Holzbläser zur Geltung kommen – die in Friedberg versammelte Musiker-Elite, natürlich mit Weltklasse-Klarinettist Steffens, machte dies plausibel. Beethovens frühes Werk ist beides: Genial gefügte Kunst vereint sich mit höchstem Unterhaltungswert. Die sechs Sätze beginnen auch mit einem Lockruf (!) der Geige, es folgt ein blühender Strauß von Wiener Heurigen- und Tanzanmutung (Menuett), über virtuose Variationen-Kunst bis zum turbulenten Ende. Da darf man dann auch die immer wieder auftretenden meisterlichen Künstler des Festivals nennen: Geiger Guy Braunstein (langjähriger Konzertmeister der Berliner Philharmoniker), Shira Majoni (Viola), Alexander Kovalev (Cello), Uxia Martinez Botana (Kontrabass), Steffens, Andreas Binder (Horn), Eberhard Marschall (Fagott). Das Publikum war zu Recht begeistert.

    Unterhaltsam-anregende Folk-Songs von Luciano Berio beim Friedberger Musiksommer

    Ausflüge in die Moderne sowie Romantik-Räritäten gab es in der Gala am Samstag in der Rothenberg-Halle zu hören. Ein ebenso modernes wie aber auch überaus unterhaltsam-anregendes Stück waren zu Beginn die Folk-Songs für Mezzosopran und sieben Spieler von Luciano Berio (1925-2003). Hier spielt der geniale Avantgardist wie ein musikalisches Chamäleon mit den verschiedensten Zugriffen auf das Material der Volksmusik, von altitalienischen, balladenhaften Wurzeln, bis zu Klängen balkanesischer, vorderasiatischer oder etwa kaukasischer Herkunft. Und zum Einsatz kommen klassische Streicher, Harfe, Flöte, Holzbläser wie auch eine absolut abenteuerliche Schlagwerk-Batterie (Markus Stekeler). Liebeslieder, Heimat, Lebensfreude, auch anarchische Ausbrüche wechseln von fast originalem keuschem Lauten-Klang bis zum kakophonen, doch immer fein transparentem gewebten Kaleidoskop. Sopranistin Tehila Nini Goldstein brachte auch hier alles affektreich zum Ausdruck. Zwei Streicher-Oktett-Sätze von Dmitri Schostakowitsch passten mit ihrer Berserker-Drastik gut dazu.

    Antonin Dvoráks Klavierquartett Es-Dur op. 87 reizte böhmisches Temperament, slawisches Kolorit in allen Facetten aus. Michal Friedlander (Klavier), Yuval Herz (Violine), Beatrice Muthelet (Viola) und Zwi Plesser (Cello) ließen keine Wünsche offen. Und der Abend endete fast „friedlich“, möchte man sagen, mit einer eher konventionellen, aber doch gehaltvollen Rarität: Das Nonett Es-Dur op. 139 von Josef Rheinberger (1839-1901), u. a. Lehrer von Richard Strauss, war ein farbig perfekt austariertes, an Brahms erinnerndes Stück Romantik. Wieder einmal verdienter Beifallsjubel in Friedberg.

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