Selbst bei einem so gut ausgeleuchteten Œuvre wie dem Mozartschen gibt es sie noch, die „entlegenen Stellen“, wie Christoph Hammer sie nennt: Werke, die eben nicht landauf, landab gespielt werden wie die reifen, ikonischen Kompositionen von Wolfgang Amadé. Sondern Stücke wie beispielsweise jene, die noch Gehversuche Jung-Mozarts auf neuem musikalischem Terrain darstellen. Die ersten Klavierkonzerte etwa, die jetzt im finalen Konzert des kleinen Festivals „Mozart und Stein“ im Mittelpunkt standen, erste Schritte des Elfjährigen in einer Gattung, zu der er später Herausragendes beitragen wird.
Die Zeit, in der diese Stücke entstehen, ist das Rokoko, dessen Chiffren des Filigran-Verspielten auch die Architektur des Festsaals im Augsburger Schaezlerpalais bestimmen, eben deshalb gewählt als Austragungsort des zweitägigen, von der Deutschen Mozart-Gesellschaft veranstalteten Festivals. Und doch ist das Rokoko auch ein Zeitalter der Umbrüche, gerade der ästhetischen. In der Musik werden sie unter anderem angestoßen durch Fortschritte im Instrumentenbau, woran der Augsburger Johann Andreas Stein maßgeblich Anteil hat mit seiner Erfindung einer neuen Mechanik für das Hammerklavier. Eine Neuentwicklung, die seine Klaviere begehrt macht in ganz Europa. Eines der wenigen erhaltenen und noch spielbaren Stein-Klaviere befindet sich heute im Besitz der Stadt Augsburg.
Für Steinway-Hörer ist der Stein-Klang ungewöhnlich
Für heutige an Steinway gebildete Ohren ist der über 200 Jahre alte Stein-Klang gewöhnungsbedürftig, noch dazu, wenn das begleitende Orchester aus nur einem halben Dutzend Instrumentalisten besteht. Doch Christoph Hammer, dieser bewundernswert multipel Beschlagene - Konzertprogrammatiker, profunder Solist und kenntnisreicher Kommentator in einem - erklärt noch vor den ersten Klängen historisch-musikalische Zusammenhänge in einer Weise, die Lust macht auf das nun zu Hörende, auf frühen Mozart und auf frühe Klaviere.
Mozarts erste Klavierkonzerte - mit den Köchel-Nummern 37, 39, 41, 107 - entstanden nach dem Pasticcio-Verfahren, es sind Umarbeitungen von Sonaten für die Gattung Konzert, wofür Mozart als Ausgangsmaterial Werke fremder Feder hernahm von Komponisten wie Raupach, Schobert, Honauer oder auch Johann Christian Bach. Wie solch ein Original klang und wie die Bearbeitung durch Mozart, das macht Christoph Hammer an einigen Sätzen deutlich, wenn er sie zuerst auf dem damaligen Tasten-Hauptinstrument, dem Cembalo vorträgt, sodann jedoch auf dem Hammerflügel. Jenseits des historisch gesehen neuen Klavierklangs mit seinem plastischeren Ton und der größeren Dynamik zeigen diese Hörvergleiche auch, wie der junge Mozart vorging beim Arrangieren, wie er frühgenial aus dem Themenextrakt der gegebenen Sonaten gekonnt Orchestereinleitungen und -zwischenspiele seiner Konzertpartituren zu bilden verstand.
Christoph Hammer versteht sich souverän aufs Improvisieren
Christoph Hammer als Solist an Cembalo oder Stein-Hammerflügel (sowie zuletzt noch an einem englischen Stoddard-Fortepiano) ist eminent vertraut mit dem frühen Mozart, mit dem leichtgängigen, heiteren, nicht allzu tief grabenden Gestus dieser Musik. Glänzend, wie er die Kadenz-Improvisationen ebenso virtuos wie bruchlos in das bestehende Satzgefüge einrückt. Die begleitenden Instrumentalisten, gemischt aus der Hofkapelle München und dem Ensemble Altera pars, haben zu Beginn ein wenig mit unausgeglichener Stimmung zu kämpfen, was sich im weiteren Verlauf jedoch legt. Ein ebenso hörvergnügliches wie horizonterweiterndes Konzert, vom gut gefüllten Saal entsprechend mit Applaus bedacht.
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