Filmische Reportagen, Mini-Dokus, Straßeninterviews und Spaziergänge durch die Altstadt der 50er Jahre: Zuschauer, die am Freitag Abend den Weg ins Stadtarchiv finden, erwartet eine bewegende, überraschende und spannende Rückschau auf die jüngere Stadtgeschichte. Im digitalisierten Filmfundus des Bayerischen Rundfunks sichtete das Team die Zeitdokumente über die Lechstadt und schnitt acht Reportagen zu einem insgesamt einstündigen Gesamtfilm zusammen. Herausgekommen ist ein professioneller, kompakter Film zu den Highlights der Lokalgeschichte vergangener Jahrzehnte. Zur Premiere der langen Kinonacht ist auch Popcorn eingeplant.
Ein historisches Dauerthema ist offenbar die immer schon stockende Ost-West-Verbindung für die PKWs der Stadt. VW-Käfer knattern ungeordnet durchs Jakober Tor stadteinwärts, laut rumpelnd über die Pflastersteine der langen Jakober Straße. „Augsburg im Fuggerjahr“, so heißt die Reportage aus dem Jahr 1959. Die Reporter berichten, Erfolge der Verkehrspolitik stellten sich ein, es gebe wieder „Idyllen“ in der Altstadt, durch die das „Wasser der Lecharme murmelt“ und schwärmen ein wenig von der „Weltstadt des Mittelalters“.
Auch die Damen auf dem Laufsteg des Palast Hotels (3M) mit spitzen Schuhen, Wespentaillen und Hochsteckfrisuren haben es ihnen angetan. Wie Volkskundler ihren Forschungsobjekten, so schauen die Reporter „dem Augsburger“ über die Schulter, den Händlern, die auf dem Neuen Markt lebendige Hühner für 2,20 Mark anbieten und mit den Kunden „Fuggern“, also Feilschen. Doch auf die 500-Jahrfeier für den Geburtstag Jakob Fugger des Reichen hätten sie keine Lust, stellen die Journalisten fest. Selbst die Stadtoberen feierten das mit nur wenigen Konzerten im Schaezlerpalais ab, selbst die seien nur schlecht besucht gewesen. Staunend begleiten sie eine Touristin, die beim Smalltalk mit einem Bewohner in der Fuggerei gefilmt wird. Was er denn an Miete zahle, will sie wissen, während sie so an seinem Gärtchen steht, schick im gemusterten Petticoat-Kleid. Zwei Mal im Jahr 1,72 Mark, antwortet der Fuggerei-Bewohner. Der Petticoat schwebt davon.
Auch 1967 macht sich ein BR-Team auf den Weg, nennt seinen Bericht schnöde „Ein Tag in Augsburg“. Plots sind die Frühjahrsmodenschau bei Live-Jazz im Palast Hotel, die Puppenkiste mit Walter Oehmichen sowie - offenbar exotisch für die Münchener – der „Große Apfel“, eine Diskothek, in der zu Rockmusik gequalmt, abgetanzt und geküsst wurde. Der Bericht endet mit Bildern vom Augsburger Bahnhof, aus dem Off dazu der Sprecher: „Wer möchte da noch an den Schnellzug nach München denken.“
Ein besonderes Zeitzeugnis ist die kurze Dokumentation über das Bürgerkomitee „Freier Rathausplatz“ gelten. Gesendet 1962 zeigt es den Streit und den Widerstand eines Bürgerrates gegen die erneute Bebauung des Rathausplatzes. Ein robuste, blockartige Bebauung sollte es werden, sie hätte den Blick auf die Fassade des wieder instand gesetzten Baus von Elias Holl total verstellt. Die Kamera zeigt die ausgehobene, riesige Baugrube, die beinahe den gesamten Platz einnimmt, die Ergebnisse der Volksabstimmung zeigen: 50000 Bürger sind für die neue Leere und den freien Blick aufs Rathaus. Stadträte kommen zu Wort, Oberbürgermeister Klaus Müller (1892-1980) wird gefilmt, wie er etwas betreten neben dem referierenden Vorsitzenden des Komitees steht.
Einen Blick hinter die Kulissen des Hotelturms erlaubt ein Werbefilm des Walter-Bau-Vorgängers Thosti AG aus dem Jahr.
Er dokumentiert im Zeitraffer alle Phasen dieser riesigen Baustelle am Rand der Innenstadt. Der Plan: 38 Geschosse sollte das Kongresshotel Holiday Inn bekommen und innerhalb von neun Monaten fertig sein. Der Plan ging auf. Der Film zeigt Aufnahmen aus Sitzungen zum Konstruktionswettbewerb, die Querschnitte der Blume, auf denen das Hochhaus basiert und die weitgehend ungesicherten Arbeiter, wie sie in Straßenhalbschuhen riesige Fertigbetonteile auf Rollen hin und her schieben und in großer Höhe mit Kränen hantieren. Beim Zuschauen stellt sich Respekt vor den Machern dieses Megaprojekts ein.
Es sind nicht nur die manchmal schnöseligen Münchener Blicke auf den Augsburger, die den Reiz dieser Zeitdokumente ausmachen, sondern natürlich auch die Original-Bilder und Gespräche aus der Mitte des Lebens. Ein Stadtporträt aus der Zeit des Augsburger Aufbruchs und darüber, wie die Stadt langsam wurde, was sie ist.
„Schäfflerbachflimmern“, Stadtarchiv, Zur Kammgarnspinnerei 11. Vorführung um 20 Uhr und 21.30 Uhr. Eintritt ist jederzeit möglich und kostenfrei.
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