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Festival: Ein Brechtfestival im Zeichen der Zukunftslosigkeit

Festival

Ein Brechtfestival im Zeichen der Zukunftslosigkeit

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    Brechtfestivalleiter Julian Warner in der Festivalzentrale im ehemaligen Möbelhaus auf dem Lederle-Areal.
    Brechtfestivalleiter Julian Warner in der Festivalzentrale im ehemaligen Möbelhaus auf dem Lederle-Areal. Foto: Richard Mayr

    Krieg in der Ukraine, Massaker und Krieg in Israel und Palästina, eine Klimapolitik, die nicht richtig vom Fleck kommt. Dazu erst die Inflation, jetzt ein Staat in Haushaltssorgen. Die Infrastruktur ist marode, die Bahn chronisch unpünktlich. Und der Nachwuchs? Dem hat die letzte Pisa-Schulstudie bescheinigt, dass er in Deutschland rein schulisch gesehen nur noch im weltweiten Mittelmaß rangiert. Die Nachrichten waren schon einmal besser. Die Zukunftsperspektiven auch. Daraus macht Julian Warner, der künstlerische Leiter des Brechtfestivals, bei seiner zweiten Ausgabe, vom 23. Februar bis zum 3. März, ein Programm: "No future" lautet das Motto dieser Ausgabe und klingt damit wie eine Zustandsbeschreibung der tristen Gegenwart. Oder wie Warner es griffig sagt: "Willkommen in der Zukunftslosigkeit".

    Das, was Warner im Kulturausschuss jüngst vorgestellt hat, das Verhältnis von Bertolt Brecht und Walter Benjamin, wird doch nur ein Nebenaspekt des kommenden, wieder auf zehn Tage angelegten Festivals sein. Oberhausen steht nach Lechhausen nun als Stadtteil im Zentrum, aber anders als im Vorjahr, wird es viel weniger Wanderschaft bei den Spielorten geben. Denn Warner und sein Team haben einen Schauplatz fürs Festival gefunden, der erst einmal gefüllt sein will: das ehemalige Möbelhaus auf dem Lederle-Gelände gegenüber dem Plärrergelände. Wobei gleich einmal richtig gestellt werden muss: Der Stadtteil Oberhausen mit dem Viertel Rechts-der-Wertach beginnt erst ein paar Meter weiter, bei der Wertachstraße.

    Mit einem Turnfest wird die Festivalzentrale, der Kraftklub, eröffnet

    So viel Platz war noch nie für das Festival, kann man schon einmal sagen. Und passend zum Festivalmotto gilt auch für dieses ehemalige Textilfabrik-Gebäude, aus dem dann ein Möbelhaus wurde: "No future – keine Zukunft", wie Warner hervorhob. Denn seit fünf Jahren gibt es einen Bebauungsplan für das Gelände, der einen Abriss und den Neubau von 150 Wohnungen auf dem kompletten Gelände vorsieht. Neun Festivaltage lang, von Samstag, 24. Februar, bis Sonntag, 3. März, wird in der Festivalzentrale, die den Namen Brechts Kraftklub tragen wird, durchweg Programm stattfinden. Kraftklub darf man dabei ruhig auch wörtlich verstehen. Mit einem Turnfest werden die Räume eröffnet, im Anschluss werden im Kraftklub unterschiedliche Trainings angeboten, die Palette reicht da weit, vom Hip-Hop bis zu Grundlagen im Jiu-Jitsu, von Yoga bis zum Rugby. 

    Und die Idee dahinter erläutert Warner kurz mit. Denn auf den ersten Blick wirkt das ja ziemlich mutwillig. Aber Warner begreift den Sport über das Training, und das Training als Methode, sich etwas als Mensch buchstäblich einzuverleiben, als eine Übung, Gedanken in Fleisch und Blut übergehen zu lassen. Dazu wird es im Kraftklub aber auch Training für den Kopf und die Sinne geben mit Konzerten, einem Boxkampf, einer Lesung, Diskussionsveranstaltungen und der Langen Brechtnacht, die am 1. März unter dem Zeichen "No Future" musikalisch Nachkommen der Punkmusik eine Bühne geben wird. Es gibt also auch etwas, das auf die No-future-Musik, also die Punk-Musik, gefolgt ist. Es gibt also auch ein danach.

    Das Staatstheater Augsburg eröffnet das Brechtfestival mit "Mutter Courage"

    Eröffnet wird das Brechtfestival 2024 mit der Inszenierung von Brechts "Mutter Courage", also einem seiner bis in die Gegenwart viel gespielten Stücke. David Ortmann inszeniert die Produktion des Staatstheaters Augsburg. Und er hat schon einmal durchblicken lassen, dass die "Courage" durch die Kriege in Europa und in Palästina wieder sehr aktuell geworden ist. Die Courage wird von Ute Fiedler gespielt. Am zweiten Wochenende kommt ein Gastspiel nach Augsburg, das vergangenen Sommer für die Salzburger Festspiele entstanden ist: Brechts "Kaukasischer Kreidekreis" in einer Fassung, die Rimini Protokoll und das Theater Hora gemeinsam entwickelt haben, eine Koproduktion der freien Szene.

    Auch zwei bekannte Namen tauchen im Festivalprogramm auf, der türkische Journalist Can Dündar, der seit 2016 in Berlin im Exil lebt, weil er in der Türkei in Abwesenheit zu mehrjährigen Haftstrafen wegen angeblicher Spionage und Terrorunterstützung verurteilt wurde. Außerdem ist die Friedensnobelpreisträgerin Irina Scherbakova für ein Publikumsgespräch angekündigt. Sie ist Gründungsmitglied der Menschenrechtsorganisation "Memorial", die an die Verbrechen des Stalinismus erinnert, und 2022 vom obersten russischen Gericht verboten worden ist.

    Am Festival beteiligt ist auch wieder die freie Szene Augsburgs: Das Theter Ensemble wird auf seiner Bühne im City Club "Berti Brecht and the Multiverse of Alienation" aufführen. Bluespots Productions haben bei der Programmpressekonferenz mit einer kleinen Performance schon einmal den spirituellen Leerstand ausgerufen und angekündigt, St. Johannes in Oberhausen am 1. März zu besetzen. 

    Tickets für das Brechtfestival 2024 gibt es im Internet auf der Homepage des Brechtfestivals. Die Karten für "Mutter Courage" über das Staatstheater Augsburg und die Karten für die Aufführungen des Jungen Theaters Augsburg über deren Internetpräsenz.

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