Eine kleine, leise Veranstaltung, mit einer Frau im Mittelpunkt, die eher am Rand des nicht selten zu Getöse neigenden Literaturbetriebs arbeitet - und doch ein Abend, der nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Edita Koch, Herausgeberin der in Frankfurt erscheinenden Zeitschrift „Exil“, war auf Einladung der Augsburger Brechtforschungsstätte und des Jüdischen Museums Augsburg Schwaben ins Brechthaus gekommen, um von ihrer Zeitschrift und aus ihrem Leben zu erzählen. Ein Leben, welches, wie Kulturreferent Jürgen Enninger eingangs skizzierte, in der Nachkriegszeit in der Tschechoslowakei begonnen hatte als Tochter jüdischer Eltern, die der Vernichtung entkommen waren, dennoch mit dem seinerzeitigen Staatskommunismus nicht konform gingen, was in den Sechzigerjahren schließlich zur Ausreise nach Deutschland führte, wo Edita Koch studierte und mit ihrem Mann 1981 „Exil“ gründete.
Die Veranstaltung im Brechthaus war angelegt als Podiumsdiskussion, die Literaturwissenschaftlerin Christina Rossi setzte die Stichpunkte. Und blendete zu Beginn erst einmal zurück in Edita Kochs frühe Jahre in der Tschechoslowakei: Wie man als Kind, so die Frage, denn eigentlich Unterdrückung wahrnehme? Ihre Eltern, erzählt Koch, hätten versucht, mithilfe der Kultur eine Art Schutzschild zu formieren, unter anderem durch Theaterbesuche. Denn tatsächlich nahm man um das Haus der als dissident eingeschätzten Familie immer wieder postierte Geheimpolizisten wahr. Und auch, wenn man als Kind, wie Koch sagt, diesem Überwachtwerden durchaus einmal als eine Art Versteckspiel erleben konnte - bei der Ausreise 1968, „da wirkte alles, was Uniform trug, bedrohlich“. Was so auch weiterhin „im Kopf“ geblieben sei.
„Exil“, eine Zeitschrift für Literaten, die vergessen waren
Als die Ausreise geglückt war, das Studium in Frankfurt absolviert, was gab den Ausschlag für Edita Koch und ihren Ehemann, mit „Exil“ eine Zeitschrift zu gründen, die sich der Literatur der Exilanten zwischen 1933 und 1935 widmet? Dass es sich dabei um Literatur handelt, die, wie Koch ausführt, zu weiten Teilen in Vergessenheit geraten war. Daran lag auch für die Zeitschrift selbst in ihren Anfängen die Schwierigkeit, dass zunächst wenig Interesse für sie bestand, nicht nur hinsichtlich der Leserschaft, sondern auch, überhaupt an Texte zu kommen. Und doch gewann „Exil“ rasch an Ansehen, wohl auch aufgrund der Kombination zwischen einerseits literarischen, andererseits wissenschaftlichen Beiträgen. Nie, erklärt Edita Koch, habe sie eine rein wissenschaftliche Beschäftigung mit Exilliteratur im Blick gehabt. Nein, die einst verfemten Schriftsteller sollten in „Exil“ mit ihren Werken ein Podium finden, wieder gelesen werden - was im Idealfall bedeutete, dass sich auch Verlage neu interessierten. „Bei Hans Sahl etwa“, sagt Koch, „ist mir das auch gelungen.“
Als problematisch bei der Veranstaltung im Brechthaus erweist sich, dass aufgrund der Konzeption als Podiumsdiskussion versucht wird, Kochs Berichte mit heutigen Krisen- und Exil-Erfahrungen engzuführen. So gewichtig für sich genommen die Einrichtung einer Artist-in-residence-Wohnung im Brechthaus für Literaten aus Konfliktländern ist (Jürgen Enninger sprach davon), so aufrüttelnd der Bericht von Carmen Reichert (Jüdisches Museum) über aktuelle Kontakte nach Israel sich ausnimmt, schneiden sie doch dem eigentlichen Gast des Abends - Edita Koch - denn spannenden Erzählfaden ab. Erst Brechtforscher Jürgen Hillesheim gelingt das Wiederanknüpfen durch die Erwähnung eigener Beiträge für die Zeitschrift „Exil“ - im aktuellen Heft ein Text über Brecht, auch er bekanntlich Exilant.
Edita Koch war tätig fürs Archiv des Suhrkamp-Verlags
Vergessene wie Hans Sahl, Hugo Simon, Emma Kann, sie und andere in die Zeitschrfit geholt zu haben, erfüllt Edita Koch mit Stolz. Und ein weiterer Literatenname fällt immer wieder, der von Ernst Weiß. Koch, die bis zum Umzug von Suhrkamp nach Berlin im Archiv des in Frankfurt ansässigen Verlages tätig war - jenes Archiv, dass dann ans Literaturarchiv nach Marbach ging -, Koch war es mitzuverdanken, dass Ernst Weiß bei Suhrkamp eine Werkausgabe erhielt. Auch wenn Verlags-Chef Siegfried Unseld später klagte, dass die Ausgabe sich so schlecht verkaufe. „Das war dem Unseld wichtig“, erinnert sich Koch.
Moderatorin Christina Rossi lenkt zum Schluss noch einmal den Blick ins Heute, auf die gerade auch für Menschen jüdischer Herkunft zunehmende Bedrohung. Ub sie, Edita Koch, das auch zu spüren bekomme? „Ja, leider.“ Die Erfahrung des freiheitlichen, offenen Klimas, die sie nach ihrer Übersiedlung aus der kommunistischen Sektor Ende der Sechzigerjahre als so erleichternd empfunden habe, sei im Schwinden begriffen. „Heute sagt man am besten nicht, dass man jüdisch ist.“ An der Wand des Hauses in Frankfurt, in dem sie wohnt, hat man schon Hakenkreuze gepinselt.
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