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Dreigroschenheft: Neues Heft über Bertolt Brecht - einen eigenwilligen Zeitgenossen

Dreigroschenheft

Neues Heft über Bertolt Brecht - einen eigenwilligen Zeitgenossen

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    Ein authentisches Bild von Brecht? Lars Eidinger als Bertolt Brecht in Joachim Langs „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“.
    Ein authentisches Bild von Brecht? Lars Eidinger als Bertolt Brecht in Joachim Langs „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“. Foto: Alexander Kluge

    Er war schon ein eigenwilliger Zeitgenosse, dieser Bertolt Brecht. Seiner Jugendliebe Paula „Bi“ Banholzer stellte er mit absoluter Bestimmtheit noch nach, als er längst mit anderen Frauen fest liiert war. Und ausgerechnet gegen die deutsche Filmproduktionsgesellschaft, die am ehesten seinen künstlerischen Intentionen entsprach, führte er einen erbitterten Prozess wegen der Umsetzung der „Dreigroschenoper“. Beide Vorfälle stellen die Aufsätze im neuen Dreigroschenheft ausführlich dar.

    Vor 60 Jahren hat Hans Bunge, damals Leiter des Berliner Brecht-Archivs, mit Paula Groß, als „Bi“ wie Bittersweet in die Literatur eingegangen, zwei Tage ein Interview geführt, das nun aus dem Karton geholt wird. Augsburger Zeitkolorit vor gut 100 Jahren wird darin ebenso wach, wie Episoden mit dem eifersüchtigen Liebhaber B.B. Bei der behüteten Arzttochter Bi Banholzer war der aufstrebende Literat besonders hartnäckig („er konnte so intensiv auf einen einsprechen“), bis er sie herumgekriegt hat.

    Brechts erste Liebe: Paula "Bi" Banholzer mit einem Jugendbild.
    Brechts erste Liebe: Paula "Bi" Banholzer mit einem Jugendbild. Foto: Gerhard Gross

    Kaum war aber der gemeinsame Sohn Frank am 30. Juli 1919 heimlich im Allgäu geboren, gab ihr Brecht seine Verlobung mit der Schauspielerin Marianne Zoff bekannt – ohne dass er von Bi gelassen hätte („er hat mich nie aufgeben wollen“). Selbst als sie sich schon mit dem Kaufmann Hermann Groß befreundet hat, hätte Brecht beinahe die Verbindung gesprengt. „Er und mein Mann“, so erinnert sich Paula Groß, „sind sich dann mal gegenüber gestanden und hatten einen stundenlangen Kampf, wen ich jetzt heiraten soll“. Noch vier Wochen vor ihrer Heirat wollte er sie zu sich nach Berlin holen.

    Ein einziges Mal hat Bi ihren Bertolt Brecht überlistet

    Ein einziges Mal habe sie ihn überlistet, erzählte Bi 1960, als sie in München mit zwei Vettern zum Tanz gegangen und dorthin auch zurückgekehrt sei, nachdem sie B.B. herrisch nach Hause zur Tante geleitet habe. „Sonst hat er immer alles verhindert oder mir einen Strich durch die Rechnung gemacht.“

    Ebenfalls die unangenehme Seite Brechts zeigt in einer fulminanten Kritik von Joachim Langs Film „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ der Theater- und Filmhistoriker Helmut G. Asper auf. „Fälschung mit Methode“ wirft er dem Fernsehredakteur und langjährigen Leiter des Augsburger Brechtfestivals vor. In frei erfundenen Szenen stelle er den von den Nazis 1933 verjagten jüdischen Filmproduzenten Seymour Nebenzahl als schmierigen Geschäftsmann dar und verschweige, dass Nebenzahl einige der bedeutendsten deutschen Filme der Weimarer Republik produziert hat. Fritz Lang drehte für ihn „M“ und „Das Testament des Dr. Mabuse“, mit G. W. Pabst als Regisseur entstanden insgesamt neun Filme wie „Die Büchse der Pandora“, „Westfront 1918“, „Kameradschaft“ und eben „Die 3-Groschen-Oper“. Pabst nannte Nebenzahl „the best producer that he ever worked for“.

    Brecht kritisierte: "Joachim Langs Mackie-Messer-Film verbreitet dreiste Lügen"

    Niemals, so Asper, habe der Produzent vorgehabt, Brechts Werk als seichte Operette zu verfilmen, wie Brecht später unterstellte. Nach den Verträgen „plante Nebenzahl eindeutig, die für den Film nötige Bearbeitung von Text und Musik gemeinsam mit den beiden Autoren auszuführen“. Joachim Lang verbreite in seinem Mackie-Messer-Spielfilm „dreiste Lügen“. Brecht forderte im Nachhinein das Alleinbestimmungsrecht – und „gesellschaftliche Verschärfungen“ der Filmadaption. Darauf wiederum wollte Nebenzahls Nero Film „als politisch neutrale Firma“ nicht eingehen. Brecht zog vor Gericht. Und verlor den Prozess. Die Nero Film schloss gleichwohl einen Vergleich mit ihm, Brecht bekam das vereinbarte volle Honorar plus einer Sonderzahlung für die Prozesskosten. Während der Dichter dann Pabsts Dreigroschenoper-Film als „Schund“ und „schamlose Verschandelung“ verriss, nannten ihn Filmexperten „ideologically more correct from a Marxist point of view“ als das Bühnenstück.

    Dreigroschenheft – Informationen zu Bertolt Brecht, Heft 1/2021, digital unter www.dreigroschenheft.de, gedruckt beim Wißner Verlag, 7,50 Euro.

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