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Diskussion: Augsburg und die Römer: Eine Stadt sucht ihre Geschichte

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Augsburg und die Römer: Eine Stadt sucht ihre Geschichte

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    Die Römermauer im Fronhof verweist auf das römische Kapitel in der Stadtgeschichte Augsburgs.
    Die Römermauer im Fronhof verweist auf das römische Kapitel in der Stadtgeschichte Augsburgs. Foto: Silvio Wyszengrad

    Wenn Sebastian Gairhos von Römern spricht, hängt das Augsburger Bildungsbürgertum an seinen Lippen. Nur 15 Minuten braucht der Leiter der Stadtarchäologie, um die historische Bedeutung Augsburgs als älteste und am längsten besiedelte Römerstadt Deutschlands klarzumachen. 500 Jahre lang war sie Hauptstadt eines Verwaltungsgebiets, das von Südtirol bis Weißenburg, von Passau bis zum Bodensee reichte. Augsburg übertrifft die römische Geschichte Kemptens um 300, die Regensburgs um 200 Jahre. Die Stadt war Verkehrsknotenpunkt und hatte einen Hafen, der richtig Trubel, Reichtum und Vielfalt brachte. 

    Das römische Augsburg: War das typisch römisch?

    In seinem Vortrag „Typisch Römer? Augusta Vindelicum 4.0“ auf dem Kulturempfang der Augsburger Grünen im Oberen Flez macht Gairhos klar: Sich das römische Augsburg als Ansammlung von Römern vorzustellen, ist Projektion. Die Bevölkerung repräsentierte das typische, hochmobile Völkergemisch des Imperiums. Schon im ersten Jahrhundert der Stadtgeschichte stammten die im Schnitt 15.000 Bewohnerinnen und Bewohner aus Oberitalien, der Schweiz, Nordfrankreich, Nordwestdeutschland, dem Balkan und anderen europäischen Regionen. Für die spätere Zeit sind Sklavinnen aus Syrien belegt, die als Lehrerinnen mit Aussicht auf Freiheit und Bürgerrechte bei wohlhabenden Familien arbeiteten. 

    „Wir wollen wir die Stadtgeschichte erzählen?“ Unter dieser Frage stand die Podiumsdiskussion mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth, der Realschullehrerin Yeliz Taskoparan, Kulturreferent Jürgen Enninger, der Leiterin des Jungen Theaters Augsburg, Susanne Reng, und dem Direktor des Textil- und Industriemuseums, Karl Borrmäus Murr. Zur unendlichen Geschichte um das seit 2012 geschlossene Römische Museum erklärte Kulturreferent Machbarkeitsstudie für den Standort Predigerberg vorgeschlagen. Schon 2009 hatte der Stadtrat beschlossen, die Turnhalle der Berufsschule 3 für eine Erweiterung der Dominikanerkirche abzureißen und das Römische Museum in der Dominikanerkirche wieder zu eröffnen.

    Kulturempfang der Grünen-Stadtratsfraktion: Herkunfts- und Religionsvielfalt müssen sich in den kulturellen Einrichtungen spiegeln

    In Sachen Geschichtsbewusstsein zeigte sich das Podium einig: Eine von Kolonialismus und Überheblichkeit des 19. Jahrhunderts geprägte „Herrschaftsgeschichte“ bestimme unsere historische Identität. Kulturelle Einrichtungen wie das Schaezlerpalais müssten sich umfassend „dekolonialisieren“ und die Herkunfts- und Religionsvielfalt in neuen Erzählperspektiven widerspiegeln. Finanziell begleitet wird der von der Stadt strategisch geplante Bewusstseinsumbau der Gesellschaft durch „Das inklusive Wir in Augsburg“ (DIWA), ein mit EU-Geldern in Millionenhöhe gefördertes Programm des städtischen Migrationsbüros. Elf Partner sind im Boot, die mit einem „diversitätssensiblen und rassismuskritischen Blick Strukturen und Denkweisen offenlegen“ sollen. Denn, wie Claudia Roth ein ums andere Mal formuliert: „Vielfalt ist toll. Augsburg steht mit seinem Migrationsanteil unter den deutschen Städten an dritter Stelle. Das brauchen wir nicht verstecken.“

    Tatsächlich wäre eine Einwanderungsgesellschaft optimal, wenn Herkunft, Namen und Aussehen für beide Seiten keine Rolle mehr spielen. Bei den „Römern“, das erklärt Stadtarchäologe Gairhos, war das ab der dritten Generation der Fall. Heute ist jedoch zu beobachten, dass TV, Internet und Flugzeug die Bindungen der Einwanderergruppen in die alte Heimat über Generationen stärken. Dadurch halten sich auch die Narrative dieser Gesellschaften, die nicht selten selbst kolonialistisch, rassistisch und antisemitisch geprägt sind. Vielfalt ist also nicht per se „toll“. Sie ist kompliziert, wie sich auch bei dieser Veranstaltung zeigte.

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