Herr Héja, wenn Sie an diesem Samstag im Martinipark den Taktstock heben für „Così fan tutte“, Ihre wievielte „Così“-Produktion ist das dann?
DOMONKOS HÉJA: Meine zweite. Ich habe mal eine in Chemnitz gemacht, und jetzt eben diese hier in Augsburg.
Das liegt aber nicht daran, dass Sie diese Oper nicht besonders mögen?
HÉJA: Um ehrlich zu sein: Als ich „Così“ in Chemnitz gemacht habe, und damals war ich fast zwei Jahrzehnte jünger, da mochte ich das Stück nicht. Ich fand es langweilig, jedenfalls im Vergleich zu „Don Giovanni“ oder dem „Figaro“. Hinzu kommt, dass „Così“ richtig lange dauert. Mittlerweile aber hat sich das gewandelt: „Così fan tutte“ ist eine meiner Lieblingsopern. Wie Mozart diese Stimmungen der überkreuz sich nähernden Paare in Musik gesetzt hat, das ist fantastisch. Allerdings finde ich die Handlung immer noch schrecklich. Wenn man sich das vorstellt, man ist mit jemandem zusammen, und dann tauscht man einfach die Partnerin mit seinem besten Freund, das ist doch furchtbar. Gnadenlos.
Mozart hat in seinem persönlichen Werkverzeichnis die „Così“ eine „Opera buffa“ genannt, der erste Textdruck dagegen bezeichnet das Stück als „Dramma giocoso“. Hat diese Oper für Sie mehr komische oder mehr ernste Anteile?
HÉJA: Eindeutig letzteres. Das Stück ist unglaublich dramatisch, hochinteressant. Mein Vater hat mir mal einen Witz erzählt: Stehen zwei Typen auf der Straße und sehen zwei Frauen in einer Konditorei. Sagt der eine: Schau mal, die eine dort ist meine Frau, die andere meine Geliebte. Sagt der andere: Interessant - bei mir ist es genauso.
Eine Überkreuz-Affäre wie in „Così“! Zweifellos eine dramatische Situation.
HÉJA: Heutzutage ist so etwas wahrscheinlich ein witziges Thema. Wir leben in einer Zeit, in der die Beziehungen immer lockerer werden. Man spürt, dass die persönlichen Kontakte sich im Niedergang befinden, was auch an den Sozialen Medien liegt. Immer weniger Leute heiraten, und wenn, dann ist man schnell geschieden, dann kommt der oder die nächste und so weiter. Man kann das heiter sehen, ich finde es eher tragisch. Das Tolle bei „Così“ ist: Man hört den Zwiespalt in Mozarts Musik. Die Musik klingt fröhlich und ist es doch nicht. Am Ende ist es so, dass beide Männer, beide Frauen sich denken, dass die Situation mit dem vertauschten Partner zwar wohl besser war, aber jetzt ist alles wieder in der richtigen Ordnung. Ob das gut ist oder schlecht, bleibt offen.
Wenn Sie eine Mozart-Oper dirigieren, worauf kommt es Ihnen an?
HÉJA: Wir spielen „Così“ mit zwei Naturtrompeten, zwei Naturhörnern, kleineren Kesselpauken, sechs ersten Geigen, also eigentlich kein großes Orchester. Und trotzdem kämpft man im Martinipark immer noch mit der Akustik. Das steht für mich an erster Stelle, wenn Sie danach fragen, auf was es mir ankommt: ein zurückhaltendes, durchsichtiges Klangbild. Tempo ist bei Mozart natürlich auch immer wichtig, das kann ziemlich schiefgehen, wenn man zu langsam oder zu schnell ist. Ich glaube aber, dass sich bei Mozart, wenn man sich auf ihn einlässt, die musikalischen Gesten von selbst ergeben. Bei ihm ist alles natürlich.
Warum haben Sie die Blechbläser mit Naturinstrumenten wie zu Mozarts Zeiten besetzt?
HÉJA: Erstens finde ich den etwas rauen Klang von Naturinstrumenten sehr schön. Zum anderen passen sie sehr gut in die Akustik eines Mozart-Orchesters, auch deshalb, weil sie nicht so laut sind.
Wenn Sie an Ihre eigene Entwicklung als Dirigent von Mozarts Musik denken, wer hat da Einfluss auf Sie gehabt?
HÉJA: Als ich noch ein Kind war, da gab es bei uns zuhause eine Schallplatte mit einer Aufnahme von Mozarts „Figaro“ unter Otmar Suitner. Die Platte habe ich unglaublich gern gemocht, rauf und runter gehört. Später, in den Achtzigerjahren, kam dann Karl Böhm, den ich aber irgendwann etwas verstaubt fand, gerade mit seinen Tempi. Dann war es Nikolaus Harnoncourt, den ich unglaublich gut fand, als ich jung war, danach Jordi Savall. Das klang so lebendig, und Mozart ist eben immer lebendig, auch wenn seine Musik mal langsam ist oder traurig.
Nimmt eigentlich die Art und Weise einer Inszenierung – im Falle von „Così fan tutte“ stammt sie von Nora Bussenius – Einfluss auf Ihr Dirigat?
HÉJA: Nein. Höchstens, wenn es um bestimmte szenische Zeichen geht, auf die ich achten muss. Beispielsweise wird Despina in unserer Inszenierung einmal auf den Schultern von Don Alfonso sitzen im Verlauf einer Arie, und während einer Fermate steht Don Alfonso mit ihr auf – bis er steht, muss ich abwarten, bevor ich weitermachen kann.
Gibt es in der „Così“ eine Arie oder ein Ensemble, das für Sie ein besonderes Glanzstück ist?
HÉJA: Das Sextett, die Nummer 13, mag ich besonders. Und natürlich die Finali der beiden Akte. Unglaublich schön, so viele Farben! Aber auch das Duett im zweiten Akt zwischen Fiordiligi und Ferrando … Ach, und dann gibt es dieses langsame Terzett mit Don Alfonso und den beiden Damen noch ziemlich am Anfang, als die beiden Männer wegfahren. Ebenfalls unglaublich schöne Musik …
Ich glaube, wir müssen jetzt aufhören, sonst kommen Sie noch auf sämtliche Nummern der Oper zu sprechen …
HÉJA: (lacht) Ja, das könnte schon sein!
Domonkos Héja
Seit der Spielzeit 2015/16 ist Domonkos Héja Generalmusikdirektor am Staatstheater Augsburg. Stationen der Karriere des 50-jährigen gebürtigen Budapesters waren unter anderem der Posten des 1. Kapellmeisters am Theater Chemnitz, danach war Héja von 2011 bis 2013. Generalmusikdirektor der Ungarischen Staatsoper, der er nach wie vor als Gastdirigent eng verbunden ist.
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