Augsburgs Stadtbücherei hat seit langem eine eigene Abteilung für Musik, und seit kurzem hat diese Musikbibliothek nun auch einen „Musik-Makerspace“. Ein Raum, der einladen soll zur „kreativen Nutzung“ und zu diesem Zweck nicht nur verschiedene herkömmliche Instrumente zum „Ausprobieren“ bereitstellt, sondern ebenso auch digitales Equipment für die „Soundproduktion“ experimentierfreudiger „Musik-Maker“.
Dass die Stadtkommune sich engagiert, um, wie zu vermuten, insbesondere jüngeren Menschen das Musikmachen zu ermöglichen, ist zunächst eine lobenswerte Idee. Ob dafür aber eine Bibliothek der richtige Ort ist, wäre zu debattieren – schon gar, wenn für die Einrichtung eines solchen „Makerspace“ der bisherigen Musikbibliothek merklich die Flügel gestutzt wurden.
Der Bestand der Musikbibliothek ist beschnitten worden
Erklärtermaßen will die Stadtbücherei auf der Höhe der Zeit agieren, was inzwischen nicht mehr nur heißt, die neuesten Titel zur Ausleihe vorzuhalten, sondern für ein möglichst breites Publikum ein Treffpunkt, ein mit anregenden Dingen möbliertes Wohnzimmer der bunten Stadtgesellschaft zu sein. Die Augsburger Bücherei mit ihrer Zentrale am Ernst-Reuter-Platz befindet sich da im Einklang mit nationalen und internationalen Trends, die den „Wissenswandel“ propagieren und kommunale Büchereien bei weitem nicht mehr nur als Schatzhäuser von Gedrucktem verstehen, wo man in Regalen stöbern, hineinlesen und am Ende auch noch leihen kann. Zu wenig modern, zu analog, zu wenig auf Teilhabe ausgerichtet diese Büchereien vom alten Typ. Da wundert es nicht, dass der Augsburger „Musik-Makerspace“ unter dem Motto „Next Level“ angepriesen wird. Eine Formulierung, die impliziert, dass das bisher Gebotene unter den Maßgaben des „Wissenswandels“ als ungenügend erkannt wurde.
Mit entsprechenden Folgen. Die Augsburger Musikbibliothek, eine der größten ihresgleichen in Bayern und über Jahrzehnte hinweg sorgsam ausgebaut und verwaltet vom amtierenden Leiter und seinen Vorgängern, ist inzwischen nur noch ein Rumpf ihrer einstigen Erscheinung. Der im zweiten Stock implantierte „Makerspace“ benötigt Platz, also musste der „Altbestand“ drastisch beschnitten werden, eine Aufgabe, für die der damit beauftragte Musikbereichsleiter wohl nicht zu beneiden war.
Partituren und Klavierauszüge liegen im Archiv
Von den 55.000 Medien des bisherigen Bestands stehen nun noch 40.000 zur Verfügung, doch selbst die nicht mehr durchgängig in Präsenz – rund 9500 sind in ein Archiv am Rande der Innenstadt gewandert. Dass es sich dabei unter anderem um die stattliche Reihe von Vinylplatten handelt, mag angesichts der präsenten CDs noch angehen. Die komplett ins Archiv abgewanderten Abteilungen der (Taschen-)Partituren und Klavierauszüge aber sind ein herber Verlust für alle Musikfreunde, die mit einem Blick in die Noten wissen wollen, warum es bei Bach, Beethoven und all den anderen so klingt und nicht anders – und die mittels Klavierauszug auf den heimischen Tasten gerne mit den eigenen Händen nachvollziehen wollen, wie Mozart, Wagner, Verdi und Co. ihre harmonisch-melodische Wunder konstruierten.
Apropos Mozart: In der Musikbibliothek der „deutschen Mozartstadt Augsburg“ – kein Wortgefüge einschlägiger Reklame, nein, Worte vom früheren Oberbürgermeister – ist nun auch die aufschlussreiche Neue Mozart-Ausgabe (NMA) nicht mehr vorhanden, deren Präsenz bis dato zu den lohnendsten Zielen der „alten“ Musikbibliothek gehörte. Blickt man von dort durchs Fenster zum schräg gegenüberliegenden Leopold Mozart Zentrum, kann man nur hoffen, dass den Studenten dort ein Exemplar der NMA zu Händen ist.
Der Notenbestand der Augsburger Musikbibliothek ist groß
Alles noch ausleihbar aus dem Magazin, gewiss – leider wird nur einmal pro Woche geliefert; und die NMA doch längst schon digital einsehbar, gewiss … Doch zählt nicht unmittelbare Verfügbarkeit zu den Kardinaltugenden der „alten“ kommunalen (im Gegensatz zu den wissenschaftlichen) Bibliotheken? Einfach reingehen in die Bücherei, schauen, was die Regale hergeben – in diesem Sinne leistet(e) bereits das traditionelle Konzept die als so wichtig empfundene und nun als neuartig verkaufte Niederschwelligkeit und Teilhabe.
Auch wenn darüber hinaus ein Dutzend Zeitschriften, darunter Downbeat, Tanz, die Neue Zeitschrift für Musik, infolge Abo-Kündigung komplett von der Bildfläche der Musikbibliothek verschwunden ist, archivierte Jahrgänge ins Altpapier gewandert sind: Der Präsenz-Notenbestand der Musikbibliothek ist noch immer groß, konzentriert sich aber nun auf praktische Ausgaben. Wer ein Instrument spielt, wird wohl weiterhin gleich vor Ort fündig werden; deutlich weniger jedoch der, der seine Kenntnis über Musik vertiefen will, egal ob als Musizierender oder als hörende Enthusiastin. Der Wert von Musik, gespiegelt im Angebot, wird in der „neuen“ Musikbibliothek mit Schlagseite vermittelt – als etwas, das zu machen ist. Dass es da auch nicht wenig zu verstehen gibt, fällt der Nachrangigkeit anheim.