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Das Rahmenprogramm des Augsburger Friedensfests 2024 hat begonnen

Augsburg

Eine Theaterstück verweist auf den kleinen Populisten in einem jeden

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    Mit Esteve Solers Szenenfolge „Gegen die Demokratie“ beginnt im Kulturhaus Abraxas das Rahmenprogramm des Friedensfests.
    Mit Esteve Solers Szenenfolge „Gegen die Demokratie“ beginnt im Kulturhaus Abraxas das Rahmenprogramm des Friedensfests. Foto: Annette Zoepf

    In kurzen 45 Minuten legt das eigenwillige Theaterstück „Gegen die Demokratie“ sieben ausgewählte Szenarien auf den Tisch, wie Demokratie versagen kann. Die Inszenierung, die nun als Gastspiel zum Auftakt des Friedensfests im Kulturhaus Abraxas zu sehen war, beginnt mit einem Paar, das ein Baby bekommt. Dieses wächst in kürzester Zeit zu einem Monstrum heran und tötet seine Eltern. Vor der Geburt hatten diese noch die Hoffnung gehegt, dass die nächste Generation schon all das richten wird, was die eigene verhunzt hat, und dann, wie üblich: Die Revolution frisst ihre Kinder. In einem anderen Kapitel treffen sich Dick Cheney und Leopold II von Belgien in einer Bar, und lassen ihre hemmungslose Menschenverachtung am Barkeeper aus, weil der das Rückgrat zeigt, sie nicht bedienen zu wollen.

    Es sind Szenen wie diese, die der katalanische Dramatiker Esteve Soler in seinem Stück destilliert hat. Erst im Zusammenhang der unverbundenen Kapitel wird klar, auf welch tönernen Füßen unsere Staatsform Demokratie überhaupt steht. Wer möchte, kann sie aushöhlen, unterminieren, kann Mitmenschen blenden und Stimmen ergaunern. Uraufgeführt wurde das Stück 2011, die jüngste Geschichte zeigt deutlich, dass die alten Tricks der Demokratiefeinde aber auch weiterhin ziehen.

    Drei Schauspieler - Rosa Dahm, Lea Gerstenkorn und Daniel Miguel Weber - tragen das Stück in der Inszenierung des Urania Theaters Köln alleine, das Bühnenbild besteht hauptsächlich aus elastischen weißen Bändern, von denen in jedem Kapitel weitere durch den Raum gespannt werden. Diese verbinden die Menschen oder trennen sie und bilden dabei Räume. Regisseurin Bettina Montazem hat eine straffe Inszenierung in der Tradition des Grand Guignol hingelegt, des Gruseltheaters. Die ausgewählten Kapitel passen perfekt zur aktuellen politischen Stimmung – bis hin zu dem Punkt, dass Menschen aus verschiedenen Lagern schon prinzipiell nicht mehr miteinander zu reden bereit sind, was einen Diskurs, Empathie und letztlich Kompromisse nahezu unmöglich macht.

    Alle Menschen sind frei und gleich an Würde

    In der anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von Alexandra Martini vom Zündfunk des Bayerischen Rundfunks und einer Fernsehausstrahlung würdig, arbeiteten die Regisseurin, Tobias Schuster, Dramaturg bei den Münchner Kammerspielen und Christian Boeser von der Uni Augsburg heraus, wie stark eine gesunde Demokratie von Bildung und Wissen ihrer Teilnehmer abhängt. Dazu seien Kapitalismus als Wirtschaftsform und Demokratie als Staatsform nicht zwingend verknüpft - und Wohlstand müsse nicht unbedingt in Geld und Wirtschaftswachstum gemessen werden. Außerdem seien die Erwartungen mancher an die Politik grotesk. Es gilt, Geist und Herz zu öffnen, Empathie zuzulassen, und mit ihr die Fähigkeit zum Kompromiss. Doch der kleine Populist in einem jeden Menschen lasse viele den eigenen Vorteil suchen, stets zum Nachteil irgendeines anderen auf der Welt, und uns Politik nur bis zum eigenen Gartenzaun zu denken. Wenn Empathie an der Grenze ende, sei der Niedergang vorprogrammiert.

    Regisseurin Montazem, im Iran geboren, macht deutlich, dass man die Demokratie erst wirklich schätzen könne, wenn man andere Regime erlebt habe. Genau daher dürfe man trotz aller Empathie und Kompromissbereitschaft eben nicht die Leitplanken unseres Grundgesetzes und der Menschenrechte übertreten. Mit Menschen, die das anders sehen, braucht man nicht über Kompromisse zu verhandeln. Karl Poppers Toleranz-Paradoxon wurde zwar nicht direkt angesprochen, stand aber unübersehbar im Raum.

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