Fällt der Begriff "Jazz", haben viele gleich eine Meinung. Fans denken vielleicht sofort an den einen bestimmten Sound der Debüt-LP von Sonny Rollins von 1957 auf Blue Note. Diejenigen, denen die Musik fremd ist, denken vielleicht an alte Männer, die alten Männern lauschen, die Musik von toten Männern spielen. Doch Jazz ist auch weiblich und jung und lässt die musikalische Welt erscheinen, als sähe man sie durch das Facettenauge einer Biene. Sie ist ein Kaleidoskop an Klängen, in seiner Vielfalt so überfordernd wie eine Großstadt, in der man ohne Stadtplan unterwegs ist.
Der künstlerische Leiter des Internationalen Jazzsommers, Tilman Herpichböhm, ist als Musiker und Fan der ideale Stadtführer durch die dunklen Gassen und prächtigen Alleen der Weltmetropole Jazz City. Als Programmverantwortlicher der 32. Ausgabe des Festivals holt er exemplarisch die weiten Welten dieser Musik nach Augsburg: große Namen, große Talente, große Emotionen. Vor allem die Atmosphäre des botanischen Gartens verleiht den Konzerten dort Genre-unabhängig noch einmal eine besondere Qualität.
Jazzsommer im Botanischen Garten: Das ist das Programm
- Eröffnet wird "Jazz in der Botanik" durch "das europäische Aushängeschild am Saxofon", Émile Parisien mit seinem Quartet (3.7.), der auf über 20 Alben seine Virtuosität schliff und diese in rauschender Spielfreude auf die Bühne bringt.
- Der gute Ruf des Festivals und die finanzielle Unterstützung durch verlässliche Partner ermöglicht nach der Kathrine Windfeld Big Band letztes Jahr ein weiteres großes Ensemble im botanischen Garten. Rebecca Trescher (11.7.) präsentiert mit ihrer zehnköpfigen Band, mit Harfe und Cello in außergewöhnlicher Besetzung, "reife und vollendete Kompositionen, wie man sie selten erlebt".
- Aus den USA reist Walter Smith III (17.7.) an, vielleicht eine der größten Saxofonentdeckungen und schon als der neue Joshua Redman gehandelt, um mit seinem Quartett um Schlagzeuglegende Bill Stewart ein paar Dornen von den Rosenbüschen zu pusten.
- Spannend wird es am 24.7. mit Sylvie Courvoisier, die dem Dunstkreis des New Yorker Avantgardeclubs "Knitting Factory" entstammt, und deren frei improvisierte, sphärische Musik eine perfekte Symbiose mit der reichen Flora und Fauna der Spielstätte eingehen wird.
- The Bad Plus (31.7.) gehören zu den bekannten Jazzcombos dieses Planeten, mit eigentümlichen wie mitreißenden Coverversionen alter Black Sabbath- oder Bee Gees-Hits haben sie sich einen Namen gemacht. Das Piano wurde inzwischen von Gitarre und Saxofon abgelöst, "die Band covert sich also in spektakulärer Neubesetzung selbst", so Herpichböhm.
- Als Letztes ertönen die wunderbaren Kompositionen aus der Feder von Omer Klein (6.8.) im Pavillon, der mit seinem Trio aus der europäischen Szene nicht mehr wegzudenken ist.
Nachdem sich in den letzten zwei Jahren die zusammen mit dem Jazz Club kuratierte Bühne im Brunnenhof am Zeughaus als zweite Konzertlocation mehr als bewährt hat, "sind die Grenzen des Programms zwischen diesen beiden Bühnen mittlerweile fließend". Einige Bands des "urbanen Satelliten" des Festivals stehen schon mit mindestens einem Bein im großen Rosenpavillon. Gerade bei der Besetzung dieser Bühne bewährt sich, dass Herpichböhm selbst der zeitgenössischen Szene entstammt, im Bewusstsein, dass die Förderung junger, aufstrebender Musikerinnen und Musiker im gleichen Maße wichtig ist wie das Ablegen von musikalischen Scheuklappen.
Das sind die Highlights des Jazz-Sommers im botanischen Garten Augsburg
Der Kopenhagener Gitarrist Mikkel Ploug (6.7.) zum Beispiel wuchs von einem hoffnungsvollen Talent zu einer Bank des europäischen Gitarrenjazz und eröffnet mit seinem Trio in ganz klassischer Form das Format "Jazz in der City".
Wie grenzenlos Jazz sein kann, zeigt dann erst das Trio Bobby Rausch (13.7.), das mit Bassklarinette, Baritonsaxofon, Schlagzeug und einer ganzen Batterie an Elektronik eine Intensität erschafft, die vermutlich noch am Rathausplatz zu spüren sein wird.
Eine Woche später geht es mit dem Paier Valcic Quartet (20.7.) und seiner Version von Kammermusik mit Akkordeon und Cello in die ganz andere Richtung.
Mirna Bogdanovics Vocaljazz (27.7.) und Nora Kamms Afrobeat (3.8.) komplettieren das Programm.
Kulturreferent Jürgen Enninger bezeichnet bei der Pressekonferenz Jazz als "Aufschrei für eine vielfältige Welt und freiheitliche Gesellschaft, eine Phalanx gegen Rechts". Lässt man sich nur ein bisschen auf Neues ein, weitet sich nicht nur der Horizont, sondern man entdeckt auch Vertrautes im vermeintlich Fremden. Die Bands des Jazzsommers machen es dem Publikum leicht, das zu erleben.