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CD: Klangküstler Gerald Fiebig fasziniert das  Gaswerk

CD

Klangküstler Gerald Fiebig fasziniert das  Gaswerk

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    Klangkünstler Gerald Fiebig
    Klangkünstler Gerald Fiebig Foto: Wolfgang Diekamp

    Gerald Fiebig, Jahrgang 1973, leitet seit 2015 das Kulturhaus Abraxas. Er studierte Literaturwissenschaften in Augsburg, schreibt Gedichte und beschäftigt sich seit 2006 auch mit Klangkunst. 2013 wurde Fiebig für seine Klanginstallationen mit dem Kunstförderpreis der Stadt ausgezeichnet.

    „Gasworks“ heißt eine neue CD von Ihnen – eine akustische Erkundung des Gaswerks in Oberhausen. 2017 hatten Sie einen Lyrikband („nach dem nachkrieg“) vorgelegt, der um die Geschichte des Kasernenareals rund um das Abraxas kreist. Woher diese Affinität zu Augsburger Ortsbefragungen?

    Gerald Fiebig: Ich habe mich häufig mit konkreten Orten auseinandergesetzt – nicht nur in Augsburg. Bei den von Ihnen genannten Projekten geht es um die Geschichte von Gebäuden. Ich erfinde ja nicht, ich finde. In dem Fall in Augsburg.

    68 Minuten dauert Ihr Klangkunstwerk, das größtenteils im Gasometer aufgenommen worden ist. Was erwartet den Hörer?

    Fiebig: Mir ging es darum, Geschichte zu erzählen – nicht um eine Hommage an ein „spannendes“ Gebäudeensemble. Wie war das, dort zu arbeiten? Was war das für eine Ökobilanz, wenn sechs bis sieben Tonnen Koks pro Arbeitsschicht verbrannt wurden? Ich will Industrialisierung über das Hören erfahrbar machen.

    Das zentrale Stück auf Ihrer CD ist die Erzählung von Johann Artner, der von 1947 bis 1989 im Gaswerk in Oberhausen gearbeitet hat. Wie kam es dazu?

    Fiebig: Das Gaswerk wurde 2001 stillgelegt und kam schnell unter Denkmalschutz. Doch es war lange unklar, was daraus werden sollte. 2007 haben die Stadtwerke erstmals aufgerufen, den Ort künstlerisch zu bespielen. Ich wollte etwas zu den Menschen machen, die dort gearbeitet hatten. So kam ich über den Verein der Gaswerkfreunde an Johann Artner, der mir zweieinhalb Stunden lang erzählte. Das Projekt, das ich angedacht hatte, eine Art Parcours, ließ sich dann nicht realisieren. Aber die O-Töne von Johann Artner habe ich als Verpflichtung begriffen, etwas aus ihnen zu machen. 2010 ergab sich dann die Gelegenheit für eine Klanginstallation daraus.

    Sie haben aus Artners Erzählungen ein 26 Minuten langes Stück gemacht – mit künstlerischen Bearbeitungen der Stimme. Was hat Johann Artner zu diesem Klangkunstwerk gesagt?

    Fiebig: Nach dem Interview gab er mir mit auf den Weg: „Da kannst Du draus machen, was Du willst.“ Leider ist er vor der Fertigstellung gestorben und hat es nicht mehr hören können. Die Frage eines respektvollen Umgangs mit O-Tönen ist mir aber sehr wichtig. Natürlich mache ich Eingriffe in das Material und gestalte es. Aber die Erzählung bleibt im Vordergrund.

    Wieso ist das Booklet der CD eigentlich nur auf Englisch?

    Fiebig: Das Label „Gruenrekorder“ vertreibt international. Das ist natürlich auch ein schönes Aushängeschild für ein Augsburger Thema. Ich hätte es gerne zweisprachig gemacht. Aber man kann die deutsche Fassung auf meiner Website (www.geraldfiebig.net) finden. Das gilt übrigens auch für die mündliche Erzählung von Johann Artner, der Augsburger Dialekt spricht. Wer das schwer versteht, für den gibt es den Text abrufbar auf Hochdeutsch verschriftlicht.

    Auf der CD gibt es den Mitschnitt einer Klangperformance aus dem Gaskessel zu hören. Aber Sie haben auch die alte Augsburger Textilindustrie gleichsam ins Gaswerk eingespielt 

    Fiebig: Ja, ich habe im Textilmuseum historische Maschinen aufgenommen und das dann im Hallraum des Gaskessels abgespielt. Mir ging es auch darum, diesen Raum wie ein Instrument einzusetzen.

    Das Echo des Gaskessels ist einzigartig?

    Fiebig: Es gibt keinen Klangraum, mit dem ich mich so lange beschäftigt habe wie mit dem Gasometer. Der Scheibengasbehälter hat ein ganz besonderes Echo, das ich auf immer neue Weise zu aktivieren versuchte. Es ist ein „Wow“-Raum, der macht schon was mit einem. Dieses akustische Erlebnis wollte ich mit meinem CD-Projekt erfahrbar machen. Es ist auch eine Meditation darüber, was Industrie eigentlich ausmacht, das klingt deshalb manchmal auch düster und bedrohlich.

    Info: Die CD „Gasworks“ kostet 15 Euro und ist u. a. bei „Tonträger“, diversen Buchhandlungen und den Museumsshops im H2 und Schaezlerpalais erhältlich.

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