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"Der Geist der Taverne" – ein Audio-Feature führt durch Lechhausens Kneipen
![Hereinspaziert in Lechhausens Kneipen? Für ein Audio-Feature hat sich die Künstlerin Doro Schroeder umgehört in den Bars des Stadtviertels. Hereinspaziert in Lechhausens Kneipen? Für ein Audio-Feature hat sich die Künstlerin Doro Schroeder umgehört in den Bars des Stadtviertels.](https://www.augsburger-allgemeine.de/resources/1715673836705-1/ver1-0/img/placeholder/16x9.png)
Belegt ist, dass Bert Brecht sehr gerne Kneipen und Bars aufsuchte. Beim Brechtfestival blickt nun eine Audio-Tour in die Tavernen von Lechhausen.
Die Volontärinnen und Volontäre der Augsburger Allgemeine haben das Brechtfestival 2023 besucht, das Audio-Feature "Der Geist der Taverne" angehört , mit der Künstlerin und Theatermacherin Doro Schroeder darüber gesprochen und im Anschluss Kritiken geschrieben. Ursprünglich sollte nur eines der geschriebenen Manuskripte veröffentlicht werden: Weil es bei der finalen Abstimmung ein Patt gab und die beiden Favoriten einen unterschiedlichen Tenor am Ende haben, veörffentlichen wir digital beide Manuskripte.
Hier lesen Sie die Kritik von unserem Volontär Moritz Maier zum Audio-Feature "Der Geist der Taverne":
Doro Schröder hat die Kneipen von Lechhausen erkundet
Keine hochtrabende Literatur, sondern Brechts Methode anwenden: den ganz normalen Menschen aufs Maul schauen. Zuhören. Und das in Lechhausens Kneipen. Von Tresen zu Tresen tingeln und mit den Stammgästen über die großen Fragen des Alltags sprechen. Ist eine Kneipe nur Theke und Bier oder der feierabendliche Therapieplatz? Wo sind all die Jugendlichen geblieben? Und wieso ist der Leberkäs' vom Aussterben bedroht? Mit diesen Fragen begann Doro Schroeder ihr Audio-Projekt „Der Geist der Taverne“.
Eine Reise durch Lechhausens Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Die Künstlerin aus dem Rheinland wohnt seit zehn Jahren in Augsburg, in Lechhausen. Das einstige Arbeiterviertel ist heute ein Ort, in dem unterschiedlichste Menschen leben. Und die lässt Schroeder zu Wort kommen. Mit einem Aufnahmegerät in der Tasche und der Lechhauser Kneipenwirtin Annette Kleinert im Schlepptau besuchte sie geschichtsträchtige und neue Tresen. Doch wieso gerade in Lechhausen? Das Viertel ist nicht für seine Feiermeile bekannt. „Weil man es sonst nicht macht“, sagt Schroeder. Sie sprach über Wochen hinweg mit Wirten, ihren Feierabend genießenden Arbeitern, täglichen Stammgästen. Die Gründe, wieso sie sich in Kneipen aufhalten, sind vielfältig. Die Gesellschaft brauchen wohl alle.
In knapp einer Stunde nimmt Schroeder nun Hörerinnen und Hörer auf ihre Reise durch Lechhausens Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mit. Dabei schwingt jede Menge Melancholie mit. Es entsteht der Eindruck, dass nicht nur die Kneipen, sondern auch ihre Wirte und Gäste vom Aussterben bedroht sind. Ebenso wie der Leberkäs’, den es früher noch fast überall zum Bier gab.
"Der Geist der Taverne" gewährt Einblicke in die Welt der Kneipen
Das auch online hörbare Audio-Projekt (www.brechtfestival.de) schlägt einen anderen, erfrischenden Weg ein. Neben Brechts eingesprochenen Gedichtzeilen gibt es Hörerinnen und Hörern einen Blick aufs echte Leben. Keine akademische Debatte, sondern Menschen. Auch das ist Kunst, auch das gehört zu Brecht.
Schroeder war es wichtig, Gespräche in Kneipen zu führen. Etwa im Madhouse bei Wirt Wolfi. Oder in der TSG Sportstätte, in der sich ältere Menschen zum Tanzen treffen. Richtiges Tresen-Feeling kommt aber nicht auf. Oft hören sich die Beiträge mehr nach Interview als einem Gespräch auf Augenhöhe bei ein, zwei, drei Bier an. Einige Fragen müssen Hörerinnen und Hörer für sich beantworten. Wer aber selbst hin und wieder in Kneipen verkehrt oder nostalgisch an vergangene Zeiten denkt, bekommt mit dem „Geist der Taverne“ einen schönen Eindruck einer Welt, die selten Beachtung findet.
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Und hier lesen Sie die Kritik unserer Volontärin Bianca Dimarsico zum Audio-Feature "Der Geist der Taverne":
Eine Kneipentour durch Lechhausen – in Brechts Geiste
Bertolt Brecht war bei Weitem nicht der einzige Künstler und Literat, der im Trinken eine Leidenschaft fand. Goethe, Hemingway, Wilde, sie alle griffen gerne zu Wein und Whiskey. Bei Brecht und seinem Hang zum Alkohol ist die Frage des „Was“ nicht eindeutig zu beantworten. Weitaus klarer ist jedoch das „Wo“ zu beantworten: Brecht ging in die Kneipe.
Doro Schroeder hat die Kneipengänger in Lechhausen befragt
In Augsburg zog es ihn meist in Gablers Taverne, seine Stammkneipe, welche zuletzt als Lechklause bekannt war. Heute steht das Stüberl am Vorderen Lech leer, der Schriftzug verblasst, der Putz ist alt und brüchig. Doch die Faszination bleibt. Nicht nur für Gablers Taverne, sondern für den ganzen Mikrokosmos der Kneipen. Im Rahmen des Brechtfestivals produzierten die Regisseurin Dorothea Schroeder und der Schauspieler Thomas Kitsche ein Audio-Feature, eine knapp einstündige Ode an die Lechhauser Kneipenlandschaft namens „Der Geist der Taverne“. Über allem steht die Frage: Was macht die Kneipe zur Kneipe?
Doro Schroeder nimmt Hörerinnen und Hörer darin mit auf eine Tour durch den Augsburger Stadtteil. Es geht vom Schwabeneckerl ins Café Schlößle und von dort ins Madhouse, wo die Erzählerin selbst ab und an mit einem guten Glas Weißwein in der Hand vorzufinden ist. Vielen Menschen aus Lechhausen sind diese Orte bekannt. Doch auch Nicht-Ansässigen wird beim Hören schnell klar, welche Bedeutung das Konzept Kneipe in dem Vorort in sich trägt. Zu Wort kommen vor allem die Menschen hinter der Theke, die vom Alltag in ihrem Lokal sprechen. Untermalt werden die Interviews von Brechts „Lied vom Kelch“, welches Kitsche vorliest.
Die Kneipe füllt den luftleeren Raum zwischen Freitag und Montag
Schroeder ist das Bindeglied zwischen Hörern und Wirten, stellt Fragen, die man sich auch stellt. Sie spricht nicht über, sondern mit den Menschen. Sie ist nah dran. So nah dran, dass man die Rockmusik im Hintergrund hört oder den Stammgast, dem man Hunderte verrauchte Zigaretten an der Stimme anmerkt. Auf ihrem Streifzug durch die Straßen des Orts findet Schroeder immer wieder das Große im Kleinen. „Was wäre, wenn du jetzt schließen würdest?“, fragt sie eine Wirtin. Für manche sei es ein Weltuntergang. Und ja, nach einer halben Stunde des Zuhörens und Eintauchens kann man das vielleicht nicht verstehen, aber nachvollziehen.
Es ist der luftleere Raum zwischen Arbeit und Zuhause, zwischen Freitag und Montag, den die Kneipe füllt. Für die einen ist es der wöchentliche Stammtisch, für andere das stille Gespräch mit dem Wirt oder der Wirtin hinter der Theke.
Ein hörenswertes Audio-Feature zum Brechtfestival
Nein, das Audio-Feature ist keine Hollywood-Produktion. Es gibt keinen Spannungsbogen, keine überraschende Wendung im letzten Akt, keine befriedigende Antwort auf die Frage, was genau die Kneipe zur Kneipe macht. Doch was die Kneipe sicher nicht ist, ist glatt, poliert und generisch. Was Schroeder zeigt, ist echt. Und so ist das Stück für all diejenigen hörenswert, die einen ungefilterten Blick hinter die Kulissen der Kneipen werfen möchten. Das Audio-Format gibt es online auf der Website des Brechtfestivals zu hören.
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