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Brechtbühne un/plugged: Mjalisuso & Kayro bringen die Brechtbühne zum Tanzen

Brechtbühne un/plugged

Mjalisuso & Kayro bringen die Brechtbühne zum Tanzen

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    Roshko spielte bei der Neuauflage von Brechtbühne un/plugged Dreampop und Soul.
    Roshko spielte bei der Neuauflage von Brechtbühne un/plugged Dreampop und Soul. Foto: Michael Hochgemuth

    Forrest Gump sagte doch, das Leben sei wie eine Pralinenschachtel, man wisse nie, was man bekommt. Mit der Reihe Brechtbühne un/plugged ist es ähnlich, nur eben geschmackvoller als in Schnapssirup ertränkte Schrumpfkirschen in Billigschokolade. In der Frühjahrsausgabe des mittlerweile als feste Größe im kulturellen Kalender der Stadt verankerten Konzerts trafen erneut Welten aufeinander, die auf dem Papier augenscheinlich wenig gemeinsam haben. Noten liebende Philharmoniker, ganz frischer Indie-Pop und gambische Traditionals zum Beispiel. Aber alle Welten atmen einen gemeinsamen Sauerstoff, und der heißt Musik. Und wenn die Menschen aufeinander hören und zusammen spielen, werden musikalischer Hintergrund, Erfahrung und Sozialisation zur Makulatur. 

    Bei "Brechtbühne un/plugged" treffen musikalische Welten aufeinander

    Roshko ist erst vor wenigen Monaten auf der Bildfläche aufgetaucht und eigentlich alleine mit sich, ihrer Stimme und ihrem Instrument. Tom Jahn hat mit seinen Arrangements die Vielschichtigkeit ihrer Solostücke in den Bandkontext übersetzt und erschafft samt philharmonischer Streicher warmen, verträumten Dreampop, glühenden Tango mit klagenden Streichern und Habanero-Saxofon sowie Soulnummern, die jedem Bond-Streifen stehen würden, dessen Hauptdarsteller gleichzeitig einen Coolness-Wettbewerb gegen Roshko und ihre Band klar verlieren würde. 

    Mjalisusos Songs schweben zwischen westafrikanischer Musik und Global Pop und Jazz

    Angesichts des fulminanten Abschlusses dieser beeindruckenden Premiere stellt sich schon kurz die Frage, ob das noch zu toppen ist. Aber das Format ist kein Wettbewerb, Äpfel lassen sich schwer mit Birnen vergleichen und Roshko und Mjalisuso samt seiner Band Kayro verbinden die gleiche Hingabe, Spielfreude und spannende Arrangements. Das Staatstheater schrieb in der Ankündigung, Mjalisuso erkunde in seinen selbst geschriebenen Songs die Räume zwischen Tradition und Moderne, von westafrikanischer Musik zu Global Pop und Jazz. Diese Räume sind groß und weit und der junge Gambier weiß sie mit seiner Kora und seiner Band zu füllen – mit Freude, mit Tanz und Übermut. 

    Percussionist Kebe zerbricht nach wenigen Minuten den kleinen Holzstab, mit dem er aus beachtlich kleinen Trommeln beachtlich knallende Töne zaubert, die Rhythmusgruppe brodelt, die Bläser schieben nach vorne und der Backgroundgesang von den Saxofonistinnen Milena Hermann und Eva Welz reminisziert an Griots, die Geschichtenerzähler der westafrikanischen Staaten. Das alles perlt in so klarem, differenzierten Sound durch die Boxen, dass es eine Freude ist, nur dürfen die Tontechniker beim nächsten Mal die Lautstärkeregler gerne ein wenig mehr nach oben fahren, um alle Beteiligten angemessen zur Geltung kommen zu lassen. 

    Kayros Sound ist mal sanft, mal übermütig

    Klassische Songstrukturen aus der Popmusik sind bei Kayro völlig zweitrangig, die Musik ist ein ständiger Fluss, mal sanft und friedlich, mal schäumend und übermütig die Menschen von ihren Sitzen reißend. Kebes Animation tut ihr Übriges, und es ist das erste Mal, dass sich die ausverkaufte Brechtbühne bei einem Un/plugged-Abend geschlossen erhebt und sogar vorsichtige Tanzbewegungen versucht. 

    Sehr gut besucht waren die sieben vorherigen Ausgaben ebenfalls, eine Woche vor dem Konzert ausverkauft war es jedoch erst zum zweiten Mal. Kurator Girisha Fernando fragte sich noch vor Beginn des Konzerts, warum das ausgerechnet an diesem Abend der Fall war. Spätestens nach dem letzten, gemeinsamen Song aller 17 beteiligten Musikerinnen und Musiker scheint die Antwort gefunden: Es hat sich in der Stadt herumgesprochen, dass dieses Format immer einen völlig unvorhersehbaren, aber mit Sicherheit höchst spannenden Abend verheißt und den musikalischen Horizont verlässlicher erweitert als jeder Spotify-Algorithmus. Von Mjalisuso und Roshko wird mit Sicherheit noch zu hören sein.

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