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Bayreuther Festspiele: Augsburger Harfenistin: "Ein unbeschreiblicher Klang herrscht dort unten im Graben"

Bayreuther Festspiele

Augsburger Harfenistin: "Ein unbeschreiblicher Klang herrscht dort unten im Graben"

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    Christine Steinbrecher im Harfenzimmer der Bayreuther Festspiele.
    Christine Steinbrecher im Harfenzimmer der Bayreuther Festspiele. Foto: Anne Riedel

    Es hat sie natürlich gefreut, wieder eingeladen zu werden ins Bayreuther Festspielorchester, seit jeher kein festes Ensemble, sondern eines, das sich aus Mitgliedern bestehender Opern-, Funk- und Konzertorchester jeden Sommer neu zusammensetzt. Vergangenes Jahr war Christine Steinbrecher erstmals zu den traditionsreichen Richard-Wagner-Festspielen gekommen, empfohlen von einer Kollegin, die im

    2022, im Jahr der versickernden Corona-Pandemie, in dem man endlich den verschobenen, von Valentin Schwarz inszenierten neuen "Ring des Nibelungen" präsentieren wollte, hatte man bei den Festspielen vorsichtshalber ein komplettes zweites Orchester aufgestellt, was für die Harfen bedeutete, zwölf an der Zahl statt der beim "Ring" sonst üblichen sechs. Das brachte Christine Steinbrecher die erste Einladung auf den Grünen Hügel. In diesem Jahr nun greift sie dort erneut in die Saiten als eine von insgesamt acht Harfenistinnen.

    Mitte Juni hat die Soloharfenistin der Augsburger Philharmoniker ihre Sachen gepackt und ist für die diesjährige Festspielzeit nach Bayreuth gezogen. Seither sind ihre Tage mit Proben für die Aufführungsserien von "Ring" und "Parsifal" gefüllt, zusammengerechnet fünf Wagner-Opern, für die sie eingeteilt ist. Am 25. Juli ist Festspielauftakt mit der Neuinszenierung des "Parsifal", danach stehen für Christine Steinbrecher insgesamt 20 Aufführungen (inklusive Festspiel-Open-Air) bis Ende August an. Zehn Wochen wird sie dann insgesamt im Banne Bayreuths verbracht haben – möglich gemacht auch deshalb, weil bei der heurigen Augsburger Freilichtbühnen-Produktion, den "Drei Musketieren", keine Harfe zum Einsatz kommt. 

    Die Augsburger Harfenistin ist fasziniert von den Musikdramen Richard Wagners

    Auch wenn sie, was die Person des Komponisten angeht, "nicht der größte Wagner-Fan" ist, von seinen Musikdramen ist Christine Steinbrecher fasziniert, seitdem sie zu Beginn ihrer Laufbahn, damals noch an der Bayerischen Staatsoper in München, erstmals an einer "Tristan"-Aufführung als Harfenistin mitwirkte. Und natürlich kann und will sie sich als Teil der geschichtsträchtigen Bayreuther Festspiele der Aura einer Stätte nicht entziehen, die Wagner selbst konzipiert hatte und die seither nichts weniger ist als ein lebendiger Mythos der Musikwelt.

    "Ich bin eine leidenschaftliche Theater-Harfenenistin": Christine Steinbrecher, in diesem Sommer Mitglied des Bayreuther Festspielorchesters.
    "Ich bin eine leidenschaftliche Theater-Harfenenistin": Christine Steinbrecher, in diesem Sommer Mitglied des Bayreuther Festspielorchesters. Foto: Anne Riedel

    Da ist etwa "dieser irre Orchestergraben", wie ihn Steinbrecher bewundernd nennt, jener Platz des Orchesters während der Aufführungen, der einzigartig in der Opernwelt ist. Nicht allein wegen seiner fast vollständigen, Einfluss auf den Orchesterklang nehmenden Überdeckelung. Die Musiker sitzen auch auf sechs absteigenden Ebenen metertief unter der Bühne. Ganz unten die Blechbläser, an den Seiten vor ihnen – die Harfen. "Ein unbeschreiblicher Klang herrscht dort unten", begeistert sich Steinbrecher und erzählt, wie sehr sie sich im Graben auch vom Spiel ihrer sämtlichen Orchesterkollegen und -kolleginnen mitgerissen fühlt.

    Musik im Orchestergraben: Völlig abhängig vom Dirigenten

    Ein "Graben", der freilich auch in anderer Hinsicht "sehr speziell" ist. Steinbrecher spielt darauf an, dass die Orchestermusiker im Festspielhaus so gut wie gar nichts vom Gesang auf der Bühne mitbekommen – umso mehr eine Herausforderung fürs exakte Zusammenspiel. "Man ist völlig vom Schlag des Dirigenten abhängig." Denn der Dirigent – bei "Parsifal" ist es Pablo Heras-Casado, bei den "Ring"-Opern Pietari Inkinen – ist die einzige Person während der Aufführung, die sowohl das Geschehen auf der Bühne wie auch im Orchester im Ohr und im Blick hat. Lässt sich dies mit entsprechender Professionalität in den Griff bekommen, so findet die nach Selbsteinschätzung "leidenschaftliche Theater-Harfenistin" Steinbrecher eines allerdings bedauerlich: Von der Inszenierung bekomme man dort unten im Festspielhaus-Graben rein gar nichts mit. 

    Ein Engagement in Bayreuther entschädigt mit anderem. Mit dem fachlichen Austausch unter Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedensten Orchestern, durch Wiederbegegnungen mit dem ein oder anderen schon bekannten Gesicht, mit gemeinschaftlichen Feiern nach gelungenen Aufführungen. Und, nicht zuletzt, durch diese besondere, traditionsbewusste, hochgestimmte Atmosphäre rund um das ehrwürdige Festspielhaus.

    Der Weg geht "ordentlich rauf und runter"

    Untergekommen während der zweieinhalb Monate ist Christine Steinbrecher nicht in Bayreuth selbst, sondern außerhalb in ländlicher Umgebung. Dort hat sie sich auf einem Bauernhof in einer Ferienwohnung einquartiert und radelt nun täglich zu den Proben, eine Strecke von "vielleicht fünf Kilometern", wie sie schätzt. Das wird sie von kommender Woche an auch an Aufführungstagen so halten, sie hat nur das Fahrrad dabei, ihre beiden Harfen aus Augsburg wurden mit der Spedition angeliefert. Also bei Augusttemperaturen am frühen Nachmittag hingeradelt zum Festspielhaus – "da geht's ordentlich rauf und runter" –, gegen Mitternacht dann wieder retour. Für die sportliche Harfenistin offenbar kein Problem: "Die Schlaglöcher", sagt Christine Steinbrecher heiter, "kenne ich inzwischen alle."

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