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Bäckerchor Augsburg: Gesangstradition lebt seit 123 Jahren

Augsburg

Wie die Bäcker seit 123 Jahren das Musikleben bereichern

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    Der Bäckerchor hält eine lange Geschichte und Tradition aufrecht.
    Der Bäckerchor hält eine lange Geschichte und Tradition aufrecht. Foto: Hr. Bouloubassis

    Es war einmal in Augsburg, da sang das Handwerk: Polizei, Feuerwehr, Metzger, Friseure, Bäcker - sie alle hatten eigene Chöre. Dann begann das Chorsterben, leise, aber stetig. Doch der Bäckerchor Augsburg zeigte sich dagegen immun und besteht bis heute, nicht nur als einer der wenigen, sondern auch als einer der größten und besten deutschlandweit. Mittlerweile kann er auf 123 Jahre Geschichte zurückblicken - plus elf.

    1878 rief Obermeister Georg Grotz die erste Sängerrunde ins Leben, ein Projekt anlässlich der Gründungsversammlung des Kreisverbandes der gewerbetreibenden Bäcker Schwabens, die am 4. Februar 1889 stillgelegt wurde. Am 28. Oktober 1901 versammelten sich dann acht Bäckermeister erneut zum Chor und wählten den „als Solisten so geschätzten Bäckermeister Hiernoymus Scheitle“ zum ersten Vorstand. Sie trafen sich wöchentlich am frühen Montagabend zur Probe und traten bald regelmäßig auf: bei Jubiläen von Kollegen, Trauungen, Beerdigungen, aber auch zu Erntedank, zur Josefifeier, zu Weihnachten oder anlässlich der Generalversammlung der BÄKO, der Wirtschaftsorganisation für das backende Handwerk. „Wir hängen am Tropf des Jahresablaufs, wie die ganze Bäckerei“, erklärt Hansjörg Knoll, mit Anneliese Schneider Chorvorstand und Seniorchef der Traditionsbäckerei Friedberger Landbrot in Augsburg und Umgebung.

    Augsburger Bäckerchor: Eine musikalische Tradition überdauert

    Die Familie Knoll singt seit über 50 Jahren im „Chor der Bäckerinnung Augsburg“, der seit März 1965 ein gemischter ist. Nun dürfen auch die Bäckerinnen und andere Frauen teilhaben am Gesang, eine Neuerung, die wesentlich zum Erhalt des Chores beigetragen haben dürfte. Denn Nachwuchssänger sind nicht leicht zu motivieren - das gilt für das Chorwesen wie auch das Handwerk.

    Noch im Jahre 1926 etwa gab es in Augsburg über 100 Bäcker und allein in der Bäckergasse 13 Bäckereien. Meist waren es Familienunternehmen mit Hauseigentum, die sich so mit möglichst geringen Unkosten über Wasser hielten. Auch der Bäckerchor zählte damals über 60 Mitglieder. Der Krieg brachte eine Zäsur, bei den Großangriffen im Februar 1944 fielen 78 Bäckereibetriebe aus. Auch die Sangesrunde schwieg drei Jahre lang. „Durch Anregung der Innungsleitung und mit Genehmigung der Militärregierung nahm die Sängerrunde am Montag, den 16. Juni dieses Jahres, den Probenbesuch wieder auf“, notierte Schriftführer Michael Jaser anlässlich der Generalversammlung am 27. Oktober 1947 in der Vereinschronik. Anwesend waren 25 Mitglieder.

    Mit der Zeit änderte sich auch das Chorrepertoire

    In den folgenden Jahren wuchsen Sängerzahl und Aktivitäten kontinuierlich. Bereits zum Festakt anlässlich des 50-jährigen Chorjubiläums am 1. Juli 1951 im damaligen Ludwigsbau kamen Bäckersänger aus Erlangen, Fürth, Nürnberg und München, außerdem die Sängerrunden der Fleischer- und Friseurinnung Augsburg. Es wurde geredet und vor allem gesungen: „Es waren prachtvolle Höhepunkte in der Folge der siebzehn Chöre, hier besonders eindrucksvoll Schuberts Allmacht, gesungen vom Gesamtchor der Augsburger Handwerkersängerrunde mit der Sopranistin, Frau Bab. Sölch als Solistin“ (aus dem Bericht der Fachzeitung Der Bayerische Bäcker vom 6. Juli 1951). Der Rezensent der Schwäbischen Landeszeitung hob „die von einem Redner gegebene Anregung, das Fach des gemischten Chores mehr zu pflegen“, hervor: „Es lockert auf und bringt auch eine willkommene Erweiterung der manchmal etwas einseitigen reinen Männerchorliteratur mit sich.“ Geradezu visionär fügte er hinzu: „Ein wenig mehr Zuneigung zum zeitgenössischen Schaffen wäre auch noch anzuregen…“

    Tatsächlich änderte sich mit der Zeit das Chorrepertoire. Es wurde moderner, genreübergreifender und mehrsprachig. Mit dem Englischen taten sich manche anfangs noch schwer, erinnert sich Hansjörg Knoll. Der rege Austausch mit anderen Chören, die (auch erfolgreiche) Teilnahme an Wettbewerben und Chorfesten und regelmäßige Ausflüge in die nähere Umgebung, so nach Füssen, Nördlingen oder Untermeitingen, förderten und fördern die Gemeinschaft. Zum Besuch des Friseurchores in Fischach brachten die Bäcker ein zehn Meter langes Brot als Gastgeschenk mit. Wie sich die Friseure revanchierten, ist nicht überliefert. Anlässlich des Kirchweihausfluges nach Todtenweis am 15. Oktober 1961 zusammen mit dem Gesangverein Eintracht Pfersee schrieb die Schwäbische Landeszeitung humorvoll sogar von einer „Invasion durch Augsburger Sänger“.

    Geprobt wird immer noch am Montagabend

    Heute steht die 25 Mitglieder zählende Sängerrunde der Bäckerinnung Augsburg mit ihrem Chorleiter Benedikt Ott jedem offen - er sollte lediglich einmal in seinem Leben eine Brezel gegessen haben. Geprobt wurde, immer noch Montagabend, bis vor zwei Jahren im Schaezler‘schen Gartenhaus an der Schaezlerstraße 9, im Saal im zweiten Stock, der auch einen Flügel beherbergt. Dann zog der Chor wegen umfassender Renovierung des Gartenhauses in das Gebäude der BÄKO in Haunstetten.

    1760 wurde das Rokoko-Gartenhaus von Gottfried Schiffer aus Breslau für den Bankier Georg Walter von Halder gebaut, 1813 an Lorenz von Schaezler veräußert. Durch Zukäufe nahm der umliegende Garten eine Größe ein, die von der Bahnhofstraße, Schaezlerstraße, dem Klinkerberg, der Stadtjägerstraße und der Bahnlinie Augsburger-Oberhausen begrenzt wurde. „Von Westen nach Osten war der Garten von einer wuchtigen Pappelallee durchzogen, die erst in der 90er Jahren (des 19. Jh.s, Anm.) niedergelegt wurde. Nach diesem Garten, dem größten in Privatbesitz, war die Stadt Augsburg Mitte des vergangenen Jahrhunderts als die größte Gartenstadt Bayerns bezeichnet worden“, steht in der Festschrift zur Feier des 75-jährigen Jubiläums der Bäckerinnung Augsburg im Juni 1950.

    Die nachfolgenden Besitzer entstammten u.a. den Familien von Schnurbein und von Stetten, bis 1933 die Augsburger Bäcker- und Konditorengenossenschaft Egdebia (inzwischen BÄKO München Altbayern und Schwaben eG) Haus und Teile des Gartens erwarb. Damals wohnten darin noch die Freifrau von Welser und der Maler von Faber du Faur. Zuvor lebten darin weitere Berühmtheiten wie etwa Hortence Beauharnais, Stieftochter Napoleons I, ihr Bruder Eugen, Vizekönig von Italien und ihr Sohn Louis, der spätere Kaiser Napoleon III., der in einem der Fensterstöcke des Gartenhauses seine Handschrift mithilfe eines Diamanten einritzte. Diese dürfte heute noch zu sehen sein, auch nach der großen Renovierung. Am 19. September wird das Ergebnis nach zweijähriger Schließung präsentiert. Dass der Chor der Bäckerinnung Augsburg im Rahmen der Eröffnungsfeier dort singen wird, ist selbstverständlich.

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