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Aynur begeistert auf der Freilichtbühne in Augsburg die Gäste

Musik

Sängerin Aynur trägt das kurdische Erbe in die Welt

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    Die kurdische Sängerin Aynur kombiniert Volkslieder aus ihrer Heimat mit modernen Popklängen und Jazz-Elementen.
    Die kurdische Sängerin Aynur kombiniert Volkslieder aus ihrer Heimat mit modernen Popklängen und Jazz-Elementen. Foto: Peter Fastl

    Sie haucht Töne ins Mikrofon, so zart, als würden sie vom Wind davongetragen. Dann wieder singt sie laut und kraftvoll, als wolle sie das Publikum aufrütteln und mit melancholischen Klagerufen gegen die Gewalt und Unterdrückung in ihrer Heimat ansingen. Mit Aynur steht am Sonntagabend eine der prominentesten kurdischen Stimmen auf der Freilichtbühne in Augsburg. Mehrfach ausgezeichnet und international bekannt beweist die Sängerin, wie sich mit Musik Grenzen überwinden und unterschiedliche Kulturen verbinden lassen.

    Genau dafür wird die 48-Jährige seit Jahren gefeiert. Denn wie kaum einer anderen Künstlerin gelingt es ihr, traditionelle Musik für neue Klänge zu öffnen. Sie kombiniert Volkslieder aus ihrer kurdischen Heimat, auch Klams genannt, mit modernen Popklängen und Jazz-Elementen. Das klingt weniger nach Folklore als nach interessanten musikalischen Neuschöpfungen.

    Sängerin Aynur beweist: Mit Musik lassen sich Grenzen überwinden

    Aynur wuchs in Ostanatolien auf. Wegen der Kämpfe zwischen der türkischen Armee und der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) übersiedelte ihre Familie 1992 nach Istanbul. Sie besuchte die renommierte Musikschule von Arif Sag, studierte Gesang und lernte die Langhalslaute Baglama. Das türkische Traditionsinstrument wird vom Balkan bis Afghanistan gespielt. Auch beim Konzert auf der Freilichtbühne ist sie zu hören, einfühlsam gespielt von Rusan Filiztek, mal im Solo, mal von Streichern getragen.

    Begleitet wird Aynur von vier weiteren Musikern, darunter der Bassist Chris Jennings aus Kanada und der Münchner Jazzpianist Franz von Chossy. Beide brillieren mit Soli und werfen der Sängerin immer wieder musikalische Phrasen entgegen, die sie mal mit kraftvollem Vibrato, mal mit rhythmischen Silben beantwortet. Scat nennt sich die spezielle Gesangsform, die dem Gospel entlehnt ist und bei der instrumentale Motive mit Wortfragmenten nachgeahmt werden. Ein modernes Frage-Antwort-Spiel, auf das im nächsten Moment wieder traditionelle Elemente folgen. Vor allem Bass und Schlagzeug verleihen den kurdischen Liedern einen modernen, jazzigen Klang. Die Bedeutung der beiden Instrumente zeigt sich schon an der Sitzordnung, denn sie flankieren die Sängerin zentral in der Mitte der Bühne.

    Wenn der Dirigent den Sängern die Show stiehlt..

    Begleitet wird Aynur außerdem von Musikerinnen und Musikern der Augsburger Philharmoniker. Dirigiert werden sie von Jazzpianist Tom Jahn, der Aynurs Stücke für das Ensemble arrangiert hatte. Energiegeladen hüpft er auf dem Podium herum, dreht sich ab und an zum Publikum um und stiehlt damit selbst der Sängerin in manchem Moment die Show. 

    1200 Gäste sitzen auf der Tribüne. Die meisten Besucherinnen und Besucher haben sich sicherheitshalber einen Regen-Poncho übergestülpt. „Hab Erbarmen“, sagt die Sängerin, blickt nach oben und wird erhört. Den ganzen Abend fällt kein Regentropfen. Dafür fegt ein eisiger Wind über die Tribüne. Doch der kann den Gästen nichts anhaben, die meisten halten sich mit Tanzen warm. Schon nach kurzer Zeit springen die ersten Fans auf und jubeln. Sie tragen rot-weiß-grüne Bänder am Arm, die Farben der Nationalflagge des kurdischen Volkes. „Ist euch kalt? Mir nicht“, sagt Aynur und streift sich den Schal von den Schultern, allerdings nur für ein Lied. Im blauen Abendkleid wird der Sängerin dann doch etwas frisch.

    Jazzpianist Tom Jahn dirigiert die Musikerinnen und Musiker der Augsburger Philharmonie.
    Jazzpianist Tom Jahn dirigiert die Musikerinnen und Musiker der Augsburger Philharmonie. Foto: Klaus Rainer Krieger (Archivbild)

    Das Konzert fand im Rahmen des Water-and-Sound-Festivals statt, das die Stadt veranstaltet, um Weltmusik für ein größeres Publikum zugänglich zu machen. Mit Aynur stand eine international gefeierte Sängerin auf der Bühne. Vor allem das Album „Kece Kurdan“ brachte ihr Anerkennung über kurdische Kreise hinaus. Mit dem gleichnamigen Lied appelliert die Sängerin an Frauen, sich gegen Unterdrückung zu wehren. In der Türkei war der Song anfangs verboten. In Deutschland ist Aynur vor allem mit dem Musikfilm „Crossing the bridge“ bekannt geworden. Regisseur Fatih Akin porträtiert darin Musikerinnen und Musiker aus Istanbul.

    Beim Konzert in Augsburg sitzen zahlreiche Fans mit türkischen oder kurdischen Wurzeln, darunter ein junger Mann, der mit seinen Freunden da ist. „Ich habe Aynur mehrmals live gesehen. Es macht immer wieder Spaß“, sagt er. „In der Diaspora kommt man selten mit der Kultur aus der eigenen Heimat in Berührung. Es ist ein schönes Gefühl, kurdische Musik in der Stadt zu hören, in der ich jetzt lebe.“

    "Es ist ein schönes Gefühl, kurdische Musik in der Stadt zu hören"

    Dem kann sich eine andere Besucherin nur anschließen. „Ich freue mich, Klänge aus der Heimat meiner Großeltern zu hören“, sagt die gebürtige Augsburgerin mit türkischen Wurzeln. Für sie stehe weniger das Politische als vielmehr die Musik im Vordergrund. „Aynur verbindet verschiedene Musikstile und Kulturen. Dass sie hier auf der Freilichtbühne spielt, ist ein schönes Symbol. Denn es schafft Sichtbarkeit und macht andere Klänge auch für eine Mehrheitsgesellschaft erlebbar, die sonst wenig damit in Berührung kommt.“

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