Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten
Feuilleton regional
Icon Pfeil nach unten

Ausstellung: Leuchtzeichen aus Augsburgs Ateliers: Ausstellung "Polychrom" im Glaspalast

Ausstellung

Leuchtzeichen aus Augsburgs Ateliers: Ausstellung "Polychrom" im Glaspalast

    • |
    Viel Farbe bei der Ausstellung "Polychrom" in Augsburg. Links an der weißen Wand: Carolin Jörgs Tusche-Kunst. An der rosa Wand: Christof Kochs Bilder.
    Viel Farbe bei der Ausstellung "Polychrom" in Augsburg. Links an der weißen Wand: Carolin Jörgs Tusche-Kunst. An der rosa Wand: Christof Kochs Bilder. Foto: Christofer Kochs

    Dass Künstler sich für ausgewählte Künstler-Kollegen starkmachen und diese dem Publikum ans Herz legen, ist nichts Außergewöhnliches (mehr) – und nobel. In jüngerer Zeit war dafür der Belgier Luc Tuymans vor rund einem Jahrzehnt ein Vorreiter in größerem Stil. Für Augsburg und Umgebung stellt sich die Situation derzeit folgendermaßen dar: Ein Künstlertrio der Ecke-Künstlervereinigung präsentiert in rascher Folge Kollegen und Gleichgesinnte in der Ecke-Galerie; Christofer Kochs, dieser Augsburger Maler mit langjähriger Reputation vor allem im süddeutschen Raum, tritt in der Halle 1 des Glaspalasts für ernst zu nehmende Künstler aus dem Raum Augsburg ein – wovon hier die Rede sein wird –; und noch ein anerkannter Maler aus der Region, Harry Meyer, wird künftig regelmäßig parallel als Kurator tätig werden, und zwar in dem derzeit im Aufbau befindlichen "Kunstforum" von Essing im Altmühltal. 

    "Polychrom" versammelt Werke von sechs Augsburger Künstlern

    Die Künstler und Künstlerinnen, auf einem Foto vereint: Sie haben die Ausstellung "Polychrom" im H1 im Augsburger Glaspalast gemeinsam gestaltet.
    Die Künstler und Künstlerinnen, auf einem Foto vereint: Sie haben die Ausstellung "Polychrom" im H1 im Augsburger Glaspalast gemeinsam gestaltet. Foto: Jörg Fokuhl

    Unter dem großen Nenner "Polychrom" – "vielfarbig" – versammelt Christofer Kochs nun also sechs Künstlerinnen und Künstler – sich selbst eingeschlossen. Er wurde initiativ, als die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen 2019 aus dem Glaspalast auszogen und somit die Halle 1 frei wurde. Corona sorgte für Verzögerung, doch nun steht die mit Kulturreferent Jürgen Enninger und Hausherr Thomas Elsen (Städtische Kunstsammlungen) verabredete und von der Stadt Augsburg sowie weiteren namhaften Sponsoren stark unterstützte Schau. Das Gesamtbild, das sich aus ihr ergibt: Der Raum Augsburg vermag zu leuchten, sehr deutlich über der durchschnittlichen Qualitätsstufe der jährlichen Großen Schwäbischen Kunstausstellung. Man achte insbesondere auf die Arbeiten von Carolin Jörg.

    Wer die Halle 1 betritt, wird indessen als Erstes mit Werken des Kurators Christofer Kochs selbst konfrontiert. Das mag zunächst wenig bescheiden anmuten, bleibt jedoch in Wirkung und Nebeneinander berechtigt. Christofer Kochs (*1969) setzt Ausrufezeichen hinsichtlich Format, Farbigkeit, gut verstandener Repräsentation auch der Traditionen von Malerei und Skulptur. In seinen Gemälden weiten sich neuerdings – trotz flächigen Kolorits – noch einmal die Bildräume, mit denen seine stets sinnenden, zögernden, leicht geneigt blickenden Figuren in Spannung stehen. Dunkel dräuende oder aufhellende Lichtwirkungen illuminieren geradezu deren stumme, unerlöste Gedanken. Und bei Kochs' Skulpturen, deren Köpfe respektive Büsten in abstrahierende, teils durchbrochene Körperauflösungen übergehen, bleibt das Geheimnis gewahrt, inwieweit hier mythologisch-zauberische Straf- oder Wunschverwandlungen greifen. 

    Carolin Jörg zeigt Tinte- und Tusche-Arbeiten im Glaspalast

    Hinter der Bilderwand Kochs' steckt die Überraschung von "Polychrom" – und zwar in Form delikatester Tusche- und Tinte-Arbeiten von Carolin Jörg (*1977). Wohl lebt sie seit Jahren in Augsburg und wirkt hier seit 2015 auch an der Hochschule als Professorin für Künstlerisches Gestalten – nachdem sie zuvor bereits in Lyon eine Zeichnungsprofessur innehatte –, doch öffentlich präsent war sie in Augsburg mit ihrem Werk in dieser Zeit nicht. Nun legt sie einen bewundernswerten Start hin, in raffiniert zurückhaltender Farbigkeit, auf erarbeitete, begründete Äußerung bedacht, nicht auf Effekt. Zu sehen sind zarte Gedichte in fluiden Farbformen auf Papier. Ein Weiteres, noch Überraschenderes kommt hinzu: Unter dem Titel „Der zweite Blick“ sind einige dieser Gedichte versammelt, die per Handy und App tatsächlich künstlerisch überzeugend auch in eine bewegte „Bildgeschichte“ versetzt werden können. Das einzelne Blatt erweist sich als autark in sich – aber auch als Animation durch Carolin Jörgs Ehemann Michael Fragstein sowie durch lyrisch beschreibende Texte von Marie-Alice Schultz. Diese Kleinode haben das Recht, genau studiert zu werden. 

    Die Ausstellung ermöglicht Wiederbegegnung mit den Bildern der allzu früh verstorbenen Burga Endhardt.
    Die Ausstellung ermöglicht Wiederbegegnung mit den Bildern der allzu früh verstorbenen Burga Endhardt. Foto: Christofer Kochs

    Endlich auch gibt es eine Wiederbegegnung mit den berührenden Werken der allzu früh verstorbenen Burga Endhardt. Eine Augsburger Retrospektive hat sie seit ihrem Tod 2019 verdient. Im Glaspalast nun ist Endhardt zumindest durch etliche Blätter verschiedener künstlerischer Phasen vertreten: sensible, kleine Tagebuch-Zeichnungen, glänzend-reliefhafte Grafit-Verdichtungen auf Transparentpapier oder Pergament ("Kleid"!), pastellfarbene, abstrahierende Malereien von in sich fließenden, schlingernden, schiebenden, wirbelnden Landschaften. Das alles: Anlass, weiter über das Ende dieser leisen, behutsamen Kunst zu trauern. 

    Daniel Man, Laurentius Sauer und Timur Lukas beteiligen sich

    In Sichtweite dann die Farb- und Formkompositionen des Briten Daniel Man (*1969). Ausgehend von übereinander gelagerten Farbpapier-Scherenschnitten in Torform gelangt er, der als Graffiti-Künstler begann und dann bei Walter Dahn und Markus Oehlen studierte, zu vielschichtiger Durchdringung von Raum und Fläche, malerisch vorsichtig aufgelockert: Welten, die zu ordnen, zu erkunden, zu begreifen sind. 

    Dagegen sind uns die Sujets von Laurentius Sauer (*1987) und Timur Lukas (*1986), beide ehemalige Münchner Meisterschüler Gregor Hildebrandts, weit mehr vertraut. Sauer widmet sich in malerischer Unmittelbarkeit und adaptierter Comic-Zeichensprache mit lakonischer Situationsschilderung oder Sprechblase auch den moderneren (Freiheits-)Mythen – wobei er in Schwarz-Weiß mehr überzeugt als in Farbe –; Timur Lukas hingegen belebt mittlerweile in seinen atelierfrischen Gemälden die traditionellen Genres Stillleben, Vedute, Porträt postimpressionistisch neu. Nach seiner Ausstellung im Augsburger Kunstverein 2020 scheint er weiter auf der Recherche nach der sich verlierenden Bild- und Augen-Erinnerung zu sein.

    "Polychrom", Pflichtprogramm für alle Kunstinteressierten, wird begleitet von einer Edition der sechs vertretenen Künstler (40 x 30 cm, diverse Drucktechniken, Auflage: 20). Das Einzelblatt kostet 120 Euro. 

    Info: Ausstellungsdauer bis 12. März in der Halle 1 des Glaspalasts. Öffnungszeiten Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden