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Ausstellung: Kunst in Kartons: Eine originelle Ausstellung im Augsburger Stadtarchiv

Ausstellung

Kunst in Kartons: Eine originelle Ausstellung im Augsburger Stadtarchiv

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    Die aktuelle Ausstellung des Augsburger Stadtarchivs präsentiert Archivboxen, in denen Kunst zu finden ist, von links die Künstlerin Bea Schmucker, Stadtarchivleiterin Kerstin Lengger und der Künstler Christofer Kochs.
    Die aktuelle Ausstellung des Augsburger Stadtarchivs präsentiert Archivboxen, in denen Kunst zu finden ist, von links die Künstlerin Bea Schmucker, Stadtarchivleiterin Kerstin Lengger und der Künstler Christofer Kochs. Foto: Rüdiger Heinze

    Rund 7000 neue Kartons, gut doppelt so groß wie Schuhverpackungen, benötigt das Stadtarchiv alljährlich, um jene Dokumente einzuordnen und aufzubewahren, die ihm übergeben werden. Neun von diesen 7000 Kartons in neutralem Grau wurden nun aber abgezweigt für ein originelles Ausstellungsprojekt, das Dokumente der Augsburger Stadthistorie mit zeitgenössischer Kunst verbindet. Acht Künstler(innen) – im Alter von 20 bis 95 Jahre – setzten sich mit einem speziellen Aspekt der hiesigen Stadtgeschichte auseinander und schichteten hernach ihre entstandenen Werke in besagte Kartons. 

    Besucher können im Stadtarchiv Kunst "ausgraben"

    Auf dass die Werke nun im Foyer des Stadtarchivs von Interessenten wieder ausgepackt, gleichsam "ausgegraben" und "entdeckt" werden. Die Besucher haben also gewissermaßen aktiv, eintauchend, zu schürfen – möglichst mit Baumwollhandschuhen. Nicht "mundgerecht", nicht drapiert an Wände gehängt, erhalten sie neue Kunst, sondern sie müssen sich diese erst "erschließen", ans Licht holen. Christofer Kochs, teilnehmender Künstler und Mitorganisator, befindet: "Eine schöne Idee, so einfach wie schlüssig." 

    Die Idee stammt von Beatrice Schmucker, ebenfalls teilnehmend, ebenfalls gut bekannt im Augsburger Raum. Mit der Archivdirektorin Kerstin Lengger ist sie gut bekannt, wodurch sich zwei Interessenlagen leicht verknüpfen ließen: Kerstin Lengger suchte schon seit Längerem eine Gelegenheit, im Stadtarchiv gezielt Kunst zu zeigen; Beatrice Schmucker, rührig, faszinierten der Ort als mögliche Ausstellungsstätte und seine Archivalien als mögliche Inspirationsquelle. Und so liegen nun im Stadtarchiv unter dem Titel "Archiv der Zeit" neun graue Kartons, mit bildnerischer Kunst darinnen, auf neun weißen Sockeln. Es heißt: Deckel heben, nachschauen. 

    "Fugger Kirsch" ist Teil einer Installation von Gerhard Fauser

    Keine Regel ohne Ausnahme: Die Reiseskizzenbücher von Georg Bernhard, dem mit 95 Jahren ältesten Teilnehmer, liegen in einer Glasvitrine. Sie sind per se Stadtgeschichte, da der Künstler und ehemalige Augsburger Hochschulprofessor an seinem Geburtsort lebte und arbeitete. Gerhard Fauser wiederum hat Überbleibsel aus ehemaligen Augsburger (Arbeits-)Brennpunkten offen zu einer Installation arrangiert – eine Lastenaufzugsschalttafel, dazu den einstigen Schalltrichter für den Hahnenschrei auf dem Stadtmarkt (per Knopfdruck zu erwecken), schließlich eine surreal verfremdete, leere Flasche "Fugger Kirsch". Und die auf KI-Kunst spezialisierte Erika Kassnel-Henneberg steuert neben einem Karton voller künstlerisch patinierter "Familien- und Lebensgeschichten aus Augsburg" auch ein Video bei, das alte Fotoporträts mittels KI in Bewegung, in künstliches Leben versetzt.

    Nun aber: vertiefter Blick in die Kartons. Initiatorin Beatrice Schmucker hat sich zwei Themen vorgenommen, zum einen "Mozart" (mit abstrahierenden Porträts der Familie), zum anderen das Welterbe "Wasserwirtschaft", mit einem Seitenarm in Form einer historischen Überschwemmung. Impulsiver Malgestus in Dunkel- und Ultramarinblau kreuzt sich darin mit der Fotodokumentation der einstigen Katastrophe. Durch 30 Arbeiten ist dieser Karton wohl gefüllt, während der jüngste Teilnehmer, noch Student, acht Augsburg-Straßenansichten in seine Kiste senkrecht stellte. Einfach, kindlich, aber nicht kindisch seine Idee, Augsburger Orte fantasievoll zu illustrieren: Am Fischertor wird gefischt, vor dem Bauerntanzgäßchen tanzt ein Bauernpaar, am Milchberg stehen Kühe, über der Frohsinnstraße strahlt die Sonne, über der Sterngasse glitzern die Sterne usw., usf. 

    Christofer Kochs widmet sich dem Thema "Amerika in Augsburg"

    Heben wir den Deckel zu drei weiteren Kartons. Christofer Kochs wuchs in Pfersee auf, praktisch im Kontakt mit der Nachkriegs-US-Community. Sein Thema "Amerika in Augsburg" endete historisch betrachtet durch den Abzug der Truppen in den 90er-Jahren; was blieb, waren Leerstellen. Areale, zunächst ohne Leben, ohne Soldaten und ihre Familien. Kochs griff zu alten Fotos, beschnitt, bearbeitete sie, und entwickelte auf dem von ihm gewohnt hohen Niveau aus Formen, Flächen, Umrissen subtil-sublime abstrahierende Erinnerungen. Er nennt sie "Anwesenheit der Abwesenheit". 

    Auch Rainer Kaiser durfte zwei Kartons bestücken. Er widmet sich einerseits der historischen Augsburger Kleiderordnung, andererseits der Augsburger Medizingeschichte. Diesbezüglich kombiniert er Glas, Glasritzung, Farbe und Textfaksimiles zu freien, assoziativen Bildfindungen, nicht zuletzt mit dem Motiv der Pestschnabelmaske. Jana Schwindel schließlich weiß ihre Begeisterung für den Plärrer umzusetzen: Fotos der Fahrgeschäfte verwandelt sie – das Grau des Kartons aufgreifend – in silhouettenhafte, ornamentale, präzise Papierschnitte. 

    "Archiv der Zeit" im Stadtarchiv (Zur Kammgarnspinnerei 11): Laufzeit bis 31. Mai. Geöffnet Di. bis Fr. von 8 bis 17 Uhr, Sa., So., Fei. von 11 bis 15 Uhr.

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