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Ausstellung: Fotografien von Sebastian Bühler: Der Reiz des Furchtbaren

Ausstellung

Fotografien von Sebastian Bühler: Der Reiz des Furchtbaren

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    So erschreckend wie faszinierend kann der Raubbau an Bodenschätzen aussehen. Zwei Foto-Arbeiten Sebastian Bühlers im Kunstverein.
    So erschreckend wie faszinierend kann der Raubbau an Bodenschätzen aussehen. Zwei Foto-Arbeiten Sebastian Bühlers im Kunstverein. Foto: Rüdiger Heinze

    Kann das zu Fürchtende, das Furchtbare auch eine Ästhetik aufweisen? Ja, kann es. Man kennt das aus dem Tierreich, etwa von (leuchtsignal-)farbigen Giftschlangen; man kennt das von der "Architektur" grauenerregender Atom- und Wasserstoffbomben-Pilze. Auch das Entsetzen über den Holocaust wurde vielfach symbolistisch-mahnend und ansehnlich umgesetzt, oft genug, insbesondere im Theater, durch einen Berg von Deportierten-Koffern oder durch einen Berg der Kleidung von Ermordeten. 

    Auf einem ganz anderen Blatt steht allerdings jene Schrecken erregende, perfide und zynische Äußerung des Komponisten Karlheinz Stockhausen, der 2001, nach den Anschlägen auf das World-Trade-Center bei einer Pressekonferenz erklärte: "Also, was da geschehen ist, ist natürlich – jetzt müssen Sie alle Ihr Gehirn umstellen – das größte Kunstwerk, was es je gegeben hat." So niederträchtig diese (zurückgenommene) Äußerung: Sie verbindet auf unerhörte, unverständliche Weise das Grauen mit ästhetischen Kategorien. 

    Sebastian Bühlers Landschaftsaufnahmen dokumentieren Umweltzerstörung

    All dies sich zu vergegenwärtigen kann nicht hinderlich sein für die, die jetzt im Altstadt-Holbeinhaus die jüngste Ausstellung des Augsburger Kunstvereins betrachten. Auch dort verbindet sich reizvolle Anschaulichkeit mit letztlich tödlichen Giften. Der Augsburger Fotograf Sebastian Bühler, Jahrgang 1984, zeigt spektakuläre Landschaftsaufnahmen, die Umweltzerstörung dokumentieren - und gleichzeitig dennoch stilvoll verführen und fesseln. Die Betrachter also sind einem schweren Wechselbad der Empfindungen ausgesetzt. 

    Wie genau verursacht er dieses Wechselbad? Sebastian Bühler lässt Kamera-Drohnen steigen, die aus der Vogelflug-Perspektive einige bosnische und serbische Bodenschatz-Abbaugebiete sowie Industrieanlagen-Abwassereinleitungen "unter die Lupe" nehmen. Man sieht - gleichsam mit Adleraugen - die Oberflächen-Geologie von Orten der Braunkohle-, Kupfer-, Aluminium- und Düngemittel-Gewinnung, speziell der serbischen Region Bor mit Kupferminen in heute chinesischem Besitz. Und man sieht, welche Bodenstrukturen in den Abwasser-Ableitungen die Folge sind: Marmorierungen, Krakeles, Mixturen, Kristallisationen, Emulsionen, mitunter voller Farbpracht, voller "dekorativer" Formation. Mit vergleichbaren, ähnlichen "Mustern" und "Ornamenten" wurden einst kostbare Bibliotheksbände eingebunden. 

    Kunstverein Augsburg: Verödete Landschaften und verwitterter Müll in Gläsern

    Das Auge wird erfreulich gereizt, aber der Kopf weiß: Die Ursache ist alles andere als erbaulich. Sie ist destruktiv, gefährlich. Dies zu untermauern, hat Bühler seinen Farbabstraktionen dokumentarische Fotos und auch Objekte zugesellt: Aufnahmen, die die Industrieanlagen selbst in einer verödeten Landschaft "porträtieren", nicht aber die arbeitenden Menschen vor Ort; Aufnahmen, die die Abbauverkehrswege von oben in den Fokus rücken; Aufnahmen, die - schaut man nur genau hin - hinterlassenen Müll im Detail zeigen - plus eben dieser verwitterte Müll in Gläsern, wie wir sie aus naturkundlichen Sammlungen kennen. So gehört zu dieser Schau - über das Bedenkliche hinaus - durchaus auch etwas Bizarres. 

    Dystopische Klänge von Jürgen Branz ergänzen die Ausstellung

    Hinzu kommt ein akustische Rahmen für die Ausstellung: Bühler bat den Augsburger Sound-Artisten Jürgen Branz, Jahrgang 1985, die Fotografien tönend zu begleiten. Und nun erschallen aus einem unübersehbaren Soundsystem dunkle, ja dystopische Klänge, die auf Originalmitschnitten vor Ort, also Bosnien und Serbien, basieren. Auch auditiv verbindet sich somit "Erfreuliches" mit gefährlich Dräuendem: Das Soundsystem, entwickelt einst für den Reggae, spuckt nun Unheilvolles aus. 

    Dies ist das, wofür derzeit der rührige Augsburger Kunstverein bei begrenzten Mitteln im Erdgeschoss des Holbeinhauses ein Podium bildet; im Obergeschoss hingegen sind gerade die traditionellen Jahresgaben versammelt, die - für Kunstvereinsmitglieder vergünstigt - erworben werden können. Man darf angesichts der Kollektion, aus der bereits verkauft wurde, getrost behaupten: Wer vieles und auch Unterschiedliches bietet, der bietet jedem etwas. Ausgesprochen homogen erweist sich die Bild-Versammlung, in der sowohl Werke bereits vom Kunstverein präsentierter Künstler als Werke potenzieller Kandidaten zu sehen sind, jedenfalls nicht. Ins Auge stechen unter anderem: Fatma Güdü mit einem zarten Porträt-Aquarell, Maria Justus mit Bildobjekten, die sich mit antiker Kunst auseinandersetzen, Janina Roider mit einer ansprechenden Mischtechnik-Abstraktion sowie Daniel Man mit einem Kleinformat seiner übereinander drapierten Papierausschnitte. Der Preisrahmen für die Jahresgaben bewegt sich zwischen 400 und 2600 Euro.

    Laufzeit im Holbeinhaus, Vorderer Lech 20: bis 28. Januar. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr.

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