Wer schaut einen da an? Wer sind diese unheimlichen Gestalten? Und was ist da eigentlich los in diesem Schaufenster? In der Annastraße neben Feinkost Kahn schauen einen gerade Skulpturen an, die fast zu leben scheinen. "Zwischenzeit" heißt es in diesem großen Raum an der Annastraße, früher war da einmal ein Geschäft, gerade präsentiert die Künstlerin Hella Buchner-Kopper dort ihre Arbeiten. Und es kann gut sein, dass einen die Walzerklänge erst einmal stutzig machen, die von innen nach draußen auf die Straße klingen.
Dem Leerstand begegnen, hier wird das kreativ gelöst – und mit Mehrwert für die Passanten. Dann biegt eine Mutter mit Kleinkind und zusätzlichem Kinderwagen ein und schaut sich das einmal an. Ein Moment zum Durchschnaufen für sie, weil sie da auf keine Konsumfallen reagieren muss. Vielmehr stellt der Sohn Fragen, was es mit dieser Skulptur mit den ausgebreiteten Armen und den angedeuteten Federn auf sich hat? Ikarus. Eine Sagengestalt. Das war derjenige, der mit seinen Wachs-Feder-Flügeln übermütig wurde und der Sonne zu nah kam und dann abstürzte.
Womit man auch gleich beim zusätzlichen Reiz dieser Zwischennutzung ist. Buchner-Kopper hat da nicht einen großen Raum, in dem sie viele ihre Lederfiguren präsentieren kann, sie und ihr Mann Wolfgang Buchner sind auch während der Öffnungszeiten immer selbst anwesend. Es gibt – anders als in den städtischen Museen – dafür kein eigenes Aufsichtspersonal. Der Direktkontakt mit der Künstlerin ist also sehr einfach möglich.
Und erzählen kann sie viel. Jede der Figuren hat eine eigene Geschichte. Diese da zum Beispiel, das ist Soliman, der im Wien des 18. Jahrhunderts eine Berühmtheit war – als afro-österreichischer Sklave, Kammerdiener und Prinzenerzieher. Oder hier, eine schwarze Madonna oder dort die Salige, eine Legendengestalt aus Kärnten, der Heimat von Buchner-Kopper.
Aber es gibt auch reichlich zu schauen. Für die Figuren hat Buchner-Kopper Leder im großen Stil recycelt. Hier, das sind doch die Gürtelschlaufen einer Hose, dort die Finger eines Handschuhs, und da, war das nicht einmal ein Schuh gewesen? Und dann dieser Kopfschmuck: Da ist es eine Sichel, die wie die Bürste eines römischen Helms über dem Kopf schwebt. Dort hat sie eine Gartenschere eingearbeitet. Immer wieder glaubt man auch, diesen Mensch-Tier-Schimären gerade bei ihrer Verwandlung zusehen zu können. Und wunderbar, dass es endlich eine Frau geschafft hat, Bertolt Brecht die Hörner aufzusetzen!
Laufzeit der Ausstellung in der Zwischenzeit (Annastraße 16 in Augsburg) bis zum 26. Mai. Die Öffnungszeiten sind 12 bis 18 Uhr – allerdings je nach Lust und Laune, wie es auf dem Schild dazu so schön heißt.